Tschechien in Europa

Ein Platz in der 3. Gruppe ist zu wenig! Es muss noch viel Arbeit geleistet werden! Tschechien kehrt auf seine ursprüngliche Ausgangsposition zurück! Schlagzeilen, die in den vergangenen Tagen durch die tschechische Presse gingen. Sie beschreiben alle das eine, den regelmäßigen Bewertungsbericht der Europäischen Kommission zu den Vorbereitungen der Kandidatenländer zu ihrem kommenden EU-Beitritt. Somit sind wir schon mitten im Thema unserer heutigen Sendung , meine verehrten Hörerinnen und Hörer, am Mikrofon begrüssen Sie Olaf Bart und Armin Sandmann:

Seit 1997 also, seit dem viele Länder Mittel - und Osteuropas ihre Kandidatur zur EU-Vollmitgliedschaft in Brüssel eingereicht haben, werden ihre Vorbereitungen durch die Europäische Kommission Jahr für Jahr bewertet. Dieser jährliche Bericht soll sozusagen ein Hilfsmittel sein, um den kommenden Beitrittskandidaten ihre Schwachstellen, die beim eventuellen Beitritt der Europäischen Union und ihnen selbst Probleme verursachen könnten, aufzuzeigen. Die Bewertungskriterien sind in 31 Kapitel unterteilt und man vergleicht, in wie weit das jeweilige Land die Acquis communautaire, das geltende EU-Recht, schon in seine Legislative übernommen hat. Es wird konstatiert, ob die verlangten Forderungen zu einer Vollmitgliedschaft stückweise erfüllt werden. Darunter fällt ein funktionierendes Rechtsystem, eine transparente Wirtschaftpolitik und eine dezentralisierte Öffentliche Verwaltung, um nur einige Punkte zu nennen. Mit großer Spannung wurde dann in Tschechien die Veröffentlichung des aktuellen Berichtes am 8. November diesen Jahres erwartet. Viele Erwartungen waren daran geknüpft, denn 1999 hatte man einen deutlichen Rückschlag einstecken müsse. Wie der jetzige Bericht zu bewerten ist, dazu der stellvertretende Delegationsleiter der Europäischen Kommission in Prag, Ralf Dreyer:

Als nun der Bericht veröffentlicht wurde, war in tschechischen Expertenkreisen teils Ernüchterung, teils auch Verstimmung zu verspüren. Pavel Telicka, der Chefunterhändler Tschechiens für den EU-Beitritt, hatte noch zu Beginn der vergangenen Woche voller Optimismus verlauten lassen, dass die Tschechische Republik hart an ihren Problemen gearbeitet habe, und man daher mit diesem neuesten Bewertungsbericht auf den Platz zurückkehre, wo man hingehöre. Doch man wurde, was das Wirtschaftssystem angeht, nur in die dritte Gruppe mit Slowenien eingestuft und das noch hinter die Gruppe, in der die direkten Nachbarn Polen und Ungarn zu finden sind. Zu den Gründen, warum dies so ist, dazu Ralf Dreyer:

Natürlich war man auch in den politischen Kreisen Tschechiens unzufrieden damit, was in diesem Bericht auf 122 Seiten zu lesen ist. Regierung und Opposition waren sich einer Meinung, dass dieser Bericht die harte Arbeit der Legislative, die seit dem vergangenen Jahr geleistet wurde, nicht wiederspiegele. Der tschechische Präsident Vaclav Havel hielt es für ein bedenkliches Signal, dass von der Bevölkerung falsch verstanden werden könne. Auch der mit der Materie vertraute Unterhändler Pavel Telicka konstatierte nur mit Mühe, dass der Bewertungsbericht in seiner Weise eine realistische Einschätzung sei. Diesen Vorwürfen gegenüber äußerte sich der Delegationschef der EU-Kommission in Prag, Ramiro Cibrian:

"Ich will hier noch einmal betonen, dass dieser Bericht mit der gleichen Sorgsamkeit wie die anderen Berichte in den Jahren zuvor erstellt wurde. Er bewertet die Fortschritte, welche durch die in Tschechien bereits durchgeführten legislativen Schritte erreicht wurden. Speziell haben wir uns auf die Dinge konzentriert, die im vergangenen Bericht 1999 noch Mängel aufwiesen.

Ob Hoffnungen enttäuscht wurden, dazu noch einmal Ralf Dreyer:

Lassen wir zum Abschluss noch einmal den Delegationsleiter der EU- Kommission, Ramiro Cibrian, zu Wort kommen, der die Bedeutung der Bewertungsberichte erneut klar definiert:

"Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Ministerrates der Europäischen Union in Luxemburg im Jahre 1997 dient der Bericht zur Entscheidung, mit welchen Ländern über einen eventuellen Beitritt verhandelt wird. Der Bericht zeigt die Fortschritte auf, die ein Land im vergangenen Jahr gemäß des Kopenhagener Vertrags gemacht hat und dies unter dem politischen und wirtschaftlichen Gesichtpunkt."

Autoren: Olaf Barth , Armin Sandmann
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