Schloss Štěkeň

Schloss Štěkeň (Foto: Schlossarchiv)
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Am linken Ufer des Flusses Otava, etwa zehn Kilometer östlich von der Stadt Strakonice, liegt Štěkeň. Der ehemalige Marktflecken im Böhmerwald-Vorland, der heutzutage knapp 1000 Einwohner hat, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Denn Štěkeň lag an einem Nebenzweig des alten Handelswegs, der von Böhmen nach Passau führte. Eine Dominante der Gemeinde stellt bis heute das örtliche Schloss dar.

Schloss Štěkeň  (Foto: Schlossarchiv)
Fährt man aus Strakonice mit dem Auto nach Štěkeň, dann ist von der Gemeinde zunächst nur der englische Schlosspark zu sehen. Denn das Barockschloss steht am Fuße eines Hügels. Die erste Erwähnung des Adligensitzes in Štěkeň stammt von Anfang des 14. Jahrhunderts. Damals gehörte die dortige Festung dem Edelmann Bavor von Štěkeň. Von dem einst mittelalterlichen Bau ist nur ein Mauerfragment erhalten geblieben, der im Keller des Schlosses gefunden wurde. Der Besitz Štěkeň hatte viele Herren. Nach der Schlacht am Weißen Berg wurden die Ländereien konfisziert, weil ihr Besitzer Jan Malovec von Malovice am Aufstand der böhmischen Stände gegen den Kaiser teilgenommen hatte.

Mitte des 17. Jahrhunderts erwarb Johann Anton Losy von Losinthal den Besitz. Er ließ das bis heute erhaltene Schloss erbauen. Im 18. Jahrhundert erwarb die Familie zu Windisch-Grätz das Schloss. In der Ersten Republik, genauer 1921, kaufte dann der Frauenorden des „Institutum Beatae Mariae Virginis“ das Barockareal und richtete dort eine Internatschule für Mädchen ein. Während des kommunistischen Regimes wurde der Orden wie alle anderen Kirchenorden aufgelöst und verboten. Auch die Schule in Štěkeň wurde dann geschlossen. Erst 2001 wurde das bis dahin verwilderte und teils zerstörte Schlossareal vom Staat wieder an den Orden zurückgegeben.

Mary Ward
Durch ein Tor kommt man zum Schlosseingang. Ein Gang, der mit Gemälden des Barockmalers Ignaz Raab geschmückt ist, führt an Barocksälen vorbei. Verwaltet wird das Schloss von der Ordensgemeinschaft, die 1609 von der englischen Katholikin Mary Ward gegründet wurde. Im Laufe seiner Geschichte hatte der Orden verschiedene Namen, bekannt war er hierzulande früher unter der Bezeichnung „Englische Fräulein“. Heutzutage heißt der Orden „Congregatio Jesu“. Vor der Kapelle wartet die Oberin, Terezie Vasilová:

„Ich heiße Sie willkommen in unserem Haus bei der Congregatio Jesu in Štěkeň. Das Schloss, das 1654 erbaut wurde, wechselte mehrmals den Besitzer. Die Ordensschwestern haben es 1921 gekauft und hier eine Internatschule eingerichtet. Sie unterrichteten unter anderem Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Musik sowie Geschichte.“

Foto: Martina Schneibergová
Die Tätigkeit der Internatschule, die ab den 1920er Jahren im Schloss untergebracht war, ist heutzutage in einer Ausstellung dokumentiert. Zeitgenössische Fotografien geben eine Vorstellung vom Unterricht sowie vom Freizeitprogramm der Schülerinnen. Zu den Exponaten gehört auch ein Werbe- und Infoblatt, das für die 1920 bis 1930er Jahre auf moderne Weise die Schule präsentiert. Ergänzt wird dies durch Fotos von Sportveranstaltungen, Busfahrten sowie Theatervorstellungen. Manchmal komme es noch vor, dass die ehemaligen Schülerinnen - mittlerweile Damen im fortgeschrittenen Alter - zu Besuch kommen, erzählt Terezie Vasilová:

Terezie Vasilová  (Foto: Archiv von Congregatio Jesu)
„Wir sind froh, wenn einige der hiesigen Schülerinnen zu Besuch kommen. Sie sind sehr glücklich, wenn sie hier ihre Zimmer finden, wo sie früher gewohnt haben. Sie erzählen uns viel darüber, wie es im Schloss damals ausgesehen hat. Heutzutage haben wir hier keine Schule mehr.“

Während des kommunistischen Regimes waren die Ordensschwestern von Štěkeň gezwungen, ihre Schule zu schließen. Der Schicksalsmonat sei der September 1949 gewesen, erzählt Terezie Vasilová. Das Schuljahr wurde zwar zu Anfang des Monats wie gewöhnlich eröffnet, am 19. September wurde die Internatschule aber dann geschlossen. Die führenden Vertreterinnen des Ordens wurden eingesperrt. Sogar einige der Schülerinnen wurden ins Gefängnis geschickt, allein weil sie eine Schule besuchten, die in kirchlicher Trägerschaft war. 1951 wurde im Schloss ein Altersheim untergebracht. Einige der Ordensschwestern durften dort bei der Pflege der Senioren helfen:

Foto: Martina Schneibergová
„Schwestern, die zuvor Lehrerinnen waren, arbeiteten bei den Senioren als Krankenschwestern oder Pflegerinnen. Das Altersheim war hier bis 2001. Damals wurde in Strakonice ein moderneres Seniorenheim eröffnet. Seit 2001 bemühen wir uns, möglichst viel im Schloss zu renovieren und zu reparieren. Wir bieten hier Unterkunft an, insgesamt stehen da 100 Betten zur Verfügung. Es kommen oft Familien mit Kindern oder junge Leute hierher, um da den Urlaub zu verbringen. Es werden hier beispielsweise Treffen von Musikern, oder Malkurse organisiert. In diesen Tagen haben wir hier die Schüler vom erzbischöflichen Gymnasium aus Prag mit zwei Priestern zu Besuch, die hier zu den Besinnungstagen gekommen sind.“

Heute bemühen sich die Ordensschwestern, das Schlossareal, das ihnen 2001 in einem erbärmlichen Zustand wieder zurückgegeben wurde, allmählich instand zu setzen. Das Schloss ist das ganze Jahr hindurch geöffnet. Bei den Führungen lassen sich unter anderem die Barocksäle sowie das Zimmer des Böhmerwald-Schriftstellers Karel Klostermann besichtigen, der 1923 in Štěkeň gestorben ist. Die Besichtigung des Schlosses werden wir in einer der nächsten Ausgabe des „Reiselands“ fortsetzen.

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