Liebe, Leiden und viel kalter Kaffee: das Schloss Duchcov und Casanova

Schloss Duchcov (Foto: Klára Stejskalová)

Der berühmt berüchtigte Verführer war er da schon längst nicht mehr. Als Giacomo Casanova an seinem Lebensabend auf das Schloss Duchcov – zu Deutsch Dux – kam, war es schon vorbei mit seinem Charme. Vom Lebemann wurde der Venezianer zum verbitterten Bibliothekar. Doch auch das Schloss selbst, in dem Casanova letztlich starb, hat in den vergangenen Jahrhunderten eine wechselvolle Geschichte durchgemacht. Ein Ausflug an den Fuß des Erzgebirges in das Schloss Duchcov.

„Leiden liegt in der menschlichen Natur; aber wir leiden nie, oder zumindest sehr selten, ohne die Hoffnung auf Heilung zu nähren; und die Hoffnung selbst ist eine Freude.“

Casanova-Büste  (Foto: Klára Stejskalová)
Diese Worte aus seinen Memoiren dürfte sich Giacomo Girolamo Casanova in seinen letzten Tagen gut überlegt haben. Denn leicht hatte es der italienische Lebemann, Diplomat, Hochstapler, Priester und Verführer nicht auf Schloss Duchcov am Fuße des Erzgebirges. Kastellan Marián Hochel weiß, wie wenig sich Casanova und die Angestellten des dortigen Grafen Wallenstein leiden konnten:

„Es soll tatsächlich ziemliche Probleme bei der Kommunikation gegeben haben. Das lag unter anderem am überheblichen Benehmen Casanovas. Das Personal auf dem Schloss machte ihm dann auch bald deutlich, wie wenig es Casanova mochte.“

Wie das genau ausgesehen haben könnte, beschreibt unter anderem der belgische Fürst Charles Joseph de Ligne. Er war in jener Zeit ein enger Freund des Grafen Wallenstein und hat seine Erinnerungen an den venezianischen Kavalier zu Papier gebracht, Zitat:

Heiße Suppe, kalter Kaffee und ein Haufen Exkremente

Marián Hochel  (Foto: Klára Stejskalová)
„Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht über seinen Kaffee, seine Milch oder den Teller Makkaroni beschwerte, den er täglich verlangte. (…) Der Graf hatte ihm nicht als erster ‚Guten Morgen‘ gewünscht. Die Suppe war ihm absichtlich zu heiß serviert worden. Ein Diener hatte ihn auf ein Getränk warten lassen. Er war einem berühmten Besucher nicht vorgestellt worden.“

Natürlich sei aber alles viel schlimmer gewesen und nicht bei der zu heißen Suppe geblieben, so Kastellan Marián Hochel:

„Es ist hier noch zu weiteren unangenehmen Situationen gekommen. Beispielsweise hat ein damaliger Schlossverwalter ein Bild von Casanova gemalt. Er hat es dann aber mit seinen Exkrementen beschmiert und auf dem Hauptlatz von Duchcov ausgestellt. Casanova ist so zum Gespött der Stadtbewohner geworden.“

Bibliothek  (Foto: Klára Stejskalová)
1785 kam der Venezianer nach Duchcov und sollte 13 Jahre lang bis zu seinem Tod dort verweilen. Eingeladen wurde er vom damaligen Schlossherren Graf Joseph Karl von Wallenstein, um die gräfliche Bibliothek zu leiten. Trotz all der unangenehmen Ereignisse wollte Giacomo Casanova Böhmen aber nicht den Rücken kehren, wie Marián Hochl erzählt:

„Ursprünglich wollte Casanova ja weg und hat es auch versucht. Dennoch ist er immer wieder zurückgekommen. Das lag vor allem an der finanziellen Sicherheit, die ihm der Dienst beim Grafen Wallenstein bot. Gerade das hatte Casanova ja eigentlich gesucht bei seinen ganzen Reisen durch Europa. Außerdem konnte er sich hier ganz seinem literarischen Schaffen und der Literatur widmen. Und das nicht nur als Bibliothekar, da die Katalogisierung der umfangreichen gräflichen Sammlung eine seiner Hauptaufgaben war. Angeblich sollte er die Geschichte Albrecht von Wallenstein zusammenschreiben, was er aber während seines ganzen Aufenthaltes nicht schaffte. Was er aber hinbekam, war die Verschriftlichung der eigenen Memoiren. Das gesamte Mammutwerk, wie wir es heute kennen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf Schloss Duchcov entstanden.“

Zwei Wüstlinge in Böhmen und die Entstehung des Don Giovanni

„Die Liebe besteht zu drei Viertel aus Neugier.“

Schloss Duchcov  (Foto: Klára Stejskalová)
Von Schloss Duchcov aus kam Casanova oft nach Prag. Dort traf er schließlich auf ein weiteres geniales Enfant terrible jener Zeit: Wolfgang Amadeus Mozart. Und das Ergebnis, natürlich mit etwas Unterstützung des Librettisten Lorenzo da Ponte, war eines der bedeutendsten Werke der Musikgeschichte. Der Kavalier selbst konnte es jedoch nicht sonderlich leiden:

„Es heißt, dass da Ponte im Don Giovanni die Lebensgeschichte Casanovas eingefangen hätte. Also den Don Juan, Bohème und Liebhaber der Frauen, der Casanova ja eindeutig war. Das Problem ist nur, dass Pontes Geschichte tragisch endet, was Casanova ganz und gar nicht gefallen hat. Der Kavalier bekam eine Einladung zu der Premiere in das Prager Ständetheater und ist auch gekommen. Danach war er aber angeekelt vom Abschluss der Oper.“

800 Jahre Duchcov: Mehr als nur Casanova

Schlossgalerie  (Foto: Klára Stejskalová)
Ein Rundgang mit dem Touristenführer Petr zeigt die bewegte Geschichte des Schlosses Duchcov. Und, dass der Herrschaftssitz mehr zu bieten hat als nur Casanova:

„Gesichert ist, dass im Jahre 1895 in der Schlossgalerie unglaubliche 442 Bilder ausgestellt waren. Darunter waren Werke der Meister Eyck, Vermeer, Rubens oder Rembrandt van Rijn. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die gesamte Sammlung vom tschechoslowakischen Staat beschlagnahmt. 100 Gemälde übernahm die Nationalgalerie in Prag, einige endeten im Schloss Sychrov, und von weiteren fehlt heute jede Spur.“

Rundgänge im Schloss Duchcov

- Wallenstein– stellt das Geschlecht Wallenstein vor als bedeutende Kunstsammler und -förderer.

- Casanova auf Schloss Duchcov– hier erfahren Sie alles über die letzten Lebensjahre von Giacomo Casanova

Eintritt: 80 CZK (3 Euro) Erwachsene / 60 CZK (2,30 Euro) Kinder; für die Führung in einer anderen Sprache als Tschechisch 160 CZK (6 Euro)/ 80 CZK (3 Euro)

Entfernung von Prag, bzw. Dresden: ca. 100 km, bzw. ca. 72 km

Erbaut wurde Duchcov vor rund 800 Jahren. Seine Blüte erlebte der Sitz der Grafen Wallenstein ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Das Schloss erhielt eine neue barocke Gestalt, und neben den Herrschern jener Zeit waren dort auch Goethe und Schiller zu Gast, genauso wie später Beethoven und Chopin. Die Schicksalsjahre des Schlosses kamen aber schließlich im 20 Jahrhundert, wie Kastellan Hochl erklärt:

„Das Geschlecht Wallenstein hat das Schloss nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik verlassen. 1921 verkaufte die Familie ihre Besitzungen in Duchcov, Litvínov und weitere Ländereien in Nordböhmen an den Staat. Danach wurde das Schloss Duchcov zum Sitz von zahlreichen Behörden und Institutionen: vom Kreisnationalausschuss bis hin zu Sozialeinrichtungen wie einer Schule und einem Altenheim. Leider ist das Interieur durch die vielen Veränderungen stark in Mitleidenschaft gezogen worden.“

Heute ist der barocke Herrschaftssitz ein Museum, das vor allem bekannt ist für seine umfangreiche Sammlung historischer Möbel. Aber immer noch sind hier 131 wertvolle Gemälde zu sehen, darunter das manieristische Juwel „Venus und Adonis“ von Bartholomäus Spranger. Er hatte es seinerzeit für Kaiser Rudolf II. persönlich gemalt.

Seidene Rosen und der letzte Atemzug Casanovas

Giacomo Girolamo Casanova (2. April 1725, Venedig – 4. Juni 1798, Duchcov) war ein italienischer Schriftsteller, Spion und Diplomat. Casanova hat ein vielseitiges literarisches Werk hinterlassen. Aufgrund seines bedeutendsten autobiographischen Werks, „Geschichte meines Lebens (Storia della mia vita)“ ist sein Name zum Synonym für den Begriff des Verführers geworden. Casanova beschreibt darin seine zahlreichen Liebesabenteuer.

„Allmächtiger Gott und Ihr Zeugen meines Todes, ich habe als Philosoph gelebt und sterbe als Christ.“

Diese Worte hat Giacomo Casanova am 4. Juni 1798 im wohl wichtigsten Ausstellungsstück des Schlosses Duchcov ausgesprochen. Es ist ein Sessel mit hellem Rosenmuster:

„Das ist der Sessel, in dem Casanova seinen letzten Atemzug tat. Er starb in den frühen Morgenstunden im Beisein des Grafen Wallenstein und des damaligen Fürsten von Teplitz. Gerade dieser war in letzten Jahren einer der engsten Freunde Casanovas geworden. Der Sessel wurde als ‚Casanovas Sterbesessel‘ schon im 19. Jahrhundert in den Besitzungen des Geschlechts Wallenstein ausgestellt.“

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