Mangel an Schweinefleisch wird zu Teuerung führen / Tschechien führender Produzent von Speisemohn

Die Lebensmittelpreise ziehen kräftig an. Sowohl in der Welt als auch in Tschechien. Führende Agrarpolitiker und -ökonomen des Landes haben sich jüngst mit diesem Thema auseinander gesetzt.

Hinter die Fassade geschaut

Jan Veleba
Die Lebensmittelpreise steigen. Und zwar weltweit. Diese Erkenntnis ist nicht neu, doch sie hat mittlerweile eine neue Schmerzgrenze erreicht. Eine Grenze, über die immer mehr diskutiert wird. So auch im Tschechischen Fernsehen, das am Sonntag zu einer illustren Diskussionsrunde zum Thema Landwirtschaft geladen hatte. Mit von der Partie war der Präsident der tschechischen Agrarkammer, Jan Veleba, für den die sich fortwährend drehende Preisspirale noch längst nicht zum Stillstand kommt. Insbesondere bei Backwaren und vermutlich auch bei Schweinefleisch sieht er für dieses Jahr die größten Teuerungen auf den tschechischen Markt zukommen. Seiner Meinung nach werden die Lebensmittelpreise um mehr als zehn Prozent steigen. Und Veleba nannte auch einen wenig erfreulichen Grund für diese Entwicklung:

„Die wichtigsten Zahlen besagen, dass sich die weltweite Nachfrage nach Lebensmitteln jährlich um rund sechs Prozent erhöhen wird. Demgegenüber wird die weltweite Produktion von Nahrungsmitteln unter vier Prozent liegen. Das bedeutet, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln dauerhaft größer sein wird als das Angebot. Und dagegen muss etwas getan werden.“

Das findet auch der Schattenminister für Landwirtschaft und Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokrat Michal Hašek. Ihm zufolge steckt die Welt derzeit in einer Lebensmittelkrise:

„Wir sind Bestandteil des europäischen Marktes und der wiederum ist Teil des globalen Marktes. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Lebensmittelkrise, bei der es weltweit auch einen Mangel an Grundnahrungsmitteln gibt.“

Nach Auffassung von Michal Hašek wird der Anstieg der Lebensmittelpreise in Tschechien in diesem Jahr sogar zwischen zehn und 20 Prozent liegen. Das sieht Landwirtschaftsminister Petr Gandalovič wiederum ganz anders. Für ihn wird die diesjährige Teuerung auf dem Nahrungsmittelsektor die Zehn-Prozent-Marke nicht übersteigen. Der Löwenanteil der Preiserhöhungen sei bereits im ersten Quartal erfolgt, so dass sich die Preisschraube im weiteren Jahresverlauf kaum noch drehen dürfte, so der Bürgerdemokrat:

„Ich glaube, dass wir in diesem Jahr eine bessere Ernte als 2007 verzeichnen werden, so dass die Lebensmittelpreise nicht so stark ansteigen sollten wie im vergangenen Jahr. Wenn wir nur von der zu erwartenden Ernte auf den Saatflächen ausgehen, dann bin ich überzeugt davon, dass es keine Gründe für eine Erhöhung der Lebensmittelpreise gibt.“

Für Michal Hašek eine viel zu optimistische Wahrnehmung und eine Verklärung der Tatsachen obendrein. Besonders auf dem Sektor der Schweinefleischproduktion sieht Hasek keine rosigen Zeiten auf die heimischen Verbraucher zukommen:

„Ich bin nicht solch ein Optimist wie Minister Gandalovič, der davon spricht, dass sich Lebensmittelpreise um maximal zehn Prozent erhöhen werden. Wenn ich zum Beispiel nur die Produktion von Schweinefleisch betrachte, muss ich leider feststellen, dass die Zahl der bei uns gezüchteten Tiere merklich zurückgeht. Und logischerweise entsteht dort, wo Mangel herrscht, enormer Preisdruck. Von daher darf man erwarten, dass wir in den nächsten Monaten mit einem sprunghaften Anstieg der Preise für Schweinefleisch rechnen müssen.“

Das Nationalgericht Schweinefleisch, Kraut und Knödel könnte also bald eine ziemlich teure Angelegenheit für die Tschechen werden. Oder aber aus dem Alltagsessen wird nach und nach ein Festtagsschmaus, den man sich nur noch zu besonderen Gelegenheiten leisten kann und will.

Es gibt jedoch auch Nahrungsmittel, bei denen die Tschechische Republik zugelegt hat. Sie ist zum Beispiel der größte Hersteller und Exporteur von Speisemohn in der Welt. Im vergangenen Jahr haben die hiesigen Mohnpflücker fast 32.000 Tonnen Mohnsamen geerntet – das ist mehr als das Dreifache als im Jahr 1996, als es noch knapp 10.000 Tonnen waren. Dementsprechend hat sich auch die Saatfläche vergrößert – von 14.000 Hektar im Jahr 1996 auf gegenwärtig rund 70.000 Hektar. Dank neuer Rekordpreise konnten die tschechischen Produzenten im Vorjahr einen Erlös von fast 1,5 Milliarden Kronen (ca. 60 Millionen Euro) erzielen.

Der klar überwiegende Teil der Ernte, fast 95 Prozent, wurde exportiert. Die größten Importländer von tschechischem Mohn sind Russland, die Ukraine und Polen. Aus gutem Grund, denn seit dem neunten Jahrhundert wird Mohn besonders unter den slawischen Völkern gezüchtet. Der „schwarze Gries“ wird traditionell jedoch ebenso in der türkischen und der jüdischen Küche verwendet.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

Vor rund drei Wochen hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Tschechischen Republik für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 4,5 Prozent prognostiziert. Im kommenden Jahr werde sich das tschechische Bruttoinlandsprodukt um fast fünf Prozent erhöhen, hieß es in dem von der Organisation vorgelegten Bericht zu den Wirtschaftsaussichten des Landes. OECD-Generalsekretär Ángel Gurría hat den tschechischen Staat aber zugleich aufgefordert, die begonnene Reform der öffentlichen Finanzen fortzusetzen und weitere Reformen durchzuführen. Außerdem unterbreitete er Lösungsvorschläge zu einer noch besseren Gestaltung und Nutzung des tschechischen Arbeitsmarktes:

„Die Regierung muss die Bevölkerung noch mehr zur Arbeit motivieren, und zwar durch die Verbesserung der Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Das sollte die Tschechische Republik durch eine effizientere Ausnutzung des Bereichs der Teilzeitarbeit erreichen. Eine größere Unterstützung sollten vor allem die Frauen erhalten, damit sie arbeiten und zugleich mehr Geld in die Betreuung ihrer Kinder im Vorschulalter investieren können. Und auch für die Gruppe der älteren Leute sollten Anreize zur Arbeit geschaffen werden. Das sollte helfen, den Anforderungen der Altersversorgung besser gerecht zu werden.“

Foto: Europäische Kommission
Stellt man diesen Vorschlägen allerdings die Arbeitslosigkeit gegenüber, so muss man feststellen, dass der tschechische Arbeitsmarkt bereits zu den sehr intensiv genutzten Märkten in Europa zählt. Dafür spricht die aktuelle Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent. Nach Meinung von Vladimír Pikora, dem Ökonom der Gesellschaft Next Finance, wird der hohe Grad an Beschäftigung in Tschechien jedoch nach diesem Jahr nicht mehr zunehmen:

„In den nächsten Monaten wird die Arbeitslosenquote weiter sinken. Dazu werden sowohl die Saisonarbeit als auch die durch neue Produzenten geschaffenen Arbeitsplätze beitragen. Das Wirtschaftswachstum im Land wird zwar nicht mehr so stark zunehmen, doch noch immer werden weitere Möglichkeiten der Beschäftigung geschaffen. Wir erwarten, dass die durchschnittliche Arbeitslosenquote in diesem Jahr eben 5,2 Prozent betragen wird. Auf der anderen Seite wird es für viele Arbeitnehmer kaum noch möglich sein, neue Arbeiten für gutes Geld zu finden.“