Graf Harrach, Chauffeur Loyka und ein blutbeflecktes Taschentuch von Sarajevo

Foto: Martina Schneibergová

Bald vergehen 100 Jahre seit dem Attentat in Sarajevo, bei dem Thronfolger Franz Ferdinand von Österreich und seine Frau Sophie ermordet wurden. An mehreren Orten Tschechiens wird der schicksalhaften Ereignisse gedacht, die zum Auslöser für den Ersten Weltkrieg wurden. Auch im Prager Instituto Cervantes ist eine Ausstellung zu sehen.

Foto: Martina Schneibergová
Rund 70 Fotografien, Dokumente und Gemälde zeigt die neue Ausstellung im Prager Instituto Cervantes. Sie stammen aus dem Archiv des Museums in Velké Meziříčí / Groß Meseritsch und aus den Privatsammlungen der Familie Podstatzky-Lichtenstein. Irena Tronečková leitet das Museum in Velké Meziříčí. Sie hat die Ausstellung zusammengestellt:

„Das Hauptexponat ist ein Taschentuch, das vom Blut des Thronfolgers Franz Ferdinand von Österreich befleckt ist. Das Taschentuch brachte Graf Franz von Harrach 1914 aus Sarajevo nach Velké Meziříčí. Der Graf hatte den Thronfolger auf seiner Reise zu Militärmanövern nach Bosnien begleitet und dabei sein Auto für die Fahrt durch Sarajevo zur Verfügung gestellt. Ab 1914 wurde das blutbefleckte Taschentuch in der Schlosskapelle von Velké Meziříčí aufbewahrt. Mittlerweile ist es in der ersten Etage des Schlosses ausgestellt.“

Im Prager Instituto Cervantes sei jedoch nur eine Replik des Taschentuchs zu sehen, erzählt die Museumsleiterin.

Foto: Martina Schneibergová
„Wir haben mit den Schlossbesitzern, der Familie Podstatzky-Lichtenstein, vereinbart, dass das Originalexponat Velké Meziříčí nicht verlassen wird. Denn wir wollen diejenigen, die sich für die Ereignisse von 1914 interessieren, zu uns ins Schloss einladen. Dort befindet sich auch das Museum.“

Die Ausstellung in Prag wurde indes nach dem Hauptexponat benannt. Sie heißt „Kapka, která převrhla pohár“, auf Deutsch in etwa „Der Tropfen, der den Pokal umgestoßen hat“.

Der heutige Besitzer des Schlosses in Velké Meziříčí, Jan Podstatzký-Lichtenstein, ist Enkelsohn von Graf Harrach, der den Thronfolger auf seiner schicksalhaften Reise nach Sarajevo begleitet hatte. Die Ausstellung dokumentiert vor allem aber Ereignisse, die sich noch vor 1914 abgespielt haben. Die Museumsleiterin:

„Graf Harrach, sein späterer Chauffeur Loyka und Thronfolger Franz Ferdinand begegneten einander eben in Velké Meziříčí. 1909 fanden dort k. u. k. Militärmanöver statt. Leopold Loyka nahm daran als Soldat des 6. Dragonerregiments teil. Eines Nachts gingen rund 150 Pferde durch und rannten Richtung Marktplatz. Loyka versuchte mit seinen Kollegen, die Pferde aufzuhalten. Dies gelang beinahe, aber einige der Soldaten erlitten dabei Verletzungen. Loyka selbst wurde auch am Kopf verletzt. Es dauerte danach lange, bis er sich wieder erholte. Graf Harrach hielt es für seine Pflicht, für den mutigen Soldaten zu sorgen. Loyka wurde direkt in Velké Meziříčí behandelt. Graf Harrach schickte ihn zu einer speziellen Untersuchung nach Brünn. Nach der Genesung musste Loyka den Militärdienst aufgeben. Graf Harrach stellte ihn darum als Chauffeur ein.“

Graf Harrach nahm seinen Chauffeur auch mit nach Sarajevo. Nach dem Attentat war Loyka angeblich mit Graf Harrach noch eine bestimmte Zeit lang in Kontakt, die Beziehungen brachen dann aber ab. Schuld daran soll Loyka gewesen sein, er hatte angeblich Probleme mit dem Alkohol.

Die Ausstellung im Prager Instituto Cervantes ist noch bis Ende Juni zu sehen. Danach wird sie in Velké Meziříčí gezeigt. Im dortigen Schloss ist jetzt schon eine weitere Exposition zu den Ereignissen von Sarajevo installiert.