Tschechien muss Getreide und Kartoffeln importieren - Verkauf von CEZ-Aktien soll Haushalt sanieren helfen

Steht der tschechische Staat vor einem finanziellen Kollaps? Dieses Schreckgespenst malt Tschechiens neuer Finanzminister Vlastimil Tlusty dieser Tage oft an die Wand, wenn er über den Berg von Schulden spricht, die er seinen Worten nach von Vorgänger Bohuslav Sobotka übernommen hat. Diesen Berg gedenkt er nun mit dem Verkauf von CEZ-Aktien weitgehend abtragen zu können.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

Dieser Tage erfreuen uns zwar wiederholt die ausgiebigen Sonnenstrahlen des Spätsommers, doch der ungünstige Verlauf des Sommerwetters hat auch in Tschechien dafür gesorgt, dass die Ernte mehrerer Agrarkulturen in diesem Herbst wesentlich geringer ausfallen wird als noch im Vorjahr. Bei Kartoffeln zum Beispiel haben die tschechischen Landwirte erst ein Drittel von dem geerntet, was sie vor Jahresfrist eingefahren hatten. Deshalb wird man Kartoffeln importieren müssen, und das zu höheren Preisen. Der hiesige Produktionsrückgang macht sich in den Preisen bereits bemerkbar. Nach Ansicht von Miroslav Jirovsky, dem Vorsitzenden des tschechischen Landwirtschaftsverbandes, wird ein beträchtlicher Teil des Preises jedoch von den Händlern gemacht, da sie teils hohe Margen aufschlagen:

"Die Kartoffeln werden in den Geschäften der großen Handelsketten zum doppelten bis zweieinhalbfachen des Preises verkauft, den die Landwirte erhalten. Im vergangenen Jahr wurden die Kartoffeln von den Bauern zum Kilopreis von drei Kronen abgegeben und in den Geschäften für sechs bis acht Kronen je Kilo verkauft. Heute werden den Landwirten sieben Kronen für das Kilo gezahlt, so dass sie in den Geschäften für rund 15 Kronen je Kilo erhältlich sind."

Nicht viel besser sieht es beim Getreide aus. Auch davon muss Tschechien in diesem Jahr einen Teil importieren. Die einheimischen Bauern haben mit knapp sechs Millionen Tonnen ziemlich genau die Menge geerntet, die die Tschechische Republik für ihre Bedürfnisse braucht. Aber die Qualität des Lebensmittelweizens und -roggens sowie der Braugerste ist diesmal sehr gering. Die Einfuhr von Getreide wird sich daher auf die Preise der Backwaren niederschlagen, behauptet der Chef der hiesigen Agrarkammer, Jan Veleba:

Die Tschechische Republik hat also gegenwärtig mit Engpässen bei einigen Grundnahrungsmitteln zu kämpfen. Dafür kann man hierzulande relativ erfreuliche Zahlen vom Arbeitsmarkt vermelden. Im August ist nämlich die Arbeitslosenquote um ein Prozent gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres gesunken, und zwar von 8,9 auf 7,9 Prozent. Und nach Ansicht von Pavel Mertlik, dem ehemaligen Finanzminister und heutigen Chefanalytiker der Raiffeisen Bank, wird sich dieser Trend auch im Verlauf des Herbstes fortsetzen:

"So wie jedes Jahr wird auch in diesem Herbst die Arbeitslosenquote zurückgehen. Das wird zwar nicht abrupt und schnell geschehen, auf jeden Fall aber wird die Arbeitslosenquote um rund ein Prozent unter jener vom vergangenen Jahr liegen. Und diese Differenz sollte auch bis zum Jahresende bestehen bleiben."

Hinter die Fassade geschaut

"Der ehemalige Finanzminister Bohuslav Sobotka und der ehemalige Premier Jiri Paroubek haben nach der Devise gehandelt: Nach uns die Sintflut. Und jetzt haben wir sie, nämlich die Schuldenüberschwemmung."

Bohuslav Sobotka
Mit diesen und ähnlichen Aussagen macht dieser Tage der neue Finanzminister Vlastimil Tlusty wiederholt auf sich aufmerksam. Dabei bezichtigt er seinen Amtsvorgänger Sobotka, ihm einen riesigen Schuldenberg in Milliardenhöhe hinterlassen zu haben. Im Tschechischen Fernsehen führte er aus, dass der Republik 153 Milliarden Kronen (ca. 5,4 Milliarden Euro) zur Beseitigung von ökologischen Schäden fehlen würden. Und auch die Rentenauszahlung sei gefährdet. Allein in diesem Jahr müsse die Regierung noch zehn Milliarden Kronen auftreiben, um die Auszahlung zu gewährleisten, so Tlusty. Deshalb hat der neue Chef über die Staatsfinanzen auch zumindest schon eine Möglichkeit zur Tilgung des Haushaltslochs vorgeschlagen, und zwar den anteiligen Verkauf von Aktien an der Energiegesellschaft CEZ, in der der Staat mit 67,61 Prozent der Mehrheitseigner ist. Tlusty würde gern 16 Prozent der Aktien am tschechischen Energieriesen über die Börse veräußern und begründet seine Überlegungen wie folgt:

"Das ist die transparenteste und erfolgreichste Methode der Privatisierung. Und zwar deshalb, weil der Aktienverkauf vom Staat behutsam und schrittweise über die Börse geführt wird. Sie bedeutet eine Belebung der Prager Börse, und sie hält auch für kleinere Investoren eine günstige Gelegenheit bereit. Wir wollen dabei das Aktienpaket nur allmählich freigeben, weil sich ein schneller Verkauf bestimmt auf den Preis der CEZ-Aktie niederschlagen würde."

Tlustys Überlegungen werden von mehreren Finanzexperten unterstützt. Einer von ihnen ist der Analytiker der Gesellschaft Cyrrus, Jan Prochazka, der davon ausgeht, dass das ganze Aktienpaket von einem einzigen Investor gekauft würde.

"Ich rechne damit, dass sich ein Interessent für den Kauf des gesamten 16-prozentigen Aktienanteils finden wird, und ich halte es sogar für möglich, dass dieser Interessent dafür einen Betrag zahlen wird, der über dem aktuellen Börsenkurs liegt. Er darf nämlich darauf spekulieren, dass ihm dieses Aktienpaket später weiterhelfen könnte, wenn der Staat den ihm noch verbliebenen 51-prozentigen Aktienanteil verkaufen will."

Mit dem Verkauf von 16 Prozent der Aktien würde der tschechische Staat also nach wie vor der Mehrheitseigner bleiben, und das aus gutem Grund. Bei der derzeitigen Energiesituation in Europa und mit ihren gut ausgebauten Ressourcen sind die Tschechischen Energiewerke (CEZ) nämlich nach wie vor das staatliche Huhn, das goldene Eier legt. Und deshalb hält der sozialdemokratische Ex-Premier Jiri Paroubek auch nicht viel von diesem Vorstoß des ODS-Finanzministers:

"Ich denke, es wäre viel vorteilhafter, sich mit dem Verkauf der Tschechischen Flughafenverwaltung zu befassen als mit den 16 Prozent von CEZ. Die Abgabe der 16 Prozent hat nämlich auch die Ausschüttung einer geringeren Dividende zur Folge. Des Weiteren glaube ich, dass in zwei drei Jahren der Preis für diese CEZ-Aktien wesentlich höher sein wird. Daher bin ich der Meinung, dass wir jetzt eine sehr reiche Geldquelle unnötig abstoßen würden."

Die gleiche Auffassung wie Paroubek hat auch dessen Parteikollege Bohuslav Sobotka, der seinem Nachfolger Tlusty vorgeworfen hat, die Probleme aufzubauschen, um sie so in populistischer Art als Wahlkampfmunition für die bevorstehenden Senatswahlen nutzen zu können.

Aber was würde denn der Verkauf der CEZ-Aktien derzeit eigentlich bringen? Dazu hat Radek Letal, der Manager der Gesellschaft A&CE, die folgende Einschätzung abgegeben:

"Ich gehe davon aus, dass der Staat für den Verkauf des 16-prozentigen Aktienanteils an CEZ zwischen 60 bis 80 Milliarden Kronen erhalten würde. Entscheidend dafür ist selbstverständlich der aktuelle Börsenkurs, der allerdings nur schwer vorauszusagen ist."

Finanzminister Tlusty hat noch gut eine Woche Zeit, um bis Ende September seinen Entwurf zum Staatshaushalt 2007 vorzulegen. Seiner Überzeugung zufolge müsste ein auf einer realistischen Grundlage festgelegter Haushalt mit einem Defizit von bis zu 127,5 Milliarden Kronen geplant werden. Und für einen solchen Betrag müsse halt auch ein goldenes Kalb wie die Energiegesellschaft CEZ weiter ausgeschlachtet werden, so Tlusty. Aber all diese und ähnliche Überlegungen haben nur dann einen Wert, wenn die von Premier Mirek Topolanek geführte ODS-Minderheitsregierung Anfang Oktober die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus übersteht. Doch gerade in dieser Beziehung werden die nächsten Tage noch ganz andere Rechnungen aufgemacht...