Tschechiens Brauer trotzen der Hitze mit neuen Rekorden und Kreationen

Die Sonne brennt derzeit ohne Unterlass, so dass auch in Tschechien gern alle Arbeitnehmer sofort Urlaub hätten. Aber es gibt mindestens eine Berufsgruppe, die gerade dieser Tage zur Höchstform aufläuft: die Getränkeproduzenten. Ihre Rekordleistungen, aber auch ihre neuen Kreationen beleuchten wir im heutigen Wirtschaftsmagazins.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

Die in den Ländern der Europäischen Union gewährleisteten Sozialleistungen sorgen dafür, die sozialen Unterschiede in der jeweiligen Bevölkerung zu verringern. Am besten gelingt das in Skandinavien, am schlechtesten hingegen in den Staaten Südeuropas. In Dänemark zum Beispiel ist die Armut nach Zahlung von Sozialleistungen von 31 auf elf Prozent und in Schweden von 30 auf elf Prozent gesunken. Nach einer weiteren Erhöhung der Sozialleistungen in Tschechien ist der Anteil der Armen hierzulande allerdings noch niedriger - er ist auf ganze acht Prozent gesunken, was in der EU die derzeit niedrigste Anzahl ist.

Als ein aktueller Beleg dafür, dass baldige Arbeitslosigkeit in Tschechien noch lange kein Abstieg in die soziale Armut bedeutet, kann dabei das Rationalisierungskonzept des größten tschechischen Eisenhüttenunternehmens Mittal Steel in der nordmährischen Stadt Ostrava / Ostrau dienen. Da der Stahlgigant aus Wettbewerbsgründen beabsichtigt, innerhalb der kommenden Monate bis zu 1000 seiner rund 8860 Arbeitsplätze abzubauen, hat er seinen Beschäftigten angeboten, bei sofortiger Kündigung eine Abfindung von umgerechnet durchschnittlich 17.600 Euro zu erhalten. Ein für tschechische Verhältnisse großzügiges Angebot, von dem Mitte Juli auch gleich reichlich Gebrauch gemacht wurde, wie die Sprecherin der Gesellschaft, Jana Dronska, verriet:

"Das Interesse am Erhalt des so genannten Sozialbeitrags war gleich am ersten Tag erwartungsgemäß hoch. Den Antrag auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in gegenseitigem Einvernehmen haben 606 Arbeitnehmer der Gesellschaft Mittal Steel Ostrava sowie zirka 80 Beschäftigte des Unternehmens VYSOKE PECE Ostrava gestellt."

Letzten Pressemeldungen zufolge haben inzwischen 1200 Beschäftigte von Mittal Steel und der Tochtergesellschaft VYSOKE PECE Ostrava die Kündigung eingereicht.

Heiß wie in einem Stahlofen ist es nun schon seit mehreren Wochen auch im ganzen Land. Die Temperaturen in Tschechien bewegen sich seit geraumer Zeit ständig um die 30 Grad Celsius im Schatten. Das ist in der Regel nicht nur ein Wetter zum Baden, sondern ebenso zum Campen. Doch wider Erwarten haben die Betreiber der Prager Campingplätze bisher eine um ein Fünftel geringere Auslastung ihrer Flächen vorzuweisen als im vergangenen Jahr. Warum das vermutlich so ist, dazu äußerte der Analytiker der Gesellschaft Mag Consulting, Jaromir Beranek:

"Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der anspruchsvollen Touristen, die nach Tschechien kommen, zu. Deshalb sinkt das Interesse an preiswerten Campingunterkünften. Aber auf der anderen Seite müssen wir feststellen, dass das Campen nach wie vor unter den Touristen aus den Niederlanden und aus Deutschland sehr gefragt ist."

Hinter die Fassade geschaut

Die anhaltend tropischen Temperaturen der vergangenen Wochen haben auch in Tschechien wirtschaftlich ihre Spuren hinterlassen. Während viele Arbeitnehmer in ihren Büros und Arbeitsräumen vor Hitze stöhnen, schreiben die Brauereien und Abfüllunternehmen der Getränkeindustrie derzeit einen Rekord nach dem anderen. Dank der hohen Temperaturen konnte der Absatz von Bier und alkoholfreien Getränken um durchschnittlich zehn Prozent gesteigert werden. Viele Brauereien arbeiten momentan mit voller Leistung im Drei-Schicht-System, um die große Nachfrage zu befriedigen. Zu ihnen gehören unter anderem die drei Werke der Pilsener Urquell Brauerei in Pilsen, Nosovice und in Velke Popovice, die dafür Sorge trugen, dass die berühmte Marke im Juni den höchsten monatlichen Bierverkauf in ihrer gesamten Geschichte verzeichnen konnte. Die größte Nachfrage erfuhr dabei erneut das zehn Prozent Stammwürze aufweisende Gambrinus, das als das meistverkaufte Bier in Tschechien gilt. Und einen regelrechten Boom - nicht zuletzt ausgelöst durch die seit 1. Juli in Kraft getretene strenge Straßenverkehrsordnung - erlebte das alkoholfreie Birell.

So wie den Beschäftigten der Urquellbrauerei erging es jedoch fast jedem Brauhaus im Bierland Tschechien. Auch die Staropramen-Brauereien konnten sich im Juni über das beste monatliche Verkaufergebnis seit zehn Jahren freuen. Die staatliche Budweis-Brauerei wiederum hat ihre Produktion in der ersten Julidekade um nicht weniger als 35 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres erhöht. Und auch die mittleren und kleinen Brauereien tun derzeit ihr Bestes, um die große Nachfrage nach dem alkoholhaltigen und dem alkoholfreien Gerstensaft zu erfüllen. Eine dieser Kleinproduzenten ist das so genannte Prager Bierhaus (Pivovarsky dum), das sich trotz seiner geringen Kapazität immer wieder dadurch auszeichnet, neue Kreationen auf den Markt zu bringen oder alte Rezepte wieder aufleben zu lassen. Zum Beispiel die Produktion von tschechischem Weizenbier, die überein Jahrhundert lang in Vergessenheit geraten war. Weshalb, dazu sagte der Biertechnologe Jan Suran:

Foto: Jana Sustova
"Im Grunde genommen besaß auch das Weizenbier in den Ländern der Böhmischen Krone eine große Tradition und als so genanntes weißes Bier war es vor allem im 15. und 16. Jahrhundert sehr präsent. Aber mit der Entwicklung von Agrarkulturen wie der Gerste hat man später festgestellt, dass sich das Gerstenmalz für bestimmte Sorten von Bier besser eignet. Es war nicht zuletzt der bedeutende Reformer des tschechischen Brauereiwesens Frantisek Ondrej Poupe, der dafür sorgte, dass die Gerste bei der Bierherstellung immer mehr die Oberhand gewann. Er propagierte schon Ende des 18. Jahrhunderts seinen legendären Ausspruch: ´Der Hafer ist für die Pferde, der Weizen für den Kuchen und die Gerste für das Bier´. Seitdem hatte man sich in Böhmen und Mähren vom Weizenbier ab- und dem Gerstenbier zugewandt. Erst recht, als der bayerische Braumeister Josef Groll zum ersten Mal das ausgezeichnete Pilsener Bier braute, das sich hierzulande bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eindeutig durchsetzte. Im 20. Jahrhundert war daher die Herstellung von Weizenbier in der Tschechoslowakei fast auf null heruntergegangen. Ende der 1930er Jahre machte sie nur noch zwei Prozent der landesweiten Bierproduktion aus. Im Gegensatz zu Böhmen hat es in Bayern keinen so herausragenden Bierproduzenten gegeben wie die Pilsener Brauerei, der alle nachahmten. Und deshalb hat sich in Bayern auch die Herstellung von Weizenbier in seiner gesamten Vielfalt bis heute erhalten."

Die eben genannten Gründe - die beinahe schon untergegangene Tradition der Weizenbierherstellung und die daraus resultierende Uniformität der tschechischen Biere - hatte die Braumeister des Prager Bierhauses dazu bewogen, gerade für diesen Sommer einige Weizenbiersorten auf den Markt zu bringen. Bei einer Verkostung, die Ende Juni im Prager Bierklub vorgenommen wurde, stellte Jan Suran dann auch Radio Prag die neuen Sorten vor:

"Wir haben hier zunächst unser Weizenbock vorgestellt. Das ist ein schwereres, vollmundiges Bier, das sich eigentlich viel besser in der kalten Jahreszeit trinken lässt. Wir haben des weiteren unser Rauchweizen vorgestellt. Das ist ein Spezialbier, was mehr die Feinschmecker als ein breites Publikum ansprechen dürfte. Aber wir haben ebenso ein leichtes Weizenbier aus eigener Produktion sowie ein Weizenbier der Brauerei Herold aus Breznice vorgestellt. Letzteres ist ein etwas anderes Weißbier, das sich gerade im Sommer zu jeder Gelegenheit gut trinken lässt."

Und Suran betonte noch einmal, warum gerade Weizenbiere für die jetzige warme Jahreszeit so empfehlenswert sind:

"Nun, zum einen ist der Sommer immer gut geeignet, denn im Sommer wird sehr viel Bier getrunken. Und zum anderen eignet sich meiner Meinung nach gerade ein leicht bekömmliches Weizenbier bei der Hitze besser, um den Durst zu löschen."

Na dann, wohl bekomms bei einem frisch gezapften Weizen nun auch in Prag!