Einmal um die Welt – Zikmund und Hanzelkas Reisen

Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Im Jahr 1947 sind sie zu ihrer ersten langen Reise aufgebrochen. Als dann ihre Reportagen aus fremden Ländern im Radio und im Kino liefen, wurden sie zu Stars in der Nachkriegs-Tschechoslowakei. Die Rede ist von Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund. Sie haben bei zwei mehrjährigen Reisen mit dem Auto praktisch einmal die Welt umrundet. Über 80 Länder haben sie besucht. Da Miroslav Zikmund am Donnerstag seinen 100. Geburtstag gefeiert hat, erinnern wir an die Fahrten der beiden Abenteurer.

Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Es ist wohl eine Schicksalsbegegnung. Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund lernen sich 1938 kennen, zum Beginn ihres Studiums in Prag. Beide sind im Fach „internationaler Handel“ eingeschrieben. In einem Radiointerview hat Zikmund vor einigen Jahren den Beginn seiner Freundschaft mit Hanzelka geschildert:

„Das war wohl in den Sternen geschrieben, das war Vorhersehung. Wir hatten gemeinsame Interessen, haben zusammen unser Studium absolviert und uns dann etwas ausgedacht, das den normalen Rahmen überschritten hat. Und die Reisepläne mussten wir dann während der gesamten Zeit des Protektorats auch vor unseren Eltern geheim halten.“

Denn beide können ab November 1939 nicht weiter studieren. Die deutschen Besatzer haben die tschechischen Hochschulen geschlossen. Erst nach dem Krieg machen die angehenden Außenhandels-Experten ihren Abschluss.

Im Auftrag des Handels

Tatra 87 von Hanzelka und Zikmund  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Am 22. April 1947 brechen Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund auf. Anders als ihre Kommilitonen ist es aber nicht nur eine Reise in ein oder zwei Länder, sondern sie wollen durch Afrika sowie Süd-, Mittel- und Nordamerika. Und zwar per Auto, mit einem Tatra 87. Dabei geht es ihnen nicht nur um exotische Erlebnisse, sondern auch um höhere Ziele, wie Zikmund einmal erläutert hat:

„Man darf nicht vergessen, dass wir zwei Jahre nach Ende des Kriegs losgefahren sind. Damals waren alle Beziehungen zwischen den Ländern zerstört. Als junge Außenhandelsingenieure wollten wir dazu beitragen, die Kontakte wieder zu normalisieren. Im eigentlichen Sinn des Wortes haben wir Werbung gemacht für den Tatra 87 und für viele weitere Industrieerzeugnisse aus der Tschechoslowakei. Zudem hatten wir aber auch die Ambitionen zu schreiben.“

Miroslav Zikmund auf der Spitze der Cheops-Pyramide  (Foto: Jiří Hanzelka,  Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín)
Die Strecke führt zunächst von Marokko nach Osten. Dabei sorgt ihr futuristisch aussehender Wagen für Menschenaufläufe. In ihrem Buch „Mit dem Tatra durch Afrika“ haben H+Z, so ihr Kürzel, das ausführlich beschrieben:

„Gleich in Casablanca begann das Problem. Dort hatten wir unser Auto auf dem Hauptplatz geparkt, ohne die Handbremse angezogen zu haben. Als wir nach einer halben Stunde zurückkamen, fanden wir den Wagen zehn Meter weiter, umringt von einer Menschenmenge. Der Volksmund in Afrika hat unserem Tatra unzählige Namen gegeben: fliegender Wagen, U-Boot, Flugzeug ohne Flügel, Amphibienfahrzeug oder Rennauto. Ein Fährmann weigerte sich entschlossen, uns überzusetzen. Unser Fahrzeug sei schließlich ein U-Boot, erklärte er.“

In Gizeh in Ägypten bestaunen sie die Pyramiden. Das war ein besonders mitreißender Moment, wie sich Miroslav Zikmund immer wieder gerne zurückerinnert:

„Die Spitze der Cheops-Pyramide liegt 138 Meter oberhalb des Nilufers. Dort oben haben Jiří und ich sogar übernachtet. Damals war das noch möglich, heute ist das streng verboten. Wir haben unsere Schlafsäcke genommen und sind die riesigen Quader hinaufgeklettert. Es war ein unvergessliches Erlebnis, als am Morgen weit unter uns die Sonne praktisch aus dem Nil aufgegangen ist.“

Auf der Spitze der Cheops-Pyramide

In Afrika  (Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín)
Von Ägypten führt die Reise zunächst den Nil entlang, immer weiter in den Süden. Sie besteigen den Kilimandscharo, kommen an den Viktoriafällen vorbei und nehmen in Kapstadt dann das Schiff hinüber nach Argentinien. Weiter geht es durch Brasilien, Peru und ganz Mittelamerika bis zur Grenze zu den USA. Dort ist allerdings Schluss, der Kalte Krieg bremst die Abenteurer aus. Da in der Tschechoslowakei in der Zwischenzeit die Kommunisten das Ruder übernommen haben, verweigert Washington die Visa.

Die ganze Fahrt über sind die beiden Handelsexperten auch in ihrem Metier tätig. Jiří Hanzelka, der 2003 bereits gestorben ist, hat dies einmal so formuliert:

„Ich denke, wir haben ziemlich fleißig als Ökonomen gearbeitet. Unsere Reise kostete rund 20.000 Dollar, die wir selbst zusammengelegt haben. Der Kurs eines Dollars lag damals bei 50 Kronen, uns half für den Beginn ein Stipendium. Aber wir haben alles um ein Vielfaches zurückgezahlt. Denn mit unserer Reise haben wir einen Erlös von 3,2 Millionen Dollar für die Tschechoslowakei erwirtschaftet.“

Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín
An ihren Stationen präsentieren sie tschechische Industrieprodukte, das mündet in Lieferaufträge.

Ihren Ruhm begründen die beiden Weltreisenden jedoch mit ihren Reportagen aus den fernen Ländern. Diese treffen bei ihrem kriegsmüden Publikum auf die Sehnsucht nach der weiten Welt. Die Berichte laufen im Radio und im Kino. Am Ende fassen H+Z ihre erste Reise zusammen:

„Dreieinhalb Jahre oder 1290 Tage haben sich auf 48 Länder verteilt. In dieser Zeit haben wir 111.000 Kilometer mit dem Auto, dem Schiff und dem Flugzeug zurückgelegt. Der höchste Punkt, den wir erreicht haben, war der Gipfel des Kilimandscharo in Afrika – fast 6000 Meter über dem Meeresspiegel. Und man darf auch nicht vergessen, dass es unser Tatra in Peru auf 4800 Meter über dem Meer geschafft hat.“

Zudem fotografieren und filmen die beiden um die Wette. Über 10.000 Aufnahmen kommen zusammen, mehr als 5000 Meter Film und insgesamt 700 Radioreportagen.

Abfahrt nach Asien  (Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín)
Zurück in der Heimat werden die Weltreisenden auch von der politischen Elite hofiert. Sechs Bücher schreiben sie über ihre Erlebnisse. Und sie planen ihre zweite große Reise, nach Asien und Ozeanien. Zu dieser brechen sie am 22. April 1959 auf. Fünfeinhalb Jahre sind sie diesmal unterwegs. Doch sie müssen das Auto wechseln, sie fahren nämlich von da an mit einem leichten Lkw vom Typ Tatra 805 durch die Welt. Das erweist sich aber als Problem, wie Miroslav Zikmund vor einigen Jahren angemerkt hat:

„Der Tatra 87 war noch ein vorsozialistisches Produkt gewesen, das heißt er hatte Qualität. Der Tatra 805 war hingegen unglaublich pannenanfällig.“

Die Fahrt geht über den Balkan nach Istanbul und dann durch den Nahen Osten. Als Profis wollen die Globetrotter noch während der Reise einige Filme herausbringen. Deswegen fliegt immer einer von ihnen zurück nach Prag und schneidet das Material. Einmal müssen sie in Pakistan losen, und es trifft Jiří Hanzelka. Deswegen fährt Miroslav Zikmund alleine durch Indien und Nepal.

Treffen mit Edmund Hillary

Jiří Hanzelka und Miroslav Zikmund  (Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín)
In Kathmandu kommt es zu einer denkwürdigen Begegnung mit Edmund Hillary, dem Erstbesteiger des Mount Everest. Das Treffen vermittelt der Miteigner eines Hotels dort. In einem Zeitungsinterview hat Zikmund dies so geschildert, Zitat:

„Zunächst gab es beim Abendessen Wildschwein. Dann wurden wir in eine Halle geführt, in der zwei Männer saßen. Einer war Hillary. Er wollte damals mit einer Bergsteigergruppe auf den Makalu, doch sie hatten die Gebühren nicht gezahlt und mussten die Fahrt unterbrechen. Der zweite der Männer war ein Freund von Hillary, ein Reporter. Da sie am Abend noch nichts vorhatten, konnte ich mich mehrere Stunden lang mit Hillary unterhalten. Er machte großen Eindruck auf mich. Er hatte solch ein britisches Understatement, er war also das Gegenteil von aufgeblasen. Ich habe ihn gefragt, wann er mal nach Prag kommt. Er sagte: ‚Ich kenne Prag nur von Bildern, aber die Stadt ist schön, sicher komme ich.‘ Es hat dann 32 Jahre später geklappt.“

Die Reise geht weiter durch Südostasien bis auf die Inseln Indonesiens. Erneut bleiben Zikmund und Hanzelka einige Länder verwehrt: Für Australien, den Iran und China erhalten sie keine Visa. Doch nach Japan kommen sie, und von dort fahren sie durch die gesamte Sowjetunion zurück in die Tschechoslowakei.

Zikmund mit Hanzelka im sowjetischen Hafen Nachodka  (Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín)
Diesmal verfassen Zikmund und Hanzelka aber nicht nur mehrere Hundert Reportagen und Filme. Sie müssen auch ausführliche Berichte für einen ausgewählten Zirkel der kommunistischen Führung anfertigen. Der vierte und letzte dieser „Sonderberichte“ soll die Eindrücke aus der Sowjetunion behandeln, er erscheint erst nach der Rückkehr.

„Das war im Grunde eine Analyse des stalinistischen Systems. Dieses hatte unserer Meinung nach überhaupt nichts gemeinsam mit dem Sozialismus. Am Ende des Berichts schlugen wir Lösungen vor, indem wir die Vorteile und Nachteile der Demokratie mit der Diktatur verglichen“, so Miroslav Zikmund.

Auf der Rückreise im Jahr 1965 machen die Abenteurer unter anderem in Moskau Station. Dort erfahren sie, dass auch die Sowjets ihre Sonderberichte zu lesen bekommen. Ausgerechnet Staats- und Parteichef Leonid Breschnew spricht sie darauf an. Zikmund:

Foto: Archiv des Museums des südöstlichen Mährens in Zlín
„Wir wurden zu unserer Verwunderung zu einem Empfang eingeladen zu Ehren der sowjetischen Kosmonauten. Da hat uns plötzlich Breschnew zur Seite genommen und gefragt: ‚Wann werde ich solch einen Bericht über die Sowjetunion zu lesen bekommen.‘ Uns lief es kalt über den Rücken. Denn Staatspräsident Novotný muss die Berichte ohne unsere Zustimmung nach Moskau weitergereicht haben.“

Dazu hat Jiří Hanzelka einst ergänzt:

„Breschnew hatte für die Lektüre unserer 177 Seiten wohl keine Geduld. Also übergab er den Bericht dem Parteiapparat. Dieser urteilte knallhart, dass es sich um ein antisowjetisches und antisozialistisches Pamphlet handle. Und das hatte Folgen.“

Diese bekommen beide nach dem 21. August 1968 zu spüren, dem Einmarsch der Sowjets in der Tschechoslowakei. Zikmund und Hanzelka äußern sich kritisch über die Besetzung ihres Landes. Etwas später erhalten sie ein Publikations- und Reiseverbot, sie werden zu politischen Gegnern. Doch für ihre Landsleute sind sie weiter Kult – und das hat sich bis heute gehalten.