Keine Langeweile bei den Rosenbergern: Schloss Kratochvíle

Foto: Barbora Kmentová

Zwei Kilometer nordwestlich von der südböhmischen Stadt Netolice liegt Kratochvíle. Das Renaissanceschloss, das der Oberste Burggraf von Böhmen Vilém z Rožmberka im 16. Jahrhundert erbauen ließ, wurde vor kurzem renoviert.

Foto: Barbora Kmentová
Von der Straße, die aus Netolice nach Husinec führt, ist ein verziertes Tor gut zu sehen. Durch das Tor kommt man in einen Park, in deren Mitte eine Renaissancevilla steht. Im 15. Jahrhundert stand da aber nur ein Bauernhof Namens Leptáč. Er gehörte zuerst dem Stift Zlatá Koruna / Goldenkron und später den Rosenbergs. Vilém z Rožmberka (Wilhelm von Rosenberg) begann 1583 anstelle dieses Hofs ein Sommerschloss zu bauen. Es sollte ein Haus sein, in dem man sich nicht langweilt. Darum wurde es Kratochvíle - zu Deutsch Kurzweil - genannt. Denn lange Weile heißt auf Tschechisch „dlouhá chvíle“ und „krátká chvíle“ ist das Gegenteil davon. Wilhelm hat sich mit diesem Haus seinen Jugendtraum erfüllt, erzählt Vojtěch Troup, der Kastellan des Schlosses Kratochvíle:

„In seiner Jugend besuchte Vilém Italien und bewunderte dort die herrlich geschmückten Paläste. Seitdem wünschte er sich, eine derartige Residenz in Böhmen zu bauen. In den 1580er Jahren lud er den italienischen Baumeister Baldassare Maggi aus Arogno nach Südböhmen und beauftragte ihn mit dem Bau eines Sommerschlosses im Renaissancestil. Die Einzigartigkeit von Kratochvíle besteht darin, dass es die einzige italienische Renaissancevilla in Böhmen ist. Es gibt kein konkretes Vorbild, nach dem sie erbaut wurde. Aber derartige Renaissancevillen gibt es in den Gärten Norditaliens.“

Foto: Barbora Kmentová
Das Gelände, auf dem die Villa erbaut wurde, war sehr sumpfig und für den Bau nicht geeignet. Es war darum notwendig, das Gelände zuerst mit Pfählen zu festigen, erzählt der Kastellan und öffnet die Tür des Hauptgebäudes:

„Wir befinden uns im Eintrittssaal dieses herrlichen Hauses. Kratochvíle diente als Jagdschloss. In der Umgebung wurde das größte Jagdgehege in Böhmen eingerichtet. Der Besucher kann beim Betreten der Villa die Wandmalereien bewundern. Es handelt sich um Illustrationen zu zwei Büchern, die Viléms sehr mochte – dem Jagd- und dem Tierbuch.“

Aus dem Saal geht es weiter in zwei Räume im östlichen Teil des Erdgeschosses. In diesen Räumen wohnte der Kämmerer der Rosenbergs, Johan Hagen aus Schwarzbach.

„Er war hoher Beamter, dessen Aufgabe es unter anderem war, das Schloss auf die Ankunft der Besucher vorzubereiten. Ein Raum diente dem Kämmerer als Schlafzimmer, nebenan hatte er sein Arbeitszimmer.“

Foto: Barbora Kmentová
Von den Originalmöbeln, mit denen das Schloss einst eingerichtet war, ist nichts mehr erhalten geblieben. In den 1980er Jahren wurde in Kratochvíle eine Dauerausstellung über den tschechischen Trickfilm untergebracht. Zu der Zeit wurden alle Möbel ausgeräumt, wie der Kastellan berichtet. Als dann entschieden wurde, dass in der Villa wieder Renaissanceinterieur stehen soll, haben die Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörde entsprechende Möbel ausgeliehen und die Villa neu eingerichtet. Aus dem mit Renaissancewaffen geschmückten Jagdsalon geht es weiter in ein prunkvolles Zimmer.

„Dieses Schlafzimmer gehörte Johann Zrinsky von Seryn. Er war Neffe der beiden letzten Rosenbergs – Wilhelm von Rosenberg und Peter Wok (Petr Vok) von Rosenberg – und Sohn ihrer Schwester Eva von Rosenberg. Als Johann zwei Jahre alt war, starb sein Vater bei der Verteidigung von Sziget gegen die Türken. Die Erzählungen über das Heldenleben des Vaters haben Johann Zrinsky geprägt. Er wurde auf dem Schloss Bechyně bei seinem Onkel Peter Wok erzogen. Wenn die Herren von Rosenberg nach Kratochvíle reisten, war Johann Zrinsky fast immer dabei.“

Foto: Barbora Kmentová
Bei der Führung durch die Renaissanceräume hat man den Eindruck, dass die Herren von Rosenberg das Schloss gerade verlassen hätten. Vojtěch Troup war da, als das Schloss wieder im Renaissancestil eingerichtet wurde. Hat man gewusst, wie das Interieur der Villa unter den Rosenbergern ausgesehen hat?

„Wir haben damals ein wichtiges Dokument gefunden, das uns sehr geholfen hat, ein Inventurverzeichnis von Kratochvíle aus dem Jahr 1601. Wir haben ungefähr gewusst, welche Möbel sich in welchem Zimmer befunden haben. Anhand dieser Liste suchten wir nach Gegenständen, um die Raumausstattung möglichst authentisch zu gestalten. Wir haben zuerst auch andere Archivmaterialien gesichtet, die nicht direkt Kratochvíle betrafen. Es ging uns um die damaligen Möglichkeiten der Gestaltung des Interieurs sowie darum, wie die einzelnen Räumlichkeiten damals genutzt wurden.“

Eine Wendeltreppe verbindet das Erdgeschoss mit der ersten Etage. Diese Treppe ist ein Originalstück, das in Kratochvíle erhalten geblieben ist.

Foto: Barbora Kmentová
„Die Treppe musste inzwischen natürlich auseinandergenommen und repariert werden, die Reparatur ist ganz gut gelungen. Die Treppe führt zu den Räumlichkeiten, wo die Schlossbesitzer untergebracht waren. Im ersten kleineren Raum hatte Peter Wok sein Arbeitszimmer. Wir wollten hier an die vielen Interessen erinnern, die er hatte. Er war ein hoch gebildeter Mann, beherrschte mehrere Sprachen und kannte sich in vielen wissenschaftlichen Disziplinen aus. Er war ein passionierter Sammler und Leser. Peter Wok hat eine für die damalige Zeit sehr große Privatbibliothek. Er war zweifelsohne eine der interessantesten Persönlichkeiten der Renaissancezeit in Böhmen.“

Die Bibliothek, die Peter Wok von Rosenberg mit seinem Bruder Wilhelm gründete, umfasste zahlreiche wertvolle Handschriften. Mit rund 11.000 Bänden war es eine der größten Adelsbibliotheken ihrer Zeit. Viel größer als Woks Arbeitszimmer ist sein prunkvoll eingerichtetes Zimmer in Kratochvíle.

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„Alle Gegenstände, die hier zu sehen sind, stammen aus dem 16. oder vom Afang des 17. Jahrhunderts. Ein herrliches Originalstück ist das Schildpatt-Kabinett, das mit Perlmutt und Spiegeln geschmückt ist. In diesem Zimmer beginnt der Zyklus der für Kratochvíle typischen Stuckverzierungen. Mit der Ausschmückung der Räume wurde der italienische Stuckateur Antonio Melana beauftragt. Er bekam die Aufgabe, Illustrationen zur Geschichte Roms von Titus Livius in Kratochvíle zu gestalten. Man findet hier eine Menge von Geschichten, einschließlich der Gründung Roms.“

Die Führung durch Kratochvíle werden wir in einer der nächsten Ausgaben des „Reiselands Tschechien“ fortsetzen. Schloss Kratochvíle ist von Mai bis September täglich, außer montags, geöffnet. Im April und im Oktober ist das Schloss nur am Wochenende zugänglich. Mehr über Öffnungszeiten und Veranstaltungen in Kratochvíle finden Sie unter www.zamek-kratochvile.eu.

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