Im August 1968 hatten die Sowjets mit ihren Panzern die Reformbewegung des Prager Frühlings niedergewalzt. Die Sowjettruppen blieben danach in der Tschechoslowakei - übergangsweise, wie es hieß, als so genannte „Bruderhilfe“. Fast 23 Jahre lang „half“ dann der große Bruder Sowjetunion, ganz zum Unwillen all der kleinen Brüder in der Tschechoslowakei. Erst mit dem politischen Umbruch durch die Samtene Revolution wurde auch der Abzug der Sowjetarmee möglich.
Die Konfrontation: Kriegel und Husák 1968“
Der Prager Frühling wurde im August 1968 politisch durch das sogenannte Moskauer Protokoll beendet. Die Reformer um Alexander Dubček und Ludvík Svoboda kehrten nach den Verhandlungen in die Tschechoslowakei zurück. Gustáv Husák wurde jedoch zum Nutznießer der Lage. Ganz auf der anderen Seite stand František Kriegel, der sich als einziger weigerte, das Moskauer Protokoll zu unterschreiben. Im Folgenden mehr zu den beiden Protagonisten. Mehr...
„Wir haben immer weiter Visa ausgestellt“
Die Republik Österreich stellte nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 Visa an mehrere Tausend tschechoslowakische Bürger aus. Der spätere Botschafter Karl Peterlik war schon damals Diplomat an der Wiener Gesandtschaft an der Moldau und erinnert sich lebhaft an die Ereignisse. Mehr...
Fluchtversuche und Leben am Stacheldraht“
Im österreichischen Waldviertel erlebte man den Prager Frühling und seine spätere Niederschlagung hautnah. Erst freute man sich über die neue Offenheit bei den tschechoslowakischen Nachbarn, doch dann war man wieder zurück im Kalten Krieg. Ein Besuch in Gmünd und Schrems. Mehr...
Moskauer Protokoll: Kapitulation der Reformer“
Durch den Einmarsch in der Tschechoslowakei wurde vor 50 Jahren der Prager Frühling gewaltsam beendet. Doch wie sah die Zukunft aus? Darüber entschied das sogenannte Moskauer Protokoll. Ein Blick zurück ins Jahr 1968. Mehr...
„Hier ist das freie Radio Prag“
Bei der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 war Radio Prag eine der wichtigsten Informationsquellen für das Ausland. Wir blicken mit Originalaufnahmen zurück. Mehr...
Das Prager Stadtmuseum beschreibt eine Woche in der Hauptstadt nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt-Truppen. Mehr...
Prag streitet um Denkmal des Sowjet-Marschalls
Iwan Stepanowitsch Konew wurde Jahrzehnte lang als Befreier Prags gefeiert, nach 1989 seine Rolle jedoch immer mehr in Frage gestellt. Mehr...
Wir bedanken uns für Ihre Zuschriften zum August 1968 und bringen ein Interview mit einem unserer Hörer. Mehr...
Sohn russischer Dissidentin über August 1968
Gegen Okkupation der Tschechoslowakei haben im damaligen Ostblock mutige Persönlichkeiten protestiert. Mehr...
Fotograf: 1968 handelten Tschechen als ein Volk
Drei neue Ausstellungen in der Nationalgalerie in Prag reagieren auf die diesjährigen Achter-Jubiläen der tschechischen Geschichte. Mehr...
Einmarsch 1968: Wie der Rundfunk weitersendete
Richard Seemann leitete vor 50 Jahren in stellvertretender Funktion die Auslandssendungen des Tschechoslowakischen Rundfunks. Am 21. August 1968 erlebte er hautnah, wie das Rundfunkgebäude im Prager Stadtteil Vinohrady besetzt und die Reformbewegung „Prager Frühling“ niedergeschlagen wurde. Von dem Chaos und den Kämpfen dort gingen die Bilder damals um die Welt. Für Radio Prag schildert der heute 84-Jährige die Zustände beim Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen. Mehr...
Einmarsch 1968: „Wir waren traurig und empört“
Die Reformbewegung „Prager Frühling“ öffnete 1968 für die Tschechen und Slowaken auch die Welt. Nach Jahrzehnten der Isolation war es wieder möglich, nach Westeuropa zu reisen. Diese Gelegenheit haben viele junge Menschen damals genutzt. František Schneiberg ist Kinderarzt. Als frischgebackener Abiturient fuhr er im Sommer 1968 zu einem Austausch nach Deutschland. Meine Kollegin hat ihren Bruder zu seinen Erinnerungen an den August 1968 befragt. Mehr...
Panzer am Funkhaus, sowjetischer Beschuss und geheime Sendungen – Richard Seemann leitete 1968 in stellvertretender Position die Auslandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Im Interview erzählt über die schicksalshaften Tage ab dem 21. August.
Schmuggel im Cabrio: Plakate aus Prag 1968
Eine Sammlung von historischen Plakaten weckt heute Erinnerungen an ihre Reise nach Prag im August 1968: Robert F. Marten und Eberhard Haas waren damals Medizin-Studenten in Heidelberg. Die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Warschauer-Pakt-Truppen am 21. August löste bei ihnen ein Solidaritätsgefühl aus. Mehr hören Sie im folgenden Gespräch mit Robert Marten. Mehr...
Prager Frühling und sein Ende 1968: Erinnerungen eines DDR-Bürgers
Vor nunmehr 50 Jahren herrschte in der damaligen Tschechoslowakei eine echte Aufbruchsstimmung, denn die kommunistische Führung des Landes hatte entschieden: Wir wollen einen anderen, liberaleren Sozialismus, einen mit menschlichem Antlitz. Dies nährte die Hoffnung in den benachbarten Ostblockstaaten auf Veränderung, doch die politischen Machthaber in Moskau ließen den sogenannten Prager Frühling niederschlagen. Zeitzeugen erinnern sich. Den Anfang macht ein ehemaliger DDR-Bürger, der mittlerweile 76-jährige Berliner Hermann Bubke. Mehr...
Blutige Flagge und Besatzer in Panzern
Es sind bisher unveröffentlichte und teils einzigartige Fotos von den Tagen um den 21. August 1968 in Prag. Sie zeigen den Ausnahmezustand auf den Straßen der Stadt, aber auch das Entsetzen, die Entschlossenheit und den Mut der Menschen angesichts des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei. Zu sehen sind die 50 Jahre alten Aufnahmen derzeit im Altstädter Rathaus von Prag. Mehr...
In Ungarn überrascht
Die DDR-Bürger Barbara und Peter Ruck kamen beim Balaton-Urlaub in den Strudel der Ereignisse von 1968.
Am Samstag 17. August 1968 traten wir unsere Urlaubsreise damals vom thüringischen Meiningen aus mit dem Roller „Berlin“ in Richtung Balaton an. Unsere erste Rast war bei unseren Freunden in Kamenice nad Lipou. Hier verlebten wir ein paar wunderschöne Tage mit der Familie Hanuš und erfreuten uns am überall spürbaren Gefühl der Freiheit, die Herr Dubček mit dem „Prager Frühling” ausgelöst hatte. Am Montag, den 19. August, fuhren wir weiter bis Mikulov in Mähren und blieben dort eine Nacht. Auch da war die Aufbruch–Stimmung zu spüren. Am Vormittag des 20. August fuhren wir über die slowakisch-ungarische Grenze.
Kurz vor Györ wurde die Straße von einem sowjetischen Regulierungsposten gesperrt und endlose Panzerkolonnen kamen von links nach rechts über die Straße – also von Ost nach West. Nach ca. 45 Minuten wurde die Straße kurzzeitig freigegeben. Danach rollten die Panzer wieder. Auf den Panzern gab es keinerlei Nationalitätskennzeichen nur kreuzweise breite weiße Streifen. Vom Typ her waren das aber klar Russenpanzer und auch die Regulierung war russisch. Es war erschreckend, denn Manöver werden nur auf abgeernteten Gebieten vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir überhaupt nichts.
Unsere Wirtin in Siofok stellte am 21. August Früh die österreichischen Nachrichten im Radio ein und da wussten wir was los war. Wir gingen gleich auf die Straße und da spielten sich erschütternde Szenen ab. Tschechen und Slowaken versammelten sich weinend vor Bussen und andere Urlauber standen dabei und trösteten so gut es ging – auch wir. Wir haben uns gleich gedacht, der Russe hat den „Frühling” kaputt gemacht.
Nach ein paar unruhigen Tagen und einen vergeblichen Versuch nach Österreich zu kommen mussten wir mit unserem Roller über Ostungarn, die ukrainische Grenze, durch die Waldkarpaten nach Lemberg und weiter über ganz Südpolen bis nach Meiningen, das liegt ja ganz im Westen von Thüringen. Das waren circa 5000 km. Das war aber nichts gegen die Vorkommnisse in unserem Freundesland. Wir haben immer alles im Westradio verfolgt soweit möglich auch im Westfernsehen. Das war ein Erlebnis, das uns ewig in Erinnerung bleiben wird und eines der vielen Untaten des Kommunismus. Gott sei Dank hat sich das nun endlich zum Guten gewendet.
Ja, 1968 war ein Schicksalsjahr
Der DDR-Bürger Olaf Tischler lebte 1968 nahe Dresden.
Ich war damals 14 Jahre alt und wohnte in einer Kleinstadt etwa 40 Km nördlich von Dresden, unmittelbar an der Autobahn nach Berlin. Wir lagen damit gerade noch in terrestrischer Reichweite der Westberliner Fernseh- und Rundfunksender. Dort erfuhr ich zusammen mit meinen Eltern – meine Mutter stammte aus Aussig (Ústí nad Labem, Anm. d. Red.) – die Nachricht über den Einmarsch der Russen in die ČSSR. Ich hatte bis dahin begeistert und voller Hoffnung die Entwicklung des „Prager Frühlings“ verfolgt und diese bei gegenseitigen Besuchen mit unseren Bekannten aus Ústí nad Labem geteilt.
Am Abend davor hörten wir lautes Dröhnen von der Autobahn und ich fuhr daraufhin im Dunklen mit dem Fahrrad auf die nahe Autobahnüberführung. Dort stand ich mit einer Hand voll Leute und sah auf die gesperrte Fahrbahn hinab, auf der in schwachem Scheinwerferlicht und in Betonstaub gehüllt einen endlose Kolonne russischer Panzer in Richtung Dresden fuhr. Ich stand dort sehr lange und blickte auf die nicht endend wollende Lichterschlange, die gespenstisch aus der Staubwolke auftauchte und schnell darin wieder verschwand.
Ich erinnere mich sehr genau, wie ich als „letzter“ stiller Beobachter am Straßenrand noch nach einem Stein suchte, den ich dann von der Brücke aus auf einen Panzer warf, bevor auch ich in einem Gefühl aus Wut und Ohnmacht, aber auch ängstlich nach Hause fuhr. Am nächsten Vormittag war es stiller geworden als ich – inzwischen im Fernsehen die Nachrichten vom „Einmarsch“ verfolgt – noch mal hoch zur Autobahnbrücke radelte. Nun im hellen Tageslicht war die westliche Spur immer noch gesperrt. Jetzt fuhr hier eine endlose Kolonne mit Militär-LKW.
Besonders in Erinnerung sind mir die Bilder von Möbeln und Frauen auf den offenen Ladeflächen geblieben, die vom Betonstaub wie mit Reif weiß überzogen waren. Der von den nächtlichen Panzern stammend Fahrbahnabrieb bedeckte nicht nur die Fahrzeuge und die Fahrbahn, sondern auch meterweit das angrenzende Weideland.
Die in den darauf folgenden Tagen im Westfernsehen gezeigten Bilder waren für ich mich sehr beeindruckend. Besonders haben sich Filmstreifen eingeprägt, auf denen der verzweifelte Widerstand der Tschechen gegen die Panzer gezeigt wurde. Die auf russische Panzer gemalten Protestlosungen und historische Vergleiche wie „Hakenkreuz 1938 - 1968 Sowjetstern“ oder „1938 Hitler – 1968 Breschnew“ haben mir die tiefe Verzweiflung der Menschen deutlich gemacht und schockiert.
Diese Aufnahmen sind heute wohl aus Gründen der „political correctness“ in den Filmarchiven verschwunden, zumindest im Netz nicht mehr zu finden. Oder sollte mich mein Gedächtnis hier tatsächlich im Stich lassen? Die Auswirkungen haben das Leben von Millionen Menschen im Osten für Jahrzehnte geprägt und viel Hoffnung zerstört. Leider habe ich heute wieder oft das Gefühl, dass die mit der Wende gewonnene Freiheit nicht genügend gewürdigt und teilweise durch egoistisch-nationale Politik aufs Spiel gesetzt wird.
Ein Drama über Mittelwelle
Der Ostberliner Joachim Dresdner verfolgte die Ereignisse von 1968 über den Rundfunk.
Ich stamme ursprünglich aus Ostberlin und hatte gute Bekannte in Prag. Die Familie wohnte in den Weinbergen, Vinohradská 48, unweit von „Radio Prag“. 1967 besuchte ich die Familie zum ersten Mal. Wir waren ein paar Tage auf deren Grundstück in Maxicky, in der böhmischen Schweiz, dann in Prag. Als ich 1968 wieder in Prag war, erlebte und spürte ich diese Aufbruchsstimmung. Meine Bekannten erklärten mir, dass in den Zeitungen mit Namen und Meinungen diskutiert werde, ich sah im Kino „Winnetou“ auf Deutsch. In den Klubs war viel los.
Als ich am 21.08.1968 frühmorgens in die Ausbildungsstätte fuhr, ahnte ich noch nichts. Wir künftigen Studiotechniker beherrschten die Empfangsanlagen und hörten die Meldungen aus der DDR, vom RIAS und von Radio Prag. Zu Hause setzte ich das Hören von Radio Prag fort. Ab 19.00 Uhr meldete sich der Sender „České Budějovice“ für „Radio Prag“. Eine Stunde später setzte sich ein Störsender auf diese Frequenz (MW 1286 kHz) mit Meldungen der sowjetischen Agentur TASS. Kurz darauf schlug der ursprüngliche Sender wieder durch. Vieles von den Kämpfen der Techniker und Journalisten auf Sendung zu bleiben, habe ich in Form von Empfangsberichten dokumentiert.
Ein prägendes Ereignis
Der Kölner Hans Jürgen Fink erlebte den Prager Frühling als Austauschstudent.
Ich bin im Februar 1967 als frisch gebackener Diplom-Kaufmann der Universität Köln nach Prag gefahren. Dort konnte ich dank eines Stipendiums an der Ökonomischen Hochschule über die Wirtschaftsreformen Ota Šiks arbeiten.
Gewohnt habe ich im Studentenheim in der Koněvová ul. 198. Ich war da sicher der Erste und Einzige aus Westdeutschland. Ich lebte dort die ganzen Monate bis zum August 1968. Natürlich wurde ich in dieser Zeit total politisiert. Den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes selbst habe ich kurioserweise nicht miterlebt.
Zwei Tage vorher bin ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau Richtung Mamaia am Schwarzen Meer aufgebrochen, um dort mit unseren bereits voraus gefahrenen tschechischen Freunden Urlaub zu machen. Der wurde dann zur Tragödie. Im September war ich dann noch einmal kurz zum Abschied in Prag. Sicher ist, dass diese Periode des „Prager Frühlings“ mein ganzes Leben, auch mein berufliches, geprägt und nicht mehr losgelassen hat.
Befürchtungen in Österreich
Der Westdeutsche Dieter Feltes erfuhr im Urlaub in der Steiermark von den Ereignissen in der Tschechoslowakei.
Meine Erinnerungen an den August 1968 möchte ich Ihnen bekannt geben. Zu diesen Zeitpunkt war ich erst 21 Jahre alt und bei der deutschen Bundeswehr. Meine Urlaube verbrachte ich wie in den Jahren davor bei meiner Cousine in der Steiermark, Österreich. Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Onkel eine kleine Bäckerei in der Brot Brötchen und andere Backsache hergestellt wurden.
Mein Onkel hatte seinen Radio am Laufen, als plötzlich das Programm unterbrochen wurde und die Mitteilung herein kam das das russische Militär in die Tschechoslowakei einmarschiert sei. Weitere Mitteilungen kamen zunächst nicht. In der Backstube waren alle entsetzt und befürchteten, dass der Russe auch nach Österreich einmarschiert. Wie sich am Tag herausstellte war dies gottseidank nicht der Fall. Aufgrund meines jungen Alters machte ich mir danach keine Gedanken mehr.
Mit militärischer Begleitung in den Nachbarort
Wolfgang Fiedler wohnt in Neugersdorf, nur fünf km von der tschechischen Stadt Rumburk entfernt.
Die Ereignisse vom August 1968 habe ich als junger Lehrling miterlebt. Die „Freundschaftsgrenze“ (zwischen DDR und ČSSR) war bereits seit 1967 vom Stacheldraht befreit. Viele Wochen vor dem Einmarsch waren in unserem Gebiet der Oberlausitz Manöver in den nahe liegenden Wäldern. In der fragwürdigen Nacht flogen viele Flugzeuge über unser Gebiet und am nächsten Tag wussten wir Dank RIAS wohin die Flugzeuge geflogen sind.
Da ich meine Lehre im Nachbarort absolvierte, bin ich täglich mit dem Bus dorthin gefahren. In den fraglichen Tagen wurden wir DDR-Bürger mit militärischer Begleitung und angeschlagener MPi dorthin begleitet. In den nächsten Tagen erhielten wir „Passierscheine“, so dass wir in den Nachbarort durften. Ich habe mich immer gefühlt, als hätten wir im Osten der DDR die „Konterrevolution“.
Ich bin jetzt froh über die Situation der grenzenlosen Freiheit und wir haben echte Freunde in Praha, Chřibská oder Rumburk.
Ein zufälliges Treffen mit Dubček
Im Jahr 1968 lebte Ulli Peters als danaks 21-Jähriger ich in der DDR (Schwerin) und verfolgte mit seiner ganzen Familie von Jung bis Alt die Ereignisse vor allem in Prag.
Das DDR-Fernsehen berichtete erst spät, dann verlogen, hasserfüllt und natürlich im Sinne der von der Sowjetunion vorgegeben Berichterstattung. Wir konnten jedoch im West-Fernsehen ungefähr den wahren Verlauf des Prager Frühlings nachvollziehen. Unsere Bewunderung galt Alexander Dubček und seinen Gefährten. Wir konnten uns von Anfang an nicht vorstellen, dass die Sowjetunion und ihre Vasallen-Staaten die ČSSR gewähren lassen würden.
Die Naivität der Führung um Dubček rührte uns, denn die Verwirklichung der Ziele des Prager Frühlings hätten ein Aus für das „sozialistische Lager“ bedeutet. Und so kam es dann auch zum Einmarsch der Staaten des Warschauer Vertrages. Freunde von mir absolvierten gerade ihren Militärdienst bei der NVA und wurden eines Morgens mit Alarm aus den Betten geholt. Sie dachten, dass es sich um einen Routine-Alarm handeln würde und streiften die Kampfanzüge verbotenerweise über die Schlafanzüge. So zogen sie dann im Schlafanzug in den Einsatz, der diesmal kein Spaß war. Wie wir heute wissen, mussten die DDR-Truppen nicht in die Tschechoslowakei einmarschieren, sondern übernahmen nur irgendwelche Absicherungsaufgaben.
Nach der blutigen Niederschlagung des Volksaufstandes war die Trauer in unserer Familie, im Freundeskreis und auch unter den Kollegen im Betrieb groß. Wie anders hätte die Weltgeschichte verlaufen sein können, wenn dieses kleine Land den friedlichen Weg zu einer sozialistischen Demokratie genommen hätte! Nicht wenige Ostdeutsche mussten für ihre Solidaritätsbezeugungen mit den Tschechen und Slowaken, für ihre freien Meinungsäußerungen und die Verurteilung des Einmarsches der sowjetischen Truppen mit harten Strafen bezahlen.
Schon im Jahre 1970 reiste ich mit Freunden nach Prag und Bratislava. Wir hatten ein wenig Angst, dass man uns wegen der beschriebenen Vorfälle Schwierigkeiten machen könnte. Nichts dergleichen passierte! Damals sprachen noch sehr viele Tschechen und Slowaken die deutsche Sprache und wir hörten immer wieder, dass kein Hass bestünde, da wir ja auch nur Opfer des Systems wären. In Bratislava wurde ich von meiner damaligen Freundin Vicky auf Alexander Dubček aufmerksam gemacht, der uns zufällig begegnete und nach meiner Erinnerung beim dortigen Forstwirtschaftsbetrieb arbeitete. Diesen Moment habe ich nicht vergessen.
Seitdem bin ich sehr oft als Tourist nach Tschechien gereist, das ich lieben gelernt habe. Auch im kommenden Januar werde ich, falls es meine Gesundheit und meine Rente zulassen, wieder Prag besuchen. Ich werde wie immer Franz Kafka und seiner Zeit, dem tschechischen Bier und dem guten Essen meine Referenz erweisen und mich an den Schönheiten der Stadt erfreuen.
Mit dem Moped in einer Panzer-Kolonne
Den Abend werde er sein ganzes Leben nicht vergessen. Es war der 20. August 1968, schreibt Thomas Walde aus Eckartsberg bei Zittau.
Seit Wochen lagerten sowjetische Armeeeinheiten – wir sagten „Russen” – im Königsholz bei Zittau. Wir durften dort nun keine Pilze mehr suchen. Ein Freund von mir glaubte, das Verbot ignorieren zu können. Das Ergebnis war, dass er die Pilze abgenommen bekam und ein paar Stunden Kartoffeln schälen musste.
An jenem Abend wollten wir bei unserem Kaplan zum Westfernsehen gehen. Das ging in Zittau nur an einigen Stellen mit großem technischem Aufwand. Plötzlich hatten wir laufend Störungen. Das Bild wurde schwarz und über den Ton quatschte eine unverständliche Stimme. Also haben wir den Fernsehabend abgebrochen und sind nach Hause gefahren. Ich mit meinem Moped SR1.
Plötzlich sah ich, dass da Panzer durch Zittau fuhren. In eine Lücke der Kolonne habe ich mich eingereiht. Bald merkte ich, die waren schneller als mein Moped. Dass mein Rücklicht nicht brannte, war mir bewusst. Bisher hatte mich das aber nicht weiter gestört. Nun hatte ich Angst um mein Leben. Werden die mich überhaupt sehen? Die nächste Kreuzung war noch ein ganzes Stück weit weg und das Monster hinter mir kam immer näher. Als die Kreuzung dann endlich da war, bin ich schräg über den Bürgersteig gefahren, egal ob die Reifen das aushalten. – Gerettet! Dann habe ich mich erst mal auf die Straße gesetzt und eine geraucht.
Am nächsten Morgen schaltete ich, wie immer, die deutschen Nachrichten der BBC ein. Vor den Frühnachrichten kam immer die Wiederholung des Kommentars vom Vorabend. Nun hörte ich gerade noch den Sprecher sagen: „als der Kommentar aufgenommen wurde, war von den Ereignissen in der Tschechoslowakei noch nichts bekannt.” Da fielen mir die Schuppen von den Augen. Sofort wusste ich, warum die Panzer in der Nacht durch Zittau gefahren waren. Hatte ich doch immer die „Prager Volkszeitung“ gekauft. Auch mal Radio Prag gehört. (War ja mit der stärkste Sender in Zittau.) Nach der Arbeit wollten wir, mein Freund und ich, mal schauen, ob wir was an der Grenze sehen könnten. Das Zittauer Gebirge war aber nicht mehr zugänglich. An allen Straßen standen Posten, welche nur noch echte Einwohner passieren ließen. Als ich es dann doch auf einem Weg geschafft hatte nach Hartau bis an die Grenze zu kommen, habe ich zwar nichts in Tschechien gesehen, aber dafür beim Umdrehen drei MP-Mündungen vor mir. Nach 2-3 Stunden durfte ich dann wieder gehen.
Das war der 21. August 68. An diesem Tage bin ich ein „politischer Mensch” geworden.
Prager Frühling und sein Ende 1968: Erinnerungen eines DDR-Bürgers
Vor nunmehr 50 Jahren herrschte in der damaligen Tschechoslowakei eine echte Aufbruchsstimmung, denn die kommunistische Führung des Landes hatte entschieden: Wir wollen einen anderen, liberaleren Sozialismus, einen mit menschlichem Antlitz. Dies nährte die Hoffnung in den benachbarten Ostblockstaaten auf Veränderung, doch die politischen Machthaber in Moskau ließen den sogenannten Prager Frühling niederschlagen. Zeitzeugen erinnern sich. Den Anfang macht ein ehemaliger DDR-Bürger, der mittlerweile 76-jährige Berliner Hermann Bubke.
Im Sommer 1968 war Hermann Bubke 26 Jahre alt, arbeitete im damaligen Schwermaschinenbaukombinat in Magdeburg, und hatte noch viele Träume. Der größte davon war, in einem Land zu leben, in dem Demokratie und Freiheit herrschen, und in dem man sich nicht so eingemauert fühlt, wie in der ehemaligen DDR. In der Tschechoslowakei schien dieser Traum in jenen Monaten wahr zu werden, denn die Menschen wagten einen Schritt in Richtung eines freieren Lebens in einem menschlicheren Sozialismus. Doch wie hat er, Hermann Bubke, eigentlich davon erfahren?
„Mit diesem Interesse habe ich natürlich die Sendungen von Radio Prag verfolgt. Und zwar deshalb, weil diese Sendungen einfach authentischer waren. Ganz im Gegenteil zu den Informationen in den damaligen DDR-Medien. Die Sendungen von Radio Prag waren zudem aktueller und detaillierten als die in den Westmedien. Deswegen war so spätestens ab April 1968 für mich das erste nach der Arbeit, den Sender Radio Prag einzustellen und die aktuellen Geschehnisse zu verfolgen. Das war wirklich sehr spannend.“
Doch was hat Bubke aus den Sendungen unserer ehemaligen Kollegen so alles erfahren können? In unserem Gespräch schildert er zunächst die damalige Zeit:
„Es war damals der Beginn der Breschnew-Ära in der Sowjetunion, also eines stagnierenden Sozialismus mit stalinistischen Geheimdienststrukturen. Doch nun kam als Kontrast dazu auf einmal eine politische Reformbewegung unter Alexander Dubček, und das in einem benachbarten sozialistischen Bruderland! Dies zu verfolgen, das war faszinierend. Die Entwicklung in der Tschechoslowakei begründete auch die Hoffnung, dass die DDR – mit welcher Führung auch immer – sich später diesem Reformkurs möglicherweise anschließen müsse.“
Diese überaus optimistischen Nachrichten und Berichte aus Prag und anderswo im südlichen Nachbarland hatten Bubke und seinen Arbeitskollegen Reiner sehr neugierig gemacht. Im Frühjahr 1968 hatten sie deshalb beschlossen, ihren Jahresurlaub in der ČSSR zu verbringen. Beide wollten mit eigenen Augen sehen, wie die Menschen von Aš / Asch bis Košice / Kaschau den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ nun organisieren und gestalten wollten. Oder handelte es sich dabei doch um eine Konterrevolution, wie die DDR-Medien immer wieder hetzten? Die erste Station der Reise war Prag:
„Am 16. August kamen wir vormittags mit dem Zug in Prag an. Wir waren natürlich sehr gespannt, was da los ist in dieser Stadt. Gibt es da eine Kontrarevolution oder Rebellen, worüber uns Zuhause immer berichtet wurde? Doch ich habe in Prag eigentlich nur friedliche Menschen gesehen, die dort ihrem Alltag nachgegangen sind und vor allem eingekauft haben. Da war überhaupt nichts zu merken, weder von Kontrarevolution noch von Rebellentum. Wir haben uns die Stadt ganz entspannt angeschaut. Und wir sind dort auch mit so manchen Menschen in Kontakt gekommen, soweit sie Deutsch sprechen konnten, denn wir konnten ja leider kein Tschechisch.“
Hermann Bubke: „Am 16. August kamen wir vormittags mit dem Zug in Prag an. Ich habe hier eigentlich nur friedliche Menschen gesehen, die ihrem Alltag nachgegangen sind und vor allem eingekauft haben. Da war überhaupt nichts zu merken, weder von Kontrarevolution noch von Rebellentum.“
Noch am selben Abend aber reisten Bubke und sein Arbeitskollege mit dem Zug weiter bis nach Žilina / Sillein. Ab hier beginnen nämlich die reizvollen Naturschönheiten im slowakischen Teil des Landes. Eine davon ist die Niedere Tatra, die Bubke und sein Freund mit viel Elan und Freude durchwanderten. Doch von einem Tag auf den anderen war alles anders. Beide wanderten,…
„… und wir kamen dann im Ort Kráľova Lehota an. Dort haben wir übernachtet, nachdem wir eine schwierige Bergtour hinter uns hatten. Davon waren wir total erschöpft. Wir konnten aber nicht richtig ausschlafen, denn am 21. August ganz früh morgens hörten wir laute und aufgeregte Stimmen. Da haben wir natürlich sofort nachgefragt, was da los sei. Viele Leute waren um ein Fernsehgerät versammelt und haben sich eine Ansprache angehört. Ich glaube, sie wurde vom tschechoslowakischen Präsidenten gehalten, doch ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Schließlich wurden wir informiert, dass der Einmarsch der sowjetischen Truppen begonnen hatte. Nebenbei gesagt aber wurde uns übermittelt, dass auch Truppenverbände der DDR-Armee daran beteiligt sein sollen. das hat uns natürlich enorm empört.“
Dennoch beschlossen Hermann Bubke und sein Freund Reiner, dass sie weiterreisen werden in die Hohe Tatra. Doch wo sie auch hinkamen, überall bot sich ihnen das gleiche Bild:
„Es fuhren keine Fahrzeuge an dem Tage auf den Straßen, mit denen wir per Anhalter hätten mitfahren können. Also sind wir so um 8 oder 9 Uhr nach dem Frühstück auf den leeren Straßen weitergewandert in Richtung Hohe Tatra. Wir marschierten in der guten Hoffnung, dass irgendwann ein Auto kommt, dass uns mitnimmt. Bei unserem Fußmarsch sind wir durch ein Dorf gekommen, in dem überall Menschen waren, die aufgeregt an beiden Seiten der Straße standen. Sie sahen ziemlich traurig aus. Letztlich kam dann doch ein Fahrzeug, das uns mitgenommen hat. In derHohen Tatra ging es dann weiter mit den aufregenden Erlebnissen. Wir kamen zunächst gar nicht dazu, uns dort eine Unterkunft zu suchen. Die Menschen standen hier in Trauben um Radiogeräte herum und hörten die neuesten Meldungen. Wir waren alle sehr gespannt, was passiert da eigentlich?“
Laut Bubke hatte sich die Stimmungslage in der Bevölkerung an diesem Tag komplett gewandelt. Die Lockerheit und Entspannung der vorherigen Wochen und Monate war einer Ungläubigkeit und Nervenanspannung gewichen:
„An diesem 21. August wusste wirklich keiner, wie das Ganze weitergeht. Ist das nur eine vorübergehende Invasion? Ziehen die Truppen schon bald wieder ab? Insofern waren die Leute ratlos, aber auf keinen Fall waren die Menschen mehr entspannt. Und wir selbst waren voller Wut und empört, muss ich sagen. Dass hier so ein Einmarsch kam, und sogar DDR-Truppen daran teilgenommen haben sollten, das war für uns unfassbar.“
Nach dem ersten Entsetzen, der Wut und Ohnmacht, die sich breitgemacht hatten, aber regte sich schon bald der Widerstand. Die beiden Deutschen aus Magdeburg hatten inzwischen die Stadt Poprad / Deutschendorf am Fuße der Hohen Tatra erreicht. Beim Abendessen im Hotel kam es zu einem angeregten Gespräch mit einem Tschechoslowaken, der Deutsch konnte. Am Ende des Gesprächs bat er Bubke und dessen Freund, ob sie nicht einen Aufruf auf Deutsch über den Rundfunk machen wollten. Beide Urlauber sagten zu und begannen nachzudenken. Bubke erinnert sich:
„Ich weiß noch, der Aufruf begann mit einer Aufforderung an die deutschen Soldaten, genau gesagt an die DDR-Soldaten. Wir erklärten, wir finden es unerhört, dass sie wieder in die Tschechei einmarschieren. Das ist ja bereits 1938/39 passiert.“
Einen Tag später wurden sie von ihrem Gesprächspartner vom Vortag in einer Limousine abgeholt und in eine städtische Redaktion gebracht, in der man schon ein Tonbandgerät vorbereitet hatte. Hermann Bubke verlas den Aufruf. Dazu sagt er heute:
„Ich muss dazu sagen, das war für mich überaus beeindruckend, nämlich der Mut dieser Journalisten. Der Mut, die Bevölkerung schon unmittelbar in den Tagen der Invasion zu einem gewaltfreien Widerstand aufzurufen. Und wir hatten die kleine Ehre, mit unserem kurzen Aufruf über einen Radiosender bei Poprad, einen bescheidenen Beitrag dazu zu leisten – als ausländische Touristen.“
Hermann Bubke: „Der Mut dieser Journalisten war für mich beeindruckend. Der Mut, die Bevölkerung schon unmittelbar in den Tagen der Invasion zu einem gewaltfreien Widerstand aufzurufen. Und wir hatten die kleine Ehre, einen bescheidenen Beitrag dazu zu leisten.“
Auf der anderen Seite zeigt Bubke auch heute noch volles Verständnis für die damalige Angst der Tschechen und Slowaken. Schließlich mussten sie sich urplötzlich einer militärischen Übermacht entgegenstellen und mit bloßen Händen und Worten gegen Panzer antreten. Diese hatten auch bei Bubke und Partner ein schweres Magengrummeln ausgelöst:
„Schon auf dem Weg nach Štrbské Pleso, auf dem uns ein Fahrer mit seinem Auto mitgenommen hat, machten wir mit den sowjetischen Panzern unliebsame Bekanntschaft. Noch am 21. August kamen uns Panzerkolonnen entgegen, die knatterten furchtbar und machten viel Krach und Dampf. Da hatten wir richtig Angst. Wir waren ja lediglich mit unseren Rucksäcken unterwegs und haben uns gleich in den Straßengraben begeben. Die sowjetischen Panzersoldaten guckten uns indes von oben wirklich drohend an, weil wir als Tramper ja auch ein bisschen verdächtig erschienen. Also wir haben wirklich Angst gehabt.“
Nach diesen aufregenden Tagen in der Niederen und Hohen Tatra, sowie einem etwas freundlicherem Ende der Touristentour durch das Slowakische Paradies und die Stadt Košice, kamen Hermann Bubke und Reiner auf dem Rückweg noch einmal nach Prag. Die tschechoslowakische Hauptstadt war kaum wiederzuerkennen:
„Als wir zurückkamen und das zweite Mal binnen kurzer Zeit in Prag waren, da herrschte große Aufregung. Wir haben dort viele Menschen gesehen, die demonstriert haben mit großen Losungen und Plakaten. Das haben wir dann auch fotografiert. Zudem waren alle Straßennamen anonymisiert zur Erschwernis der Okkupationstruppen, damit diese sich nicht orientieren konnten. Also es war richtig zu spüren, wie die Luft buchstäblich brannte. Das waren beeindruckende Stunden, die wir dort erlebt haben. Das werde ich nie vergessen.“
Hermann Bubke: „Hätte sich der Dubček-Kurs durchgesetzt, dann wäre wohl einiges anders gelaufen. Dann glaube ich, wäre auch die DDR und wahrscheinlich auch Ungarn und möglicherweise Polen gezwungen gewesen, sich dem anzunähern.“
Mit der Niederschlagung des Prager Frühlings war gleichzeitig der Traum der beiden Ingenieure aus Magdeburg zerplatzt, dass sich letztlich auch die DDR hätte reformieren können. Andererseits zollt Bubke den Tschechen und Slowaken bis heute seine Anerkennung für die couragierte Weise, der alten Politik zu trotzen und einen neuen Weg zu gehen. Leider ist nicht mehr daraus geworden:
„Hätte sich der Dubček-Kurs durchgesetzt, was ich natürlich befürwortet habe, dann wäre wohl einiges anders gelaufen. Dann glaube ich, wäre auch die DDR und wahrscheinlich auch Ungarn und möglicherweise Polen gezwungen gewesen, sich dem anzunähern. Und das hätte natürlich ganz andere Optionen gebracht. Das hätte Europa meiner Meinung nach verändert, und wir hätten viele Jahre gewonnen. Und vielleicht wäre das ein Kurs gewesen, ausgehend von Osteuropa, der dem heute vorherrschenden Turbo-Kapitalismus etwas hätte entgegensetzen können. Das hätte ich mir gewünscht.“
Auch wenn sich dieser Wunsch nicht erfüllt hat, so ist Hermann Bubke auch heute noch dankbar, dass es den Prager Frühling überhaupt gegeben hat:
„Also das war ein sehr guter Ansatz in der damaligen Tschechoslowakei. Dass dies überhaupt gewagt wurde, dafür bin ich den Tschechen und Slowaken in meinen Erinnerungen stets dankbar. Ich schätze es hoch, dass sie versucht haben, diese Ideen umzusetzen und voranzutreiben.“
Zwölf Seiten über die Okkupation
Hermann Meyer lebt in Niedersachsen. Seine Gemeinde Kirchlinteln pflegt rege Kontakte mit der tschechischen Stadt Letovice.
Ich war damals ein 15-jähriger Schüler. Wir mussten in jedem Jahr eine Arbeit über ein frei zu wählendes Land schreiben. Mich hat die Situation in der Tschechoslowakei stark beeindruckt, und so habe ich mich für das Land als Thema entschieden. Von den 50 DIN-A-4-Seiten sind auch zwölf Seiten über die Okkupation durch die fünf Warschauer-Pakt-Staaten. Neben Fotos aus Zeitungen habe ich auch Texte aus diesen abgeschrieben.
Wie es der Zufall wollte, hat unsere Gemeinde seit 2003 eine Partnerschaft mit der tschechischen Stadt Letovice. Über 25 Mal bin ich zusammen mit anderen Freunden schon in dieser Stadt und der Mikroregion gewesen und freue mich jedes Mal wieder, wenn es endlich wieder dorthin geht. Zwei Männer, die das Ende des Prager Frühlings erlebt haben, waren oder sind in Letovice politisch aktiv. Einer war Bürgermeister und stellvertretender Bürgermeister und der andere ist noch stellvertretender Bürgermeister. Beide haben mir ihre Erlebnisse aus dieser Zeit geschildert. Sie werden zum 50. Jahrestag der Okkupation in unserer hiesigen Tageszeitung erscheinen.
Bürger Prags von 1968 gesucht
Karin und Henning Baudler aus Zingst an der Ostsee haben uns authentische Fotos aus Prag geschickt.
Im Anhang senden wir Ihnen unsere Eindrücke von unserem Pragaufenthalt um den 21. August 1968. 50 Jahre danach würden wir sehr gern mit den Bürgern Prags zusammentreffen, die es uns damals ermöglichten, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Wir möchten Sie daher bitten, uns behilflich zu sein, Kontakt mit Stanislav Bednář aufnehmen zu können.
Auf dem Dachboden: Aufnahmen und Bilder aus 1968
Rudolf Stöger hat von 1956 bis 1972 die Sendungen von Radio Prag gehört. Nach langem Suchen haben er und seine Frau Margareta auf dem Speicher (Dachboden) aufbewahrte Tonbandaufnahmen, Bilder und weitere Dokumente aus dem Jahr 1968 gefunden und an Radio Prag geschickt.
Damals, 1968, 16 Jahre jung, habe ich am Radiogerät mit Begeisterung ihren Informationen und Beiträgen zu den Aufbrüchen und Veränderungen in der Tschechoslowakei zugehört.
Aber dann, in der Nacht zum 21. August 1968, marschierten etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion (UdSSR), Polens, Ungarns und Bulgariens in die Tschechoslowakei ein und besetzten das Land.
Ich hing am Empfangsgerät und versuchte Radio Prag trotz der schnell wechselnden Frequenzen, trotz der Störsender, trotz der Frequenzüberlagerungen, trotz der massiven Brummtönen auf den Frequenzen zu finden, wenn es auch manchmal nur Wortbruchstücke waren.
Die letzten Sätze des Kommentars von Radio Prag am fünften Tag der Besatzung bleiben mir stets in Erinnerung:
“... Einen Grundsatz kann niemand und nichts brechen. Auch nicht das listenreiche Okkupationsdenken. Und diese Kraft wird sich bestimmt Bahn brechen um auch die Folgen zu überwinden, die bei uns die Aggression derer hinterlassen wird, die wir bisher als unsere Freunde betrachtet hatten ...”