Schwierig trotz Erfolgen: Der Wettbewerb auf der tschechischen Schiene

Regiojet (Foto: Kristýna Maková, Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)

Wer hierzulande den Zug nimmt, der ist in den meisten Fällen auf die Tschechische Bahn (České dráhy, ČD) angewiesen, also auf den Staatskonzern. Es gibt jedoch auch Privatunternehmen, die bestimmte Bahnlinien bedienen. Sie konkurrieren entweder direkt miteinander oder mit der ČD. Obwohl die Konkurrenz auf der Schiene manchmal Probleme bringt, ist der Nutzen für die Kunden offensichtlich: Der Service hat sich deutlich verbessert, und die Fahrkarten sind billig geworden. Im Folgenden mehr über die Liberalisierung des Personenverkehrs auf der tschechischen Schiene.

Regiojet  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Der Umbruch im Bahnverkehr begann am 27. September 2011. An diesem Tag fuhr der erste private Schnellzug von Prag über einen der wichtigsten Bahnkorridore nach Ostrava / Ostrau. Die gelben Waggons von Regiojet waren eine kleine Sensation. Denn dort servierten Stewards Kaffee und Zeitungen gratis, und aus einem Entertainment-Angebot ließen sich Musik und Filme auswählen. Für tschechische Bahnreisende war das bis dahin praktisch unvorstellbar.

Dabei hatte die Tschechische Bahn zuvor die Pläne des Unternehmers Radim Jančura verspottet. Es sei unmöglich, den Zugbetrieb profitabel zu gestalten, behaupteten die Eisenbahner. Sie haben sich jedoch geirrt: Regiojet rollt bis heute zwischen Prag und Ostrau – und zwar mit zehn Zugpaaren täglich, davon drei bis in die Slowakei. Ein Zugpaar verbindet zudem Prag und Zlín, und ab Dezember soll es dies auch nach Bratislava geben. Mittlerweile verkehrt auf fast identischen Linien mit Leo Express noch ein weiter Beförderer. Denn über einen Mangel an Kunden kann keine der drei Firmen klagen. Die Konkurrenz hat offensichtlich die Fahrt mit der Bahn attraktiv gemacht, sagt Miroslav Vyka, Präsident des Fahrgastverbandes im öffentlichen Verkehr:

Miroslav Vyka  (Foto: Archiv von Miroslav Vyka)
„Das zeigt sich auch an der Zahl der Verbindungen zwischen Prag und Ostrau. 2001 rollten tagsüber acht und nachts vier Zugpaare auf der Strecke. In diesem Jahr beträgt das Angebot 29 Zugpaare am Tag und vier in der Nacht. In Spitzenzeiten verkehren die Züge praktisch jede Viertelstunde. Der Marktanteil der Tschechischen Bahn und von Regiojet liegt jeweils bei etwa 40 Prozent, die restlichen 20 Prozent entfallen auf Leo Express. Unseren Schätzungen nach hat sich die Zahl der Reisenden auf dieser Strecke mehr als verdoppelt. Die Konkurrenz wirkt jedoch allgemein wie Werbung für die Eisenbahn, über sie wird in den Medien oft diskutiert. Die Tschechische Bahn ist beispielsweise dazu gezwungen, die Reisequalität auch auf weiteren Strecken zu verbessern. Deswegen steigen die Fahrgastzahlen auch dort, wo bisher noch keine Konkurrenz durch private Betreiber besteht.“

Preiskampf auf der Strecke Prag-Ostrau

Hauptbahnhof in Ostrava  (Foto: MarcinEB,  CC BY-SA 4.0)
Wie überall drückt die Konkurrenz auch auf der Schiene die Preise nach unten. Zu Anfang waren bei Regiojet die Fahrkarten um 20 Prozent billiger als bei der ČD. Der Staatskonzern reagierte aber mit einer noch größeren Preissenkung – Regiojet und Leo Express werfen seitdem der Bahn sogar Preisdumping vor. Die Reisenden profitieren jedoch davon, die Fahrpreise liegen auf der Strecke zwischen Prag und Ostrau so niedrig wie nie zuvor. Diese Lage dürfte jedoch nicht lange Bestand haben, meint Vyka.

„Die Marktforschungen haben gezeigt, dass für die Menschen auf der Strecke zwischen Prag und Ostrau ein Fahrtpreis von umgerechnet acht bis zwölf Euro akzeptabel wäre. Die besten Angebote aller Firmen belaufen sich derzeit jedoch auf vier bis sechs Euro. Da muss man die Frage stellen, ob die Preise unnötig niedrig gehalten werden. Immer mehr Fahrgäste halten die Reisequalität für wichtiger als den Preis – und diese Qualität ist bei jedem Beförderer sehr gut. Es dürfte also der Tag kommen, an dem die Anbieter ihre Strategie korrigieren und auf den Preiskampf verzichten. Das Fahrgastpotenzial ist meiner Meinung nach noch nicht ausgeschöpft. Es gibt immer noch viele Menschen, die das Auto für die Fahrt zwischen Mähren und Prag nutzen.“

Leo Express  (Foto: PetrS.,  CC BY-SA 3.0)
Für die Ansicht des Verbandschefs sprechen auch die schlechten Wirtschaftsergebnisse aller Firmen: Regiojet strich erst im vergangenen Jahr einen Gewinn ein, obwohl die Züge des Anbieters von Anfang an fast voll besetzt fuhren. Leo Express schreibt immer noch rote Zahlen, und nur zögerlich gelingt es dem Unternehmen, seine Verluste zu reduzieren. Aus diesem Grund mussten beide Firmen ihre ursprünglichen Expansionspläne drosseln. Die Bahn wiederum veröffentlicht ihre Bilanzen nur als Ganzes, nicht aber für einzelne Strecken. Die privaten Konkurrenten verdächtigen daher das Staatsunternehmen, die Verluste auf den kommerziell betriebenen Linien aus staatlichen Zuschüssen für andere Strecken auszugleichen. In diesem Streit hat das tschechische Kartellamt noch nicht entschieden.

Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Die Konkurrenz auf der Schiene hat aber auch gewisse Nachteile. So sind auf dem Bahnkorridor auf bestimmten Abschnitten bereits die Kapazitätsgrenzen erreicht, einige Regionalzüge mussten daher ihre Fahrtzeit verlängern. Ein weiteres Problem ist, dass die Züge der drei Betreiber nicht auf einander warten. Wer also irgendwo von Regiojet oder Leo Express auf ČD umsteigen will, verpasst bei Verspätung den Anschluss. Zudem erkennen die Betreiber untereinander nicht die Fahrkarten an. Das Verkehrsministerium drängt aber nun auf eine entsprechende Vereinbarung, so Miroslav Vyka.

„Es ist notwendig, eine Behörde mit dem Clearing zu beauftragen, damit die Erlöse gerecht zwischen den Firmen aufgeteilt werden können. Damit hängt auch eine einheitliche Kundenbetreuung zusammen. In Tschechien gibt es bereits die einheitliche Suchmaschine IDOS, in der sich die Zug- und Busverbindungen aller Anbieter finden lassen. Technisch sollte es kein Problem sein, alle Verkaufskanäle mit diesem System zu verbinden. Die Berechnung der Fahrpreise durch dieses System würde in der Clearingstelle erfolgen, so dass der Fahrgast nicht einen separaten Fahrschein für jeden Abschnitt kaufen müsste.“

Beharrliche sträubt sich die Tschechische Bahn

Foto: Pavel Homan,  CC BY-SA 3.0
Einige Nebenstrecken in Tschechien werden bereits nicht mehr in Regie von ČD betrieben. Dazu gehört die Verbindung von Liberec / Reichenberg über Zittau nach Rybniště /Teichstatt. Dort sind seit 2010 die Züge der Vogtlandbahn unterwegs, das Unternehmen hatte zuvor die Ausschreibung des tschechisch-deutschen Verkehrsverbandes ZVON gewonnen. Zwischen Karlovy Vary / Karlsbad und Mariánské Lázně / Marienbad verkehren sogar schon seit 2006 Züge der GW Train Regio – ebenso aufgrund der Ausschreibung der Kreisverwaltung. Das sind aber nur Einzelfälle, und die Entscheidungen liegen bereits Jahre zurück.

Foto: Michał Dadełło,  CC BY-SA 3.0
In der letzten Zeit wurde zwar weiter über einen transparenten Wettbewerb auf der Schiene diskutiert, die Erfolge sind jedoch bescheiden. Die meisten Ausschreibungen scheitern entweder aus rein administrativen Gründen, oder die Bahn legt gegen das Ergebnis Berufung ein. Bis dann die Behörden definitiv entscheiden, vergehen durchaus mehrere Jahre. Das ist auch bei drei Regionallinien in Südböhmen der Fall. Im vergangenen Jahr hatte sich die Kreisverwaltung für ein Angebot von GW Train Regio entschieden. Die ČD sollte eigentlich ab 2017 die Schienen räumen, klagte aber wegen angeblichen Dumpings seitens des Privatanbieters. Bis heute ist unklar, ob und wann die neue Firma den Streckenbetrieb übernimmt.

Foto: adamr,  FreeDigitalPhotos.net
Der Betrieb auf Fernstrecken wird wiederum vom Verkehrsministerium bestellt. Das Ressort hat bereits angelaufene Ausschreibungen wieder gestoppt. Und zwar aus mehreren Gründen.

„Den letzten Informationen zufolge wird immer noch die Frage der Anerkennung von Fahrscheinen geklärt. Zudem wird hierzulande darauf gewartet, dass Brüssel neue Regeln verabschiedet für die Nutzung von EU-Geldern aus dem Förderprogramm ‚Verkehr‘. Die Frage lautet, ob auch private Firmen solche Gelder beantragen dürfen, wenn sie die Ausschreibung für Verkehrsleistungen auf bestimmten Bahnlinien gewinnen. Das Geld würde ihnen für die Anschaffung neuer Schienenfahrzeuge dienen“, so Miroslav Vyka.

Foto: Barbora Kmentová
Als weitere Variante rechnet das Ministerium damit, dass der Staat selbst neue Fahrzeuge kaufen könnte und diese an Privatfirmen für die aus öffentlichen Mitteln mitfinanzierten Verkehrsleistungen vermieten würde. Die Firmen müssten dann nicht selbst solche Fahrzeuge beschaffen. Auch diese Variante muss aber in Brüssel bewilligt werden.

Öffentliche Ausschreibungen tragen laut Experten dazu bei, dass die Personenbeförderung hierzulande qualitativ besser wird. Sie sollen zeigen, wieviel der Betrieb bestimmter Strecken tatsächlich kostet, um sich nicht nur auf die Angaben der Bahn verlassen zu müssen. Das Ziel sind aber nicht nur Kostenersparnisse, sondern auch mehr Komfort für die Reisenden – und das durch modernere Züge, kürzere Reisezeiten und einen engeren Takt.