Heißer tschechische Sommer: Filme, Fotografie und Theater in Berlin

ein_stueck_tschechien_plakat.jpg

Den Besuchern des Tschechischen Zentrums Berlin steht eine heiße Zeit bevor. Bis Mitte Juli steht ein Theaterstück, mehrere Dokumentarfilme, Fotokunst und natürlich Literatur auf dem Programm. Einzelheiten verrät die Programmdirektorin des Berliner Zentrums, Christina Frankenberg in unserer Sendereihe Avizo: Tschechische Kultur grenzenlos.

Frau Frankenberg, vor der Sommerpause im Tschechischen Zentrum Berlin stehen ja noch einige interessante Termine an. Am 19.06. wird das Theaterstück „Tschechien – Bekenntnis eines Masochisten“ aufgeführt…

„Das Stück ist Teil eines zweittägigen Festivals, das den Titel ‚Ein Stück: Tschechien‘ trägt. Es fanden ja bereits drei szenische Lesungen der aktuellen tschechischen Dramatik auf Deutsch bei uns im Tschechischen Zentrum statt. Zu Beginn des Festivals wird nun das Stück ‚Bekenntnisse eines Masochisten‘ von Roman Šikora aufgeführt. Das Stück ist im ‚Theater unterm Dach‘ hier in Berlin zu sehen. Das Theater Letí wird das Stück in Koproduktion mit dem Švandovo divadlo aus Prag aufführen. Dieses Bühnenspiel ist eine Groteske und erzählt von einem Masochisten, der sich erst dann richtig wohl fühlt, wenn er von seinem Arbeitgeber gequält wird. Das Spiel führt somit die Globalisierung und freie Marktwirtschaft völlig ad absurdum. Es ist ein sehr amüsantes, aber auch nachdenkliches Theaterstück, das in Tschechien sehr viel Beachtung gefunden hat. ‚Bekenntnisse eines Masochisten‘ wird auf Tschechisch gespielt, jedoch simultan ins Deutsche übersetzt. Das Festival, in dessen Rahmen auch dieses Stück aufgeführt wird, ist eine gemeinsame Produktion des Vereins ‚Drama Panorama e. V.‘ und des Tschechischen Zentrums Berlin.“

Olga Fierz und Přemysl Pitter  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Dann folgt am 23. Juni ein filmischer Leckerbissen: Liebet eure Feinde heißt der Dokumentarfilm. Worum geht es da?

„Da geht es um den tschechischen Humanisten Přemysl Pitter, dessen Wirken und Ideen im Laufe der Zeit etwas in Vergessenheit geraten sind. Přemysl Pitter hat in seinen Kinderheimen in der Zeit der deutschen Besatzung und des Zweiten Weltkrieges auch jüdischen Kindern ein Zuhause geboten und sie so vor dem Holocaust gerettet. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg holte er dann deutsche Kinder aus den neu eingerichteten Internierungslagern und brachte sie ebenfalls in seine Kinderheime. Dort lebten dann die deutschen Kinder gemeinsam mit den jüdischen. Das war zunächst nicht nur für die Kinder recht schwierig, sondern auch für die Gesellschaft nicht ganz einfach zu ertragen. Deshalb bekam Přemysl Pitter auch einige Schwierigkeiten in der Tschechoslowakei, später musste er sogar das Land auf Druck der Behörden hin verlassen. Der Dokumentarfilm, den wir am 23. Juni zeigen, ist von Regisseur Tomáš Škrdlant. Dieser erinnert an das Leben und Wirken dieses tschechischen Humanisten. Zeitgleich findet in Berlin bis zum 29. Juni in der Böhmischen Brüdergemeinde eine Ausstellung über Přemysl Pitter statt. Aufgrund dieser Ausstellung zeigen wir auch den Dokumentarfilm über ihn.“

‚The Art of Remark 2‘  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin)
Am 27. Juni zeigen Sie dann die Ausstellung eines Berliner Fotografen. Der war vorher in Prag, oder?

„Wir zeigen in der letzten Ausstellung vor der Sommerpause ‚The Art of Remark 2‘, Fotografien von Jürgen Große. Ein Teil dieser Ausstellung war im April dieses Jahres in der Galerie Trafačka in Prag zu sehen. Jürgen Große ist zusammen mit den Berliner Künstlern Matthias Wermke und Mischa Leinkauf in Prag gewesen. Dort hat Jürgen Große gearbeitet, fotografiert und ein Video gedreht. Die in Prag entstandenen Arbeiten werden Teil unserer Ausstellung sein. Am 27. Juni wird diese hier im Tschechischen Zentrum Berlin eröffnet und endet am 24. Juli.

Anfang Juli wird es dann literarisch – sie werden einen etwas in Vergessenheit geratenen Schriftsteller neu entdecken?

„Ja, am 1. Juli trifft sich wieder unsere Lesegruppe ‚Literatura‘. Wir werden vorher gemeinsam das Buch ‚Der Tierschutzverein‘ von Jiří Robert Pick lesen und am 1. Juli darüber diskutieren. Der Untertitel des Buches heißt: ‚Eine humoristische - soweit möglich - Novelle aus dem Ghetto‘. Jiří Robert Pick hat dieses Buch schon 1969 verfasst. Der Verlag Königshausen & Neumann hat diese Novelle nun nach so vielen Jahren in einer deutschen Übersetzung herausgegeben. Somit war der Verlag der literarische Entdecker. Jiří Robert Pick ist heute vermutlich auch in Tschechien nicht mehr einem breiten Publikum bekannt. Er arbeitete als Dramatiker und Prosaschriftsteller. Bekannt wurde Pick vor allem durch seine satirischen und humoristischen Texte. In den 1970er Jahren, nach der Niederschlagung des ‚Prager Frühlings‘ durfte er nicht mehr unter seinem Namen publizieren. Als Jugendlicher wurde Pick, der aus einer jüdischen Familie stammte, in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort fand er sozusagen seinen Stoff für seine Novelle, ich möchte eigentlich nicht ‚Inspiration‘ sagen.“

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin
Aber auch musikalisch findet Anfang Juli etwas statt – Pavla Jonssonová kommt nach Berlin. Was wird sie spielen und wo wird sie spielen?

„Pavla Jonssonová wird dieses Mal nicht selber spielen, sondern sie wird uns Videos zeigen. Jonssonová wird einen Vortrag halten, bei dem auch Videoclips zu sehen sein werden. Die Veranstaltung findet unter dem Titel ‚Czech Alternative Music in Transition since 1989‘ statt. Es wird eine Abendveranstaltung auf Englisch sein. Es geht um die Veränderungen in der tschechischen Musikszene nach 1989. Die tschechischen Bands bewegten sich bis zu diesem Zeitpunkt im Underground. Erst nach 1989 eröffneten sich ihnen ganz neue Möglichkeiten. Die Bands traten einen Siegeszug hin zum breiten Publikum an. Dazu wurden viele neue Labels gegründet und es entstanden neue Tonstudios, neue Clubs, neue Radiosender. Dadurch wurden die Bands auf einmal auch international bekannt. Auf der anderen Seite verloren sie das Attribut der Helden, die im Untergrund spielten. In ihrem Vortrag wird Pavla Jonssonová an diese Zeit erinnern und dieses Phänomen beleuchten. Sie selber ist in der Tat Musikerin und spielte unter anderem damals in der Band ‚ Zuby nehty‘. Heute lehrt Pavla Jonssonová als Kulturwissenschaftlerin an der Karls-Universität in Prag.“

‚Obnažený národ / Czech Journal: Naked Nation‘  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Das Programm endet dann im Juli wieder mit einem Film. Was können die Besucher am 14. Juli sehen?

„Wir möchten in unserer Dokumentarfilmreihe Ferienstimmung verbreiten und zeigen den neuen Film von Filip Remunda: ‚Obnažený národ / Czech Journal: Naked Nation‘. In diesem sehr unterhaltsamen Dokumentarfilm geht Remunda dem Phänomen tschechischer Urlauber in Kroatien nach. Denn jedes Jahr gibt es ganze Karawanen, die sich in Richtung Kroatien auf den Weg machen. Dabei werden Tschechen in Kroatien teilweise sogar etwas ‚verlacht‘. Filip Remunda möchte in seinem Film herausfinden, warum das so ist. Dieser Dokumentarfilm ist Teil des Projektes ‚Český Žurnál‘ des tschechischen Fernsehen. Dieses zeigt jährlich Filme zu aktuellen Themen, die die tschechische Gesellschaft interessieren. Am 14. Juli endet dann zunächst unser Sommerprogramm. Ab dem 20. August eröffnen wir eine neue Ausstellung. Es wird der dritte Teil, der bereits erwähnten Ausstellungen zu Streetart, sein. Nach den beiden Berliner Teilen zeigen wir dann Streetart aus Prag, unter dem Titel ‚ The Art of Remark 3‘.“