Wiener Palais in böhmischem Dorf: Schloss Nebílovy (II)

Schloss Nebílovy (Foto: Martina Schneibergová)

Ein ruhiger Barockhof mit spazierenden Pfauen und Lavendelduft sowie Salons mit einzigartigen Möbeln und Deckenmalereien. Das verbirgt sich im Schloss Nebílovy, das im gleichnamigen Dorf in Westböhmen steht. Vor zwei Wochen haben wir Sie in diese frühere Residenz der Adelsfamilie Czernin eingeladen. Dabei haben wir auch versprochen, die Führung durch das Schloss fortzusetzen.

Jagdzimmer  (Foto: Martina Schneibergová)
Etwa 16 Kilometer südlich von Pilsen liegt die Gemeinde Nebílovy. Mitten im Dorf steht ein Barockschloss, das aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die Residenz wird schrittweise restauriert. Bisher zugänglich sind die Räumlichkeiten im vorderen Gebäude sowie vier Salons im gegenüberliegenden hinteren Schlossflügel. Das erste Gemach, das im hinteren Gebäude in Stand gesetzt wurde, sei das Jagdzimmer, sagt der Kastellan von Nebílovy, Milan Fiala:

„Wir haben das Zimmer symbolisch dem königlichen Oberhofjäger Vojtěch Prokop Czernin gewidmet. Sein Portrait ist das einzige Portrait eines Czernin, das im Schloss zu sehen ist. Das Gemälde hängt zwischen Kupferstichen und Jagdtrophäen. In diesem Zimmer ist von den Originalwandmalereien nichts mehr erhalten. Die Restauratoren haben die Malereien nach ihren eigenen Vorstellungen rekonstruiert. In den weiteren Salons haben sich die Fachleute bemüht, möglichst viel der Originalmalereien zu retten.“

Aus dem Jagdzimmer geht es in den kleinen Speisesaal der Adelsfamilie Czernin. Der Saal habe sich in einem genauso schlechten Zustand befunden wie die anderen noch nicht restaurierten Salons, erzählt Milan Fiala:

Speisesaal  (Foto: Martina Schneibergová)
„Zu sehen sind hier einige Fragmente von Antonín Tuvoras Wandmalereien. Da wir über keine eigenen Möbelstücke i,m Schloss verfügen, haben wir einige Möbelstücke ausgeliehen. Sie sollen den Zweck des Saals andeuten. Vermutlich hat es hier nie einen festlichen Speisesaal gegeben. Denn Vojtěch Czernin war kein wohlhabender Aristokrat, er war Staatsbeamter. Aber kleine private Feste spielten sich in diesem Zimmer ab. Falls offizieller Besuch kam, wurde das Essen im großen Speisesaal oder im Tanzsaal serviert.“

Stillleben und Freimaurersymbole

Der Empfangssalon ist in grüner Farbe gehalten. Der Kastellan macht auf zwei großformatige Gemälde aufmerksam:

Barock-Stillleben | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
„Die beiden Gemälde sind die ältesten Barock-Stillleben in Mitteleuropa. Es sind Werke des deutschen Malers Gottfried Libalt aus den Jahren 1664 und 1666. Vermutlich waren die Bilder für den polnischen Königshof bestimmt. Wir lassen sie allmählich restaurieren.“

Der prachtvollste Raum im Schloss ist der Tanzsaal. Schon in der früheren Feste bestand in der Zeit der Renaissance ein Tanzsaal. Der heutige wurde 1792 gestaltet. Die Decken- und Wandmalereien sind Werke des Malers Antonín Tuvora. Bei der Sanierung des Salons im Jahr 1968 wurden die wertvollen Malereien abgetragen. Nach 45 Jahren kehrten sie glücklicherweise an ihren ursprünglichen Ort zurück.

„2012 wurde die Decke restauriert, 2013 die Wandmalereien. Zu sehen ist eine fiktive subtropische Landschaft mit vielen Tieren und vor allem zahlreichen Freimaurersymbolen. Czernin ließ in diesem Saal die Ideen der Aufklärung darstellen. Man findet hier nichts Dunkles und Aggressives, sondern nur reine Freude.“

Fehlende Arkadengänge

Foto: Martina Schneibergová
Das vordere und das hintere Schlossgebäude waren ursprünglich durch zwei Arkadengänge verbunden. Diese sind jedoch später eingestürzt. Einst gab es auch eine Reithalle.

„Die hiesigen Bewohner ließen die Reithalle 1975 einstürzen, mit dem Baumaterial wurde der Teich im Dorf zugeschüttet. Es bestanden hier zudem Wohnungen für die Lakaien und eine große Barockscheune. All das ist verschwunden. Wir wollen nun den Schlossgarten sanieren. Hoffentlich wird uns das Denkmalschutzamt die notwenigen finanziellen Mittel für die Sanierung und für eine weitere Restaurierung des hinteren Gebäudes gewähren. Mein großer Wunsch wäre es, auch die Arkadengänge wieder zu errichten. Sie waren ein Wahrzeichen und fehlen sehr. Heute sieht es so aus, als ob es hier zwei selbständige Schlösser gegeben hätte. Es war aber ein einziges Gebäude – wie etwa das Wiener Belvedere.“

Maison de plaisance

Tanzsaal  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Schloss zu restaurieren, sei kein Selbstzweck, betont der Kastellan. Historische Baudenkmäler sollten vielmehr auch genutzt werden.

„Im Blickpunkt stehen nicht nur Führungen durch die Residenz, sondern auch die Nutzung für Kulturveranstaltungen. Damit kehrt man zu dem zurück, wozu das Schloss einst gedient hat: Es war ein Maison de plaisance. Das ganze Jahr hindurch werden deswegen hier Konzerte, Theatervorstellungen und Ausstellungen veranstaltet. Vor allem erklingen klassizistische Musik oder Barockmusik, jedoch in historischer Aufführungspraxis. Dabei ist es nicht so einfach, etwa sieben Mal im Jahr das Publikum zu Konzerten nach Nebílovy zu bringen. Wir haben es jedoch geschafft. In diesem Jahr wird neben klassizistischen Konzerten auch das Festival ,Anima Music‘ stattfinden, bei dem im Tanzsaal Musik verschiedener Genres erklingen wird. Ende August steht zudem der Theatersommer von Nebílovy auf dem Programm, bei dem vor allem Prager Ensembles auftreten.“

Schloss Nebílovy ist von Juni bis August täglich außer montags geöffnet, und zwar von 9 bis 17 Uhr. Im Mai und im September ist es täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr zugänglich. Im April und im Oktober ist Nebílovy nur am Wochenende von 10 bis 16 Uhr geöffnet.

Nebílovy ist jedes Jahr zudem einer der Orte, an dem Konzerte der Haydn-Festspiele stattfinden. Der Komponist Joseph Haydn hatte seine erste wichtige Stelle als Musikdirektor beim Grafen Morzin im nicht weit entfernten Schloss Dolní Lukavice / Unterlukawitz.

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