Nachrichten Sonntag, 14. März, 1999

Ahoj und willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, bei einer neuen halben Stunde in deutscher Sprache auf den Wellen von Radio Prag. Gute Unterhaltung und einen ungestörten Empfang bei unserem Wochenendprogramm wünscht Franz-Josef Balkhausen. Zunächst die Nachrichten:

Nato-Beitritt der Tschechischen Republik offiziell besiegelt

Unser Thema Nr. 1 ist auch heute wieder der Nato-Beitritt der tschechischen Republik, Polens und Ungarns, der am Freitag abend in Indipendence im US-Bundesstaat Missouri durch die Übergabe der Ratifizierungsurkunden offiziell besiegelt wurde. Die tschechischen Medien berichteten in aller Ausführlichkeit über dieses für die Tschechische Republik so wichtige Ereignis. Die auflagenstärkste Tageszeitung Mlada fronta Dnes widmete diesem Thema sogar die ersten 15 Seiten ihrer Samstagsausgabe. Der Nato-Beitritt der Tschechischen Republik wird von allen tschechischen Politikern und Kommentatoren begrüsst - ausgenommen allein die Repräsentanten und Sympathisanten der Kommunisten und Republikaner.

Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts STEM im Auftrag des Tschechischen Rundfunks und des Tschechischen Fernsehens betrachten 53 % der tschechischen Bürger den Nato- Beitritt als einen historischen Meilenstein in der tschechischen Geschichte. Zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass die Nato-Mitglieschaft die Sicherheit der Tschechischen Republik stärken werde. Fast die Hälfte allerdings befürchtet gleichzeitig einen verhältnismässig grossen Souveränitätsverlust des Landes.

Die Freude der Medien und Politiker über den Nato-Beitritt steht in einem gewissen Kontrast zur scheinbar fehlenden Begeistreung der Durchschnittsbürger. Gefeiert nämlich wurde der Nato-Beitritt am Freitag meist nur in jenen Städten, in deren Nähe Miltäreinheiten der tschechischen Armee stationiert sind. Zentrum der Feierlichkeiten war denn auch das nordböhmische Liberec, wo jene tschechische Brigade stationiert ist, die auf Einsätze gegen Chemiewaffen spezialisert ist und als erste tschechische Armeeeinheit überhaupt ab sofort Bestandteil der schnellen Einsatztruppen der Allianz ist. Zurückhaltender als in Liberec oder auch in Hradec Kralove war die allgemeine Anteilnahme der Bürger in der Hauptstadt Prag, wo sich im Stadtzentrum lediglich 300 Bürger - und dies zum Teil auch nur wegen des Freibiers - zusammengefunden hatten.

Abgeschlossen werden die Feierlichkeiten zum Nato-Beitritt am Sonntag abend im Spanischen Saal auf der Prager Burg mit einem Armeeball. Die Schirmherrschaft über diesen Ball, zu dem 1000 Gäste aus dem In- und Ausland geladen sind, hat Staatspräsident Vaclav Havel übernommen.

Noch am Freitag hat der deutsche Aussenminister Joschka Fischer seinem tschechischen Amstkollegen Jan Kavan zum Nato-Beitritt der Tschechischen Republik gratuliert. Nach den Worten Fischers sei dies auch ein Erfolg der engagierten demokratischen Reformpolitik der Tschechischen Republik.

CSSD - Lafontain

In einer ersten Stellungnahme eines Vertreters der tschechischen Sozialdemokratie zum Rücktritt des deutschen Finanzministers und SPD-Chefs Oskar Lafontain sagte Vize-Premier Pavel Rychetsky am Freitag, durch die nun erstarkte Position von Bundeskanzler Schröder werde die Bundesregierung als Partner der sozialdemokratischen Regierung der Tschechischen Republik künftig unvergleich stärker und glaubwürdiger sein. Für die tschechische Regierung sei der Rücktritt Lafontains also eine gute Nachricht. Rychetsky führte die Krise der deutschen Regeierung im übrigen darauf zurück, dass das Amt des SPD- und das des Regierungsvorsitzenden mit zwei verschiedenen Personen besetzt worden seien. Der Chef der Freiheitsunion, Jan Ruml, kommentierte den Rücktritt Lafontains mit den Worten, die SPD werde sich nun möglicherweise auf die liberale europäische Linke zubewegen. Er hoffe, dass sich davon auch die tschechische Sozialdemokratie inspirieren lasse.

Umweltgruppen gegen Temelin

Die Vertreter von neun Umweltgruppen aus der Tschechischen Republik, Bayern und Niederösterreich haben in einem offenen Brief an die tschechische Regierung appelliert, die Bauarbeiten an dem südböhmischen Kernkraftwerk Temelin unverzüglich einzustellen. Des weiteren plädieren die Umweltaktivisten für eine Umorientierung der tschechischen Energiepolitik auf umweltfreundliche Energiequellen. Am Freitag hatte Premierminister Milos Zeman angekündigt, dass die Regierung bis Ende des Monats in Sachen Temelin entscheiden werde. Zeman fügte hinzu, er persönlich werde sich im Kabinett für eine Fertigstellung des südböhmischen Atommeilers einsetzen.

Sie hörten die Nachrichten von Radio Prag. Es geht weiter mit unserem Wochenendprogramm.