Willkommen bei den Czernins: Schloss Chudenice

Schloss Chudenice (Foto: Autorin)

Etwa zehn Kilometer nordwestlich von der Stadt Klatovy / Klattau, in einer schönen hügeligen Landschaft liegt das Städtchen Chudenice / Chudenitz. Ab dem 12. Jahrhundert war Chudenice der Sitz eines alten böhmischen Adelsgeschlechts – der Czernin. Dieser Familie gehörte auch das so genannte „Alte Schloss“, das sich unweit des Marktplatzes von Chudenice befindet.

Schloss Chudenice  (Foto: Autorin)
Im 13. Jahrhundert ließ Drslav Czernin eine gotische Festung in der Gemeinde Chudenice bauen. Auf ihren Fundamenten wurde später das so genannte „alte Schloss“ errichtet. Aus dieser Zeit stammt auch das berühmteste Baudenkmal von Chudenice – die Johannes-Täufer-Kirche. In der Kirche sind Wandgemälde aus dem 14. Jahrhundert erhalten geblieben. Das Schloss liegt nur wenige Meter von der Kirche entfernt. Mit der Besichtigung beginnt man in der ersten Etage im alten Speisesaal. Eliška Luňáčková, die die Besucher durch das Schloss führt, erläutert zuerst die Geschichte der Adelsfamilie Czernin:

Schloss Chudenice  (Foto: Autorin)
„Die erste Erwähnung der Familie Czernin stammt aus dem Jahr 1192. Damals wurde ein Czernin zum Kämmerer des böhmischen Königs Přemysl Otakar I. ernannt. Die älteste schriftliche Nachricht über den hiesigen Adelssitz stammt aus dem Jahr 1562, als das Eigentum unter den zwei Brüder Czernin – Humprecht und Jan – geteilt wurde. Der ältere der Brüder war Humprecht. Er erbte nicht nur das Dorf Chudenice, sondern auch die gotische Festung, die dort stand. Humprecht ließ die Festung Ende des 16. Jahrhunderts in ein Renaissanceschloss umbauen. Humprecht Czernin war unter anderem Burggraf, also Verwalter der Prager Burg.“

Schloss Lázeň  (Foto: Centrum Bavaria Bohemia)
Dank seinem politischen Einfluss gelang es Czernin, Kaiser Rudolf II. zu überzeugen, Chudenice zur Stadt mit Wappen und Marktrecht zu erheben. Beachtenswert ist, dass die Familie Czernin ihren Sitz in Chudenice mehr als 700 Jahre lang ununterbrochen besaß. Dies sei in Mitteleuropa einzigartig, meint Eliška Luňáčková. Der letzte Besitzer des Herrschaftsguts war Eugen III. Czernin. 1945 wurde er als Deutscher aufgrund der Beneš-Dekrete enteignet. Sein Enkelsohn, Graf Karl Eugen Czernin erhielt im Jahr 2009 das unweit von Chudenice gelegene Empireschloss Lázeň zurück, das er zurzeit renoviert, erzählt Eliška Luňáčková. Sie macht auf das Wappen der Familie Czernin aufmerksam, das nicht nur auf den Tellern im großen Speisesaal, sondern auch an der Wand gut zu erkennen ist.

Czernin-Wappen
„Das Wappen ist in zwei Hälften geteilt, die linke Hälfte ist rot, die rechte blau-silber. Drei silberne Streifen symbolisieren drei Flüsse, die durch das Gebiet flossen, das den Czernins früher gehörte. Es sind die Flüsse Úhlava, Otava und Vltava / die Moldau. Auf dem Wappen sind zudem die Initialen von drei Kaisern zu sehen: von Rudolf II., Matthias und Ferdinand II. Ihnen hatten die Grafen Czernin gedient.“

Neben Möbeln, die zur ursprünglichen Ausstattung des Schlosses gehören, steht ein altes Klavier in einer Ecke des Speisesaals. Das Musikinstrument habe früher im Gasthaus „U Baláků“ gestanden, sagt die Führerin:

„In diesem Gasthaus, das unweit des Schlosses stand, verbrachte oft der berühmte tschechische Liedermacher und Sänger Karel Hašler den Urlaub. Es wird hier erzählt, dass Hašler auf diesem Klavier zum ersten Mal sein bekanntes Lied ´Po starých zámeckých schodech´ - zu Deutsch etwa ´Auf der alten Schlosstreppe´ spielte.“

Gemeint ist in diesem Lied natürlich die alte Treppe, die zur Prager Burg führt. Während des Kommunismus diente der geräumige Speisesaal als Kinosaal. Anstelle der Bilder hing an der Wand die Leinwand, davor standen einige Reihen zusammenklappbarer Stühle, so die Fremdenführerin.

Aus dem großen Speisesaal, der eine Zeit lang als Kino diente, geht es weiter in das ursprüngliche Wohn- und das Schlafzimmer. Die beiden Räume sind mit Biedermeier-Möbeln eingerichtet. Einige der Möbelstücke stammen aus der Zeit, als in Chudenice der bekannte tschechische Sprachwissenschaftler und Historiker Josef Dobrovský (1753-1829) lebte.

„Dobrovský wirkte hier elf Jahre lang als Privatlehrer der Kinder der Familie Czernin. Seine Privatzimmer hatte er sowohl im hiesigen alten Schloss, als auch im Schloss Lázeň.“

Mit Josef Dobrovský und seinem Aufenthalt in Chudenice befasst sich eine selbständige Dauerausstellung, die in einem der Schlossgänge zu sehen ist und zum Regionalmuseum gehört, das im Erdgeschoss des alten Schlosses untergebracht ist.

Wie in vielen Schlössern darf auch in Chudenice der Jagdsalon nicht fehlen. Dieser ist mit großen Bildern von Jagdhunden geschmückt. Es sei bekannt, dass die Czernins ihre Jagdhunde porträtieren ließen, erzählt Eliška Luňáčková:

„Die Familien Czernin und die Špork haben als erste spezielle Jagdhunde nach Böhmen gebracht und hier die Parforcejagd verbreitet. Graf Franz Josef Czernin schenkte eine dieser Jagdhundemeuten Kaiser Karl VI.“

Jagdsalon  (Foto: Archiv der Schlossverwaltung)
Im Jagdsalon ist neben Jagdtrophäen und Gemälden eine Kuriosität ausgestellt: ein auf den ersten Blick unauffälliger Spazierstock. In diesem Spazierstock ist ein Gewehr versteckt, dass Wilddiebe nutzten, um nicht entdeckt zu werden.

Der wahrscheinlich schönste Raum im alten Schloss ist das so genannte Engelszimmer. Früher war es das Zimmer des Grafen. Eliška Luňáčková kennt eine Legende, die mit diesem Schlosszimmer verbunden ist.

Eingang des Aussichtsturmes Bolfánek
„Es wird erzählt, dass hier ein Engel erschienen ist. Als sich hier der 75-jährige Graf Humprecht Czernin im Jahr 1601 ausruhte, erschien ein Engel und riet ihm, mit seiner Familie von der Johannes-Täufer-Kirche zur St. Wolfgangskapelle zu pilgern. Dort steht heutzutage der Aussichtsturm Bolfánek. Der Graf sollte dort, so empfahl es der Engel, alle Sakramente empfangen, die ein Mensch vor dem Tod empfangen soll. Der Graf folgte dem Rat des Engels und folgte seinen Anweisungen. Drei Tage später ist der Graf gestorben, ohne dass er irgendwelche Krankheitssymptome gehabt hätte. Die Nachkommen des Grafen ließen auf das Zimmergewölbe einen Engel malen, der an das Ereignis erinnern soll.“

Engelszimmer  (Foto: Archiv der Schlossverwaltung)
Seitdem wird das Zimmer des Grafen Engelszimmer genannt. Auch wenn es zu diesem Ereignis bereits im Jahr 1601 gekommen sein soll, ist beachtenswert, dass eine erste schriftliche Erwähnung erst aus dem Jahr 1650 stammt.

Die Führung durch das alte Schloss in Chudenice sowie durch seine malerische Umgebung wird in der nächsten Ausgabe des Reiselands fortgesetzt.