Rajhrad: Mährisches Literaturmuseum in der Benediktinerabtei

Kloster Rajhrad (Foto: Martina Schneibergová)

Es ist eines der ältesten Klöster in Tschechien: die Benediktinerabtei Rajhrad – deutsch Raigern. Gegründet wurde das Stift Mitte des 11. Jahrhunderts, die heute erhaltene Klosteranlage stammt aus dem 18. Jahrhundert. Während des kommunistischen Regimes wurde das Barockgebäude von der Armee genutzt, erst nach der Wende von 1989 konnte das verwüstete Kloster wieder dem Benediktinerorden zurückgegeben. Nun wird der Gebäudekomplex allmählich wieder in Stand gesetzt und seit 2005 ist in einem Teil des Klosters das Mährische Literaturmuseum untergebracht.

Kloster Rajhrad  (Foto: Martina Schneibergová)
Etwa zwölf Kilometer südlich von Brno / Brünn liegt das Städtchen Rajhrad. An seinem östlichen Stadtrand, etwa eineinhalb Kilometer vom Bahnhof entfernt, befindet sich das gleichnamige Benediktinerkloster. Schon aus der Ferne sind die Türme der St.-Peter-und-Paul-Kirche zu erkennen. Durch ein Tor gelangt man auf den Klosterhof, wo man auf den ersten Blick erkennt, welche der Barockgebäude bereits in Stand gesetzt wurden. In der Abtei leben seit dem Ende der 1990er Jahre wieder einige Benediktinermönche und in einem anderen Teil des Klosters ist seit acht Jahren das Museum der mährischen Literatur untergebracht. Vorige Woche wurde dann der südliche Flügel der Prälatur nach seiner Restaurierung für die Öffentlichkeit geöffnet. Libor Kalina leitet das Literaturmuseum in Rajhrad. Er beginnt mit der Führung in den neu gestalteten Räumlichkeiten.



Foto: Martina Schneibergová
„Wir stehen vor einer großen Luftaufnahme des Klosters. Seit dem 11. Jahrhundert wurde es mehrere Male umgebaut. Das Stift wurde am Ufer des Flusses Svratka errichtet. Das ganze Gelände war ein einziger Sumpf. Alle Gebäude hier stehen deswegen auf Pfählen. Darum gibt es hier auch keinerlei Kellerräume. Wenn daher von den Klosterkellern die Rede ist, handelt es sich um jene Keller, die in den Gutshöfen errichtet wurden, die einst zum Kloster gehörten. Diese befanden sich aber nicht auf dem Klostergelände. Es gibt allerdings auch Klosterweine aus Rajhrad. Diese werden von einer Weinbaufirma produziert, die im Städtchen Rajhrad, nicht im Kloster, ihren Sitz hat.“

Das Benediktinerkloster wurde als Ableger der Abtei Břevnov Mitte des 11. Jahrhunderts errichtet. Die heutige Klosteranlage stammt aber aus dem 18. Jahrhundert und wurde nach den Plänen des berühmten Barockarchitekten Johann Blasius Santini-Eichl erbaut.

Foto: Martina Schneibergová
„Von den ursprünglichen romanischen Bauten ist fast nichts mehr erhalten geblieben. Gleich hier um die Ecke gibt es noch zwei Säulen, die teilweise aus dem Mittelalter stammen. Wir wissen jedoch nicht genau, wie die Klosteranlage vor dem Umbau von Santini-Aichl ausgesehen hat. Es gibt leider keine gut erhaltenen älteren Abbildungen des Stiftes.“

Heutzutage leben sechs Benediktinermönche in Rajhrad, die sich um das geistliche Leben des Stiftes kümmern, erzählt Libor Kalina. Im Kloster befindet sich eine historische Bibliothek mit 18.000 Büchern, die auch zu besichtigen ist. Insgesamt umfassen die Bestände des Benediktinerklosters 65.000 Bände. Verwaltet wird die Bibliothek vom Museum der mährischen Literatur.

„Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurde im Kloster einiges restauriert. Zurzeit wird das Refektorium neu gestaltet. An den Wänden hängen hier Fotos aus dem Kloster, die den Stand vor der Restaurierung zeigen. Wir haben vor, einen Teil der noch nicht renovierten Klosterräume für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Denn schöne und saubere Barockräume kann man auch anderswo anschauen. Aber hier lässt sich erkennen, wie Barockzimmer aussehen, nachdem die Armee sie im Kommunismus als Lagerräume genutzt hat.“

Foto: Martina Schneibergová
Die Museumsmitarbeiter wollen mit Führungen durch die verwüsteten Räume auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, die Baudenkmäler zu retten.

Eine Treppe führt in die erste Etage. Im Flur sieht es aus wie auf einer verlassenen Baustelle. Der Museumsleiter:

„Jetzt kommen wir in jenen Teil des Klosters, der uns eher an eine leere Kaserne, als an Lesesäle erinnert. Wir möchten auch diese Säle für Interessenten zugänglich machen.“

Foto: Martina Schneibergová
Unter dem schmutzigen grünen Putz der Wände verbergen sich Barockmalereien und auch auf den Decken wurden Barockverzierungen übermalt. Die Flurwände sind mit roten Pfeilen bemalt und das Dach im Flur ist nicht mehr dicht: es wird gerade provisorisch repariert. Von den verunstalteten Klostersälen geht es zurück in den neu eröffneten Flügel der Abtei.

In einem dunklen Raum führt eine multimediale Ausstellung die Besucher ins Mittelalter. Ein Film zeigt die alte Geschichte, wie die Melodie, die ein Hirt gepfiffen hat, von einem Mönch auf Pergament notiert wurde. Das Pergament wurde aus der Haut eines Schafes hergestellt, das ein Wolf getötet hatte. Die Mönchfigur sitzt inmitten des Saals, neigt sich über das Pergament und schreibt.

Robert Musil
Nach dem kurzen Besuch im Mittelalter kann man sich in einem stilisierten Klostergarten entspannen, bevor man die Dauerausstellung betritt. Sie bietet eine kurze Übersicht über Schriftsteller der letzten zwei Jahrhunderte, die entweder aus Mähren stammten oder dort eine Zeitlang gelebt haben. Zu ihnen gehören auch deutschsprachige Literaten wie beispielsweise Robert Musil oder Marie von Ebner-Eschenbach. Das Museum hat vor, die Ausstellung zu ergänzen - durch eine interaktive Landkarte sowie einen audiovisuellen Teil. Das Wichtigste wird erst noch kommen. Libor Kalina:

„Dies hier ist unser Tresorraum. Hier werden unsere wertvollsten Handschriften und Erstdrucke aufbewahrt, einschließlich des ältesten Buchs, das es im Kloster gibt. Es handelt sich um das so genannte ‚Martyrologium Adonis’ über das Leben der Märtyrer. Die Handschrift entstand am Anfang des 9. Jahrhunderts. In diesem lateinischen Text findet man Anmerkungen in Kirchenslawisch. Diese sind natürlich kaum zu sehen. Es ist interessant, wie sich ein gebildeter Mensch mit dem lateinischen Text auseinandersetzte und sich am Rand Notizen in Kirchenslawisch machte.“

Ausstellung über den Dichter Vítězslav Nezval  (Foto: Martina Schneibergová)
Im Museum für mährische Literatur sind immer auch kurzfristige Ausstellungen zu sehen. So findet zurzeit im Großen Saal der Prälatur eine Ausstellung über den Dichter Vítězslav Nezval statt. Sie stellt den Poeten auch als einen begabten Maler vor. Eine weitere Ausstellung ist der fast vergessenen mährischen Schriftstellerin Amálie Vrbová gewidmet. Unter dem männlichen Pseudonym Jiří Sumín hat sie naturalistische Prosawerke verfasst.

Das Literaturmuseum im Kloster Rajhrad ist das ganze Jahr hindurch täglich außer montags geöffnet: vom Mai bis zum September von 9 bis 17 Uhr und vom Oktober bis zum April von 9 bis 16 Uhr. Die Abteikirche ist täglich von 9 bis 17 Uhr zu besichtigen.

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