Erlesenes Tschechien und Kino-Feinkost

Alena Mornštajnová (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Nicht immer muss es jetzt schon weihnachtlich sein. Im Tschechischen Zentrum in Berlin jedenfalls gibt es in den kommenden Wochen eine ganze Menge anderes zu erleben – von Literatur über Architektur bis zu elektronischer Musik. Dazu ein Gespräch mit der stellvertretenden Leiterin des Zentrums, Christina Frankenberg.

Alena Mornštajnová  (Foto: Jakub Hritz,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Frau Frankenberg, wir beginnen mit Montag, 26. November. Da kommt die Autorin Alena Mornštajnová zu Ihnen ins Tschechische Zentrum. Ihr Roman „Hana“ ist dieses Jahr mit dem tschechischen Buchpreis ausgezeichnet worden. Worum geht es in dem Buch, und wer ist die Autorin?

„Alena Mornštajnová ist inzwischen eine schon bekannte tschechische Autorin. Auch in ihrem dritten Roman erzählt sie eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg. ‚Hana‘ ist noch nicht ins Deutsche übersetzt. Wir wollen das Buch aber in Berlin vorstellen, weil es eine deutsch-tschechisch-jüdische Familiengeschichte – diesmal aus Mähren – erzählt und wir mit dieser Veranstaltung eine kleine Reihe beginnen, die bis ins Frühjahr kommenden Jahres läuft. Bei der Reihe wird aktuelle tschechische Literatur vorgestellt, in der sich Autorinnen deutsch-tschechischer und manchmal auch deutsch-tschechisch-jüdischer Familiengeschichten annehmen. Diese Geschichten reichen bis in die Vorkriegszeit zurück, sind aber auch für die heutige Zeit noch relevant. Das ist so ein gewisser Trend, den man in der tschechischen Literatur beobachten kann. Und dieser Trend ist dabei genreunabhängig. Die Autorinnen finden manchmal erstaunliche Wege, um die alten Geschichten widerzuspiegeln.“

Foto: Verlag Host
Und im Roman „Hana“, worum geht es da konkret?

„Die Geschichte setzt im Winter 1954 ein. Die kleine Mira, eine der Protagonistinnen, hört einmal nicht auf ihre Mutter und entgeht deswegen der Katastrophe, die ansonsten die ganze Familie ereilt. Was das genau ist, will ich hier aber nicht weiter verraten. In jedem Fall ist das der Grund, warum sie später bei ihrer Tante Hana leben muss. Diese erscheint Mira anfänglich sehr unheimlich, und im weiteren Verlauf des Romans erfahren wir auch, was der Grund ist für das ungewöhnliche und abweisende Benehmen der Tante.“

Ende dieses Monats eröffnen Sie eine Designausstellung. Dabei wird eine Linie gezogen von den Zeiten des Kubismus bis heute. Was ist da so alles zu sehen?

„Dieses Ausstellungsprojekt haben wir zusammen mit den beiden Berliner Galeristen Bettina Güldner und Wolfgang Binder geplant. Sie sehen eine direkte Entwicklungslinie im tschechischen Design, das auf den Kubismus zurückgeht. Und sie sammeln schon seit vielen Jahren Alltags- und Gebrauchsgegenstände verschiedenster Art, die sie dann in der Ausstellung vorstellen werden. Die Schau wird am 29. November bei uns in der Galerie eröffnet. Zu sehen sind unterschiedliche Leihgaben aus Tschechien und der Slowakei. Man kann dort die Raffinesse vieler Gebrauchsgegenstände und der graphischen Gestaltung bewundern.“

Sie haben zur Ausstellung aber auch noch einen Pop-Up-Shop…

„Der ist von der Firma Modernista. Sie bietet auch in Prager Museen zum Beispiel Gegenstände zum Verkauf an. So etwa kubistische Keramik von Pavel Janák und weiteren Autoren, diese wird dann auch bei uns während der Ausstellung verkauft.“

Am 4. Dezember gibt es dann bei Ihnen Kino-Feinkost bzw. Fajnkošt. Was ist damit gemeint?

„Fajnkošt 2018 ist eine neue Ausgabe der deutsch-tschechischen Kurzfilmtournee, und zwar wieder im Kinosaal der tschechischen Botschaft in Berlin. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der Botschaft und dem Czech Film Center. Dabei zeigen wir die besten, schönsten und interessantesten neuen Kurzfilme aus Tschechien und Deutschland. Das Programm hat ungefähr die Länge von einem abendfüllenden Spielfilm. In den Kurzfilmen geht es unter anderem um Lebensgeschichten, um die Absurditäten des heutigen Mamaseins oder um die glorreichen Jahre des tschechischen Eishockeys. Von der Form her sind es kurze Dokumentarfilme, Spielfilme, Animationsfilme und animierte Dokumentarfilme. In den vergangenen Jahren hatten wir dieses Programm auch schon bei uns zu Gast, und es war jedes Mal ein sehr unterhaltsamer Ausklang unseres Filmprogramms im Dezember. Auch in diesem Jahr verspreche ich mir das davon.“

„Wir zeigen die besten, schönsten und interessantesten neuen Kurzfilme aus Tschechien und Deutschland.“

Am Tag darauf kann man die moderne Architektur der Stadt Hradec Králové kennenlernen. Und zwar bei einem Vortrag. Wer wird nach Berlin kommen?

„Wir werden Ladislav Zikmund-Lender zu Gast haben. Er ist Kunsthistoriker und lehrt an den Universitäten in České Budějovice und Hradec Králové. Er hat sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit sehr mit der Geschichte von Hradec Králové beschäftigt. Die Stadt in Ostböhmen ist nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 zu einem sogenannten Salon der Republik geworden. Denn damals sind führende, progressive Architekten nach Hradec Králové geholt worden, die dort ihre Spuren in Form von herausragender und ungewöhnlicher Architektur hinterlassen haben. So hat dort unter anderem Josef Gočár gewirkt. Damals wurde um den alten Kern eine Neustadt angelegt, die auch urbanistisch sehr interessant ist. Ich finde, die Stadt ist bis heute sehr sehenswert, weil es gelungen ist, die traditionelle Architektur mit der modernen zu verbinden. Auch wurden schon damals große Grünflächen geplant und angelegt. Den Vortrag wird Ladislav Zikmund-Lender übrigens auf Englisch halten. Die Veranstaltung gehört zu unserer Reihe ‚Architekturinterventionen 1918-2018‘, mit der wir in diesem Jahr auch an 100 Jahre seit der Gründung der früheren Tschechoslowakei erinnert haben.“

Ventolin  (Foto: YouTube Kanal von Ventolin)
Ebenfalls Wissenschaftler ist auch David Doubek. Und zwar tagsüber. Abends nennt er sich aber Ventolin und macht Musik. Welche Musik ist es, die er am 7. Dezember ins Tschechische Zentrum mitbringt?

„Ventolin ist der Name eines Electro-Projekts von David Doubek. Nebenbei heißt auch ein Asthma-Mittel in Tschechien so. Doubek nutzt dabei elektronische Musik als Ausgangspunkt, baut aber auch Live-Gitarre und Live-Drums ein. Er will anarchischer und lebendiger klingen, als dies bei Electro normalerweise der Fall ist. Zudem verfasst er dazu Texte. So hat er auf seinem letzten Album ‚Vitajte‘, das wir auch vorstellen werden, in den Texten auf den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext reagiert, wie er auf seiner Homepage schreibt. Und seine persönlichen Auftritte sind in der Regel Performances, die alle Sinne ansprechen. Das ist wirklich mehr als ein reines Konzert.“

„Ventolin klingt anarchischer und lebendiger, als dies bei Electro normalerweise der Fall ist.“

Wir haben mit Literatur begonnen, und sie wird auch die Programmübersicht beschließen. Am 12. Dezember kann man dem Dichter Petr Borkovec zuhören. Was ist zu ihm und seiner Veranstaltung zu sagen?

„Die Lesung von Petr Borkovec ist Teil unserer neuen Reihe ‚Tschechien erlesen‘. Dabei stellen wir aktuelle tschechische Literatur in neuen Übersetzungen vor. Borkovec´ Prosaband ‚Lido di Dante‘ erscheint in diesen Tagen bei der Edition Korrespondenzen in Österreich. Es handelt sich um kurze Erzählungen, in denen er zahlreiche Urlaube in dem gleichnamigen kleinen Ort an der italienischen Adriaküste beschreibt. Seine Erlebnisse schildert er dabei mit wachem Blick und schwarzem Humor. Eigentlich ist Petr Borkovec ja als Dichter bekannt. Er hat hier in Deutschland auch eine gewisse Fangemeinde gewonnen. Lidi di Dante ist aber nicht sein Prosadebüt, vor einigen Jahren hat er schon ein Berliner Tagebuch in deutscher Sprache veröffentlicht. Das haben wir damals auch vorgestellt. Insofern freue ich mich sehr, dass wir ihn ach einiger Zeit wieder in Berlin bei uns begrüßen können.“

Autor: Till Janzer
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