Nachrichten Montag, 08. November, 1999

Havel kritisiert CDU wegen Benes-Dekrete

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel kritisiert für die kommende Wochenausgabe der deutschen Politikzeitschrift Der Spiegel die jüngsten Initiativen der CDU zur Aufhebung der Benes-Dekrete (ctk). Havel zufolge stellen die Benes-Dekrete einen Komplex von 150 Dekreten dar, von denen nur drei die Sudetendeutsche beträfen. Die Dekrete stellten einen Bestandteil der Geschichte des tschechischen Rechtsstaates dar und könnten nicht so einfach aufgehoben werden. Allerdings könne man sie - so Havel - als Vergangenheit bezeichnen, die heute nicht mehr von Bedeutung und nur schwer zu korrigieren sei. Beide Völker hätten einander viel Schlimmes angetan und es stelle sich die Frage, wie dies wieder gut gemacht werden könne - gibt Havel in dem Gespräch und mit Verweis auf die tschechishc-deutsche Deklaration von 1997 zu bedenken.

Europa brauche die USA, stellte Havel gegenüber LCI fest

In einem Interview für das französische Nachrichtenfernsehen LCI betonte Vaclav Havel die wichtige Rolle der USA für Europa. Europa sei nicht in der Lage - so Havel - seine eigenen Konflikte ohne die Hilfe der USA zu lösen. Die Nato als einzige wirklich funktionierende Verteidigungsorganisation wäre ohne amrikanischen Druck nicht erweitert worden. Das bedeute nicht, dass sich die Tschechische Republik als einen Beschützer amerkanischer Interessen verstehe. Die Tschechische Republik und die USA seien durch freundschaftliche und parnerschaftliche Beziehungen miteinander verbunden. Weiter stellte Havel fest, dass die Erfahrungen der postkommunistischen Länder mit dem kommunistischen Regieme bislang nur ungenügend genutzt worden seien.

Regierungschef Zeman auf Auslandsreise

Der tschechische Regierungschef Milos Zeman ist am Sonntag zu einer mehrtägigen Auslandsreise aufgebrochen. Seine erste Station ist Paris, wo er sich dem Kongress der Sozialistischen Internationale widmet. Am Montag und Dienstag wird er zu Feierlichkeiten anlässlich des Endes des Kalten Krieges vor zehn Jahren in den USA erwartet. Am Mittwoch nimmt der tschechische Premier an dem in Berlin stattfindenden Forum "Neue europäische Friedensordnung" teil, wo er auch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammentreffen soll.

Roma-Protest gegen Mauer in Usti n.L. hält an

Die Vertreter des Gremiums der regionalen Roma-Organisationen, die seit Donnerstag ununterbrochen gegen die Mauer in der nordböhmischen Stadt Usti nad Labem protestieren, äusserten sich enttäuscht von dem Desinteresse der staatlichen und städtischen Behörden für für die Roma-Problematik. Wie die Diskussion mit den Anwohner der Maticni-Strasse gezeigt haben soll, stelle nach Meinung der Roma-Aktivisten die Ausreise aus der Tschechischen Republik - am besten nach Deutschland - die einzige Lösung ihrer Probleme dar. Die Mauer wurde gegen den Protest des Tschechischen Parlaments und der Europäischen Union durch die Stadt errichtet. Kommende Woche wird EU-Kommissar Günther Verheugen zu Gesprächen mit offiziellen und Vertretern der Roma-Minderheit in Prag erwartet. Verheugen hatte in der Vergangenheit die Mauer - die Mitschuldner, in der Mehrheit Roma, von den anderen Anwohner trennt - als Menschenrechtsverletzung verurteilt.

Tschechien will Angleichung des Legislativprozesses an EU ankurbeln

Der tschechische Vizepremier Pavel Rychetsky, zuständig für die Koordinierung des Legislativprogramms der Regierung, wird dem Kabinett am Montag einen Komplex neuer methodischer Anweisungen vorlegen, die das Ziel haben, die Angleichung des tschechischen Rechtssystems an das europäische zu beschleunigen. Die bisher schleppende Angleichung stellte einen der meist kritisierten Punkte im Jahresbericht der EU-Kommission zum Vorbereitugsstand der Beitrittskandidaten dar, der erst im Oktober veröffentlicht worden war.

Harmonogramm für Atommeiler Temelin

Ausserdem wird sich das Kabinett mit dem Material von Industrie- und Handelsminister Gregr zur Fertigstellung des südböhmischen Atommeilers Temelin befassen. Diesem zufolge erfolgen die Bauarbeiten termingerecht. Der Terim für die Inbetriebnahme des ersten Abschnitts ist für Ausgust 2000 angesetzt. Der Bau wird vor allem von österreichischer Seite kritisiert, die bisher erfolglos forderte, die Temelin-Frage mit den EU-Beitrittsverhandlungen mit Tschechien zu koppeln.

Effektiver Grenzschutz

Das Kabinett wird sich am Montag mit den Möglichkeiten eines effektiveren Grenzschutzes befassen. Innenminister Vaclav Grulich legt den Bericht zum aktuellen Zustand im Grenzschutzbereich sowie über die finanziellen Forderungen für kommendes Jahr vor. Die Forderung nach einem effektiven Grenzschutz ergibt sich aus dem Schengen-Abkommen und der Notwendigkeit der Anpassung der diesbezüglichen Legislative an die der EU. Das Innenressort will ausserdem die Arbeit der Ausländerpolizei und des Grenzschutzes im Kampf gegen die illegale Migration verbessern und die Kompetenzen der Grenzpolizei für Personenkontrollen im Grenzbereich erhöhen. Bis Ende nächsten Jahres wollen Innen- und Aussenressort das Abkommen mit der Slowakei über die Aufhebung der Visapflicht unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit und des gemeinsamen Grenzvertrags analysieren. Ausserdem ist für 2000 die Verstärkung der Grenz-und Ausländerpolizei um 270 Mann ist geplant.

Tschechisch-slowakischer Handelsaustausch soll angekurbelt werden

Die für Montag einberufene Situzung des Rates der Zollunion, die in der slowakischen Hauptstadt Bratislava stattfindet, will sich vor allem des Problems des sinkenden Warenaustausches zwischen Tschechien und der Slowakei befassen und Gegenmassnahmen zu einer Belebung des bilateralen Handelverkehrs ergreifen. Ausserdem werden die Zollsätze für das kommende Jahr ausgehandelt und der neue Ratsvorsitzende gewählt.

Prag-Brüssel

Tschechische Abgeordnete wollen sich für die Bildung eines gemeinsamen Ausschuss mit Europaparlamentariern einsetzen, der wichtige Angelegenheiten wie beispielsweise Resolutionen des Europa-Parlaments bereits im Vorfeld behandelt. Dies erklärte der Chef der Ständigen Delegation des Tschechischen Parlaments beim Europa-Parlament, Jan Zahradil. Diesen Beschluss wolle man Anfang kommender Woche auf der regulären Sitzung des Auswärtigen Ausschusses in Brüssel vortragen. Zahradil bestätigte, dass man mit dieser Initiative auf zwei Resolutionen des EP im Frühjahr reagiere. In der ersten wurde die Tschechische Republik zur Aufhebung der Benes-Dekrete aufgefordert, in der zweiten der Bau des Atommeilers Temelin kritisiert. Weiter wolle man in Brüssel über das Problem der Mauer in der Maticni-Strasse in Usti n.L. informieren.

Tschechien-Südafrika-Namibia

Der tschechische Verteidigungsminister Vladimir Vetchy wird am Dienstag zu einem mehrtägigen Besuch in der Südafrikanischen Republik erwartet, dem sich ein Besuch in Namibia anschliesst. Den Minister begleitet eine Delegation von tschechischen Unternehmern, die sich mit den Perspektiven auf dem südafrikanischemn Markt - vor allem im Bereich der Metallurgie - vertraut machen wollen. Die bisherigen Beziehungen zwischen Südafrika und Tschechien waren gleich Null. Präsident Havel hat seinen seit Jahren angekündigten Besuch mehrmals aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen. Auch Aussenminister Jan Kavan konnte seinen für April geplanten Besuch nicht realisieren. Vetchy ist der erste tschechische Verteidigungschef, der beide afrikanische Republiken besucht.

4.Theaterfestival der deutschen Sprache in Prag

Am Sonntag hat der tschechische Kulturminister Pavel Dostal das 4. Theaterfestival der deutschen Sprache in Prag eröffnet, das mit einem Stück der Berliner Volksbühne "Schmutzige Hände" von Sartre in der Regie von Frank Castorf begann. Bis zum 19. November kommen 14 Stücke von Theaterbühnen aus Deutschland, Österreich und aus der Schweiz zur Aufführung. Das Festival wird gefördert von dem Tschechisch-deutschen Zukunftsfonds, der deutschen, österreichischen und schweizerischen Botschaft in Prag, dem tschechischen Kulturministerium, der Stadt Prag sowie von Sponsoren.

Das waren die Nachrichten.