Mehr als Ziel für einen Tagesausflug: Telč

Telč (Foto: Ondřej Tomšů)

Im südlichen Zipfel der Böhmisch-Mährischen Höhe liegt ein Kleinod der Renaissance-Architektur.

Telč  (Foto: Ondřej Tomšů)
Vor 25 Jahren, im Dezember 1992, wurde Telč / Teltsch mit seinem Renaissance-Schloss, seinen Renaissance- und Barock-Bürgerhäusern und einem einzigartigen Teich-System zum Unesco-Weltkulturerbe. In demselben Jahr hat Bohumil Norek als Kastellan die Verwaltung des Schlosses von Telč übernommen. Er hat das historische Baudenkmal sozusagen von seinem Vater geerbt, der zuvor ebenso Kastellan in der südwestmährischen Stadt war.

„Bedeutend ist Telč als Denkmal der Renaissance. Darum hatte sich Zacharias von Neuhaus verdient gemacht. Er ließ 1556 die gotische Burg zu einem Adelssitz im Stil der Renaissance umbauen und vereinigte so den Herrschaftssitz mit der Stadt. Eigentlich handelt es sich um eine Wasserfestung. Wenn man den hiesigen Turm besteigt, kann man von oben sehen, dass die Stadt von Teichen umgeben ist. Der Gebäudekomplex ist hier in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben. Es gab hier keine großen Eingriffe, die den Renaissance-Stil verändert hätten.“

Renaissance ohne Eingriffe

Bohumil Norek führt durch das Schloss  (Foto: Ondřej Tomšů)
Telč ist eine Kleinstadt mit 5.500 Einwohnern. Jährlich wird sie jedoch von etwa 350.000 Touristen besucht. Ein Drittel von ihnen bucht eine Führung durch das Schloss.

„Wir haben drei Führungsrouten und zudem noch weitere Ausstellungen. Den größten Wert hat die Führung A, sie zeigt die Räume aus der Renaissance. Weiter präsentieren wir die Wohnräume der letzten Besitzer, die bis 1945 hier lebten. Die Wohnung ist so erhalten geblieben, wie sie von ihnen genutzt wurde. Und drittens haben wir im vorletzten Jahr den Untergrund des Schlosses geöffnet. Dort kann man gut sehen, dass die gotische Burg auf einem Felsen erbaut wurde. Und zudem wird im Ausstellungssaal jedes Jahr eine Sonderausstellung gezeigt. Derzeit planen wir eine Erweiterung. Mit einer fünften Führungsroute wollen wir die Saison verlängern und auch im Winter Touristen hierherlocken.“

Hauptplatz in Telč  (Foto: Ondřej Tomšů)
Nicht mehr Besucher, sondern Besucher, die das ganze Jahr hindurch kommen und womöglich für längere Zeit bleiben: einen solchen Tourismus würde man sich in Telč wünschen. Roman Fabeš ist Bürgermeister der Stadt:

„Telč ist ein typisches Ziel für einen Tagesausflug. Ein großer Teil der Besucher schaut sich den Stadtring und das Schloss an, beziehungsweise nur den Stadtring. Nur etwa ein Viertel von ihnen übernachtet in der Stadt.“

Auf dem Hauptplatz, unter den typischen Laubenhäusern mit bunt bemalten Giebeln, bummeln Gruppen von Touristen aus aller Welt. Auf den Straßen hört man Tschechisch und Slowakisch, aber auch Deutsch, Französisch, Englisch und Japanisch. Eine Gruppe Besucher aus Nordrhein-Westphalen zeigt sich begeistert, doch ihre Worte bestätigen die Aussage des Bürgermeisters.

Roman Fabeš  (Foto: Ondřej Tomšů)
„Wir machen eine Studienreise mit der Volkshochschule für eine Woche. Gestern waren wir in Prag. Hier haben wir uns die Häuser angeschaut. Wir bleiben für ungefähr zwei Stunden hier.“

Nicht nur die Stadt, sondern auch die umliegende Region bemüht sich, die Touristen länger dazubehalten, betont Fabeš.

„Wir haben 2006 die sogenannte ‚Region Renaissance‘ gegründet. Daran beteiligen sich einige Städte auf der tschechischen Seite sowie die Region ‚Zukunftsraum Thayaland‘ in Österreich. Wir bieten nicht nur Telč, sondern auch weitere Mikroregionen an. Wir öffnen kleine Museen in einigen Gemeinden der Region, machen auf Skulpturen in den Dörfern aufmerksam. Wir haben zudem die Radwege ausgebaut. Es sind Kleinigkeiten, die die Besucher dazu bewegen sollten, längere Zeit bei uns zu bleiben.“

Der Bus aus Österreich kommt leer an

Bus verbindet Telč mit dem niederösterreichischen Raabs  (Foto: Archiv Jikord)
Aus dem benachbarten Österreich kommen heute allerdings nur wenige Besucher. Und das, obwohl in der Hochsaison eine Buslinie das niederösterreichische Raabs und Telč verbindet. Der Busfahrer Lubomír Jaroš fährt jedes Wochenende über die Grenze:

„Der Bus verkehrt seit 2011. Das Interesse ist aber gering. Ich nehme auch Fahrräder mit. Noch vor zwei Wochen habe ich etwa vierzehn Radfahrer befördert, aber jetzt ist es kälter geworden und es ist ganz schlecht. Aus Tschechien nach Österreich ist das Interesse etwas größer, aber die Österreicher fahren fast nicht.“

Im kommenden Jahr plant man eine Fahrplanänderung, um mehr Passagiere anzulocken. Außerdem hofft der Bürgermeister von Telč auf erhöhtes Interesse, da ein neuer grenzüberschreitender Radweg auf der österreichischen Seite fertiggebaut wurde. Wie Roman Fabeš sagt, sei die Niederösterreichische Landesausstellung 2009 ein Höhepunkt der bilateralen Zusammenarbeit gewesen:

Telč  (Foto: Mr Hyde,  Public Domain)
„Das Thema war damals der Fall des Eisernen Vorhangs. Die Ausstellungen in Horn, Raabs und Telč wurden von 400.000 Interessenten besichtigt. Damals haben 100.000 Österreicher Telč besucht. Die Vorbereitung dauerte etwa fünf Jahre, und wir haben dabei persönliche Kontakte geknüpft, die wir auch in nachfolgenden grenzüberschreitenden Projekten genutzt haben und weiter nutzen.“

Prestige und Gaststätten ohne Toiletten

Die Präsenz in der Liste des Unesco-Weltkulturerbes bringt Prestige. Sie hat aber auch ganz praktische Folgen für das Leben der Stadtbewohner sowie der Touristen. In vielen der Renaissance-Häuser auf dem Stadtring kann man in einem kleinen Café oder Restaurant einkehren. Doch nach einer Toilette würde man in den meisten davon vergeblich suchen. Stattdessen dienen öffentliche Toiletten in einer Nebenstraße den Besuchern dieser Gaststätten. Zur Errichtung der Toiletten wären nämlich Baueingriffe nötig, die in den historisch wertvollen Renaissance-Häusern einfach nicht erlaubt sind.

Festival ‚Die Ferien in Telč‘  (Foto: Archiv des Festivals)
Trotzdem ist der Stadtring nicht nur ein historisches Denkmal, sondern es spiele sich dort auch das Leben der Stadt ab, sagt Fabeš. Die bekannteste Kulturveranstaltung ist das traditionsreiche Folkmusik-Sommerfestival.

„Das Festival ‚Die Ferien in Telč‘ hat in diesem Sommer seine 35. Auflage gefeiert. Es gab Zeiten, als es von den Einwohnern sehr negativ wahrgenommen wurde. Das hat sich inzwischen geändert.“

Fabeš zufolge ist Telč eine sehr konservative Stadt. Es dauere sehr lange, bis die Leute dort eine Neuigkeit akzeptieren.

Telč  (Foto: Jan Dudík,  CC BY-SA 3.0)
„Offen gesagt, rief auch die Eintragung in die Unesco-Liste zunächst keine Begeisterung hervor. Man hatte eher Befürchtungen, etwa in Bezug auf neue Vorschriften zur Denkmalpflege und im Tourismus. Es dauerte sehr lange, bis die Leute darauf gekommen sind, dass sie vom Tourismus profitieren können.“

Zdeňka Uhlířová ist mit dem Tourismus in ihrer Stadt zufrieden. In ihrem Souvenirladen in einem Laubenhaus auf dem Stadtring verkauft sie unter anderem Keramikmodelle der typischen Bürgerhäuser von Telč:

„Wir waren einer der ersten Läden nach der Wende, die hier geöffnet wurden. Wir bieten Keramik, Natur-Kosmetik, handgemachtes Spielzeug. Also hauptsächlich tschechische Produkte. Das Interesse steigt von Jahr zu Jahr. Es kommen mehr Ausländer, aber auch mehr Tschechen.“

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