Spionagezentrale im feudalen Kinderzimmer: Schloss Zbiroh im Zeitenwandel

Photo: www.czechtourism.com

Zu kommunistischer Zeit war es wahrscheinlich der am strengsten geheim gehaltene Ort: das Städtchen Zbiroh mit dem gleichnamigen Schloss. Denn im Schloss hatte die tschechoslowakische Armee damals das Ortungssystem „Tamara“ installiert, mit dessen Hilfe die Warschauer Paktstaaten die Flugzeuge der Nato-Staaten beobachteten. Das auf einem Felsen erbaute Schloss verbirgt jedoch noch viele weitere Geheimnisse.

Schloss Zbiroh  (Foto: CzechTourism)
Auf der Strecke zwischen Prag und Plzeň / Pilsen fährt man gleich an einigen Burgen und Schlössern vorbei. Etwa auf dem halben Weg zwischen Beroun / Beraun und Rokycany befindet sich rechts von der Autobahn das Städtchen Zbiroh, über dem sich ein Neorenaissanceschloss erhebt. Der einstige Adelssitz steht auf einem Felsen, der Vorkommen des Halbedelsteins Jaspis enthält. Während des Zweiten Weltkriegs beschlagnahmten die SS-Truppen das Schloss. Der Grund dafür war, wie die heutigen Schlossverwalter sagen, eben in dem Felsen zu suchen. Da die Jaspiskristalle die Radiowellen gut reflektieren, haben SS-Leute die Adligen-Familie Colloredo-Mansfeld von ihrem Sitz vertrieben. Die Nazis richteten 1943 in Zbiroh dann eine Zentrale für das Abhören von Rundfunksendungen ein. Die einzigartigen Eigenschaften des Felsens von Zbiroh nutzten später auch die Kommunisten. In der Schlossbastei haben sich tschechoslowakische Militärspione niedergelassen. In Zbiroh war das so genannte „passive“ tschechoslowakische Radarsystem Tamara installiert. Aus dem Schloss wurde damals eine Geheimzone.

Es wird erzählt, dass Václav Havel als erster demokratischer Präsident nach der Wende kurz nach seiner Wahl zum Staatsoberhaupt in den USA gefragt wurde: „Was werden Sie mit der Anlage machen, die unsere Flugzeuge beobachtet?“ Angeblich sollen weder der Staatspräsident noch seine Begleitung geahnt haben, worum es geht. Dies hat sich aber geklärt, und die Tamara-Anlage verschwand Anfang der 90er Jahre.

Jahre lang verfiel das ganze Schlossareal. Seit 2004 ist die Sehenswürdigkeit in Privathänden. Nach einer Restaurierung wurde das Schloss 2005 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, erzählt Jana Vichrová. Sie führt Touristen durch Zbiroh und kennt sich in allen seinen Gängen und Ecken aus. Im Vorsaal des Schlosses erinnert sie an die letzten adeligen Besitzer von Zbiroh:

„Jeroným Colloredo-Mansfeld, der hier abgebildet ist, war ein Korvettenkapitän. Zum Andenken an ihn sind hier einige Segelschiffmodelle ausgestellt. Die Colloredo-Mansfelds kauften im Jahr 1879 das Schloss. Dem Sohn des Kapitäns, der auch Jeroným hieß, wurde das Schloss dann 1990 zurückgegeben. Er verkaufte es 1991 jedoch dem tschechoslowakischen Staat. Bald darauf ist er gestorben.“

An der Stelle des Schlosses stand vorher eine gotische Burg. Diese wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut. Als Gründer der Burg gilt die Familie Sulislavic. Danach ging Zbiroh an das einflussreiche Geschlecht der Drslavic über, das den Großteil Westböhmens verwaltete. Jana Vichrová öffnet die Tür zum Raum im Schloss, in dem man sich mit Zbirohs Geschichte in der Gotik bekannt machen kann.

„Der Markgraf und spätere Kaiser Karl IV. kaufte 1333 die gotische Burg. Der Markgraf war damals noch jung. Sein Vater, Johannes von Luxemburg, übergab Zbiroh jedoch Petr von Rožmberk (Rosenberg) als Ersatz für die vielen Leihen. Den Rožmberks gehörte die Burg 100 Jahre lang. Die Gemeinde Zbiroh wurde unter Rožmberks zur Stadt erhoben. Im Stadtwappen ist deren rote fünfblättrige Rose in einem silbernen Feld bis heute erhalten geblieben.“

Der Raum zur Gotik enthält aber noch mehr: beispielsweise Kopien von zwei Gemälden von Meister Theodoricus, dem Hofmaler Karls IV., sowie eine Kopie der St. Wenzel-Krone. Doch der Höhepunkt der Ausstellung über die Schlossgeschichte ist die Madonna von Zbiroh. Jana Vichrová:

„Die wertvolle Plastik entstand 1390 unter den Rožmberks. Interessant daran ist, wie die Mutter Gottes steht: Die Figur erinnert mit ihrer Form an den Buchstaben S. Die Madonna stand hier in Zbiroh Jahrhunderte lang. In den 50er Jahren wurde sie aus dem Schloss entfernt, zum Glück ist sie aber nicht vollständig verschwunden. Die Plastik ist im Besitz der katholischen Kirche. Die Kirche hat die Madonna seit 2006 an das Schloss geliehen.“

Sigismund von Luxemburg
Der Sohn Karls IV., Sigismund von Luxemburg, kaufte Burg Zbiroh im Jahr 1431 von den Rožmberks. Angeblich zahlte Sigismund damals, im Spätmittelalter ziemlich viel Geld:

„Sigismund war katholisch, und es ist erstaunlich, dass die Hussiten nie versucht haben, die Burg Zbiroh zu erobern. Zudem sie ansonsten die ganze Umgebung ausgeplündert haben.“

In der Folge wechselte Zbiroh einige Mal die Besitzer. 1594 konfiszierte Kaiser Rudolf II. das Eigentum von Ladislav Popel von Lobkovicz, der in eine Verschwörung verwickelt war:

„Zu dieser Zeit wurde die gotische Burg in ein Renaissanceschloss umgebaut. Das Schloss bestand aus zwei Flügeln und es wurden darin die kaiserlichen Zimmer eingerichtet. Rudolf II. gefiel es hier sehr. Er hat Zbiroh als Jagdschloss genutzt und legte ein Wildgehege an. Auch einige der seltenen Baumarten im Schlosspark stammen aus Rudolfs Zeiten.“

Im Schloss kann man einige Gegenstände bewundern, die Rudolf benutzt hat, als er vor der Pest in die Stadt Pilsen flüchtete. Rudolf II. wohnte neben dem Pilsner Rathaus gegenüber der Bartholomäus-Kirche. Jana Vichrová:

„Dies ist ein Originalpokal, mit dem der Kaiser bei der Ankunft begrüßte wurde. Der große Pokal wurde bei der Begrüßung nur mit verdünntem Wein gefüllt. Denn es gab die Regel, dass er den Kelch austrinken musste. Aus Rudolfs Zeit stammen auch der hier ausgestellte Schmuckkasten sowie der Ritterstuhl. Ein Originalstück ist auch der Reisesessel, den Rudolf II. mit sich nahm. Der Sessel funktioniert bis heute: Er lässt sich ganz einfach zusammenklappen. Der Raum, in dem die Exponate aus der rudolfinischen Zeit zu sehen sind, ist jener Raum, aus dem die Militärspionage einst die Radaranlage Tamara bediente. Wir befinden uns als an dem Ort, der von den Warschauer Pakttruppen streng geheim gehalten wurde.“

Der Raum ist heute im Renaissancestil gestaltet und hat mehrere Verwandlungen durchgemacht. Unter den letzten adeligen Besitzern des Schlosses diente dieser Raum dem Nachwuchs. Die kommunistischen Militärspione hatten sich also im Kinderzimmer der Colloredo-Mansfeld niedergelassen.

Die Führung durch das Schloss Zbiroh werden wir in einer der nächsten Ausgaben des "Reiselands Tschechien" fortsetzen. Bewundern, jedoch nur von oben, kann man hier beispielsweise den tiefsten Brunnen Europas.

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