Am Fluss Otava wird der Namenstag begangen: Stadt Horažďovice

Horažďovice

Die Stadt am Fluss Otava hat ein wenig Pech: Viele kennen sie als einen Eisenbahnknotenpunkt, viele reisen mit dem Auto durch die Stadt Richtung Böhmerwald. In Horažďovice, das heute etwa 6.000 Einwohner hat, gibt es aber mehrere sehenswerte historische Baudenkmäler.

Horažďovice
Die Hauptstraße nach Klatovy / Klattau führt vorbei an einem Renaissanceturm. Viel mehr ist von dem Schloss aus der Ferne auch nicht zu sehen. Umso angenehmer wird der Tourist überrascht, der in Horažďovice anhält und vom Marktplatz nach rechts abbiegt und den Schlosshof betritt. Einige Treppen führen in die erste Etage, wo sich das Stadtmuseum befindet. Es ist zwar nicht üblich, dass eine Stadt ihren Namenstag feiert, aber in Horažďovice ist eben das der Fall. Auf dem Weg zum Schloss sah ich einige Plakate, die den Namenstag der Stadt ankündigen. Dazu Museumsleiterin Hana Smetanová:

„Der Namenstag der Stadt wird hier jedes Jahr gefeiert. Denn Horažďovice wurde aller Wahrscheinlichkeit nach vom Namen des heiligen Gorazd abgeleitet. Dieser Glaubenslehrer soll eine kleine Kirche in Prácheň erbaut haben. Leider müssen wir ´vielleicht´ und ´wahrscheinlich´ sagen, weil wir nicht über genaue Daten und Beweise verfügen. Gorazds Nachfolger gründeten hier eine Siedlung. Ursprünglich hieß die Stadt Gorazdějovice. Darum feiern wir Ende Juli den Namenstag.“

Der heilige Gorazd lebte in dieser Gegend an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert. Wann die Stadt genau gegründet wurde, weiß man nicht. Gründer war jedenfalls die Adeligenfamilie Bavor aus Strakonice. Es steht fest, dass die Gemeinde 1292 von König Wenzel II. zur Stadt erhoben wurde. Die Bavors ließen eine Stadtbefestigung sowie eine Kirche erbauen und gründeten im Ort eine Kommende des Malteser Ritterordens, der zuvor schon in Strakonice ansässig war. Zudem ließ die Familie eine gotische Festung errichten, die später in eine Burg umgebaut wurde. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Burg in ein Renaissanceschloss umgebaut. Damals gehörte Horažďovice dem Adeligengeschlecht Švihovský aus Rýzmberk (Riesenberg).

Der schönste Saal des Schlosses, in dem heutzutage das Stadtmuseum untergebracht ist, ist der große Freskensaal. Der prunkvolle Raum entstand während des Barockumbaus im 17. Jahrhundert, als Horažďovice schon den Sternbergs gehörte. Der Freskensaal ist aus einigen Gründen interessant, sagt die Museumsleiterin:

„Der Saal ist mit Wandmalereien geschmückt, die Kriegszenen darstellen. Es handelt sich aber um andere Kriegsbilder, als man gewöhnlich in den Schlössern oder Galerien bewundern kann. Die Decke ist mit einem großen Fresko verziert, das Momente aus der Schlacht bei Vyšehrad von 1420 darstellt. In der Schlacht besiegten die Hussiten das Heer von Kaiser Sigismund. Auf der Seite des Kaisers hatten damals auch Vorfahren der Sternbergs gekämpft. Das Bild entstand zum Andenken an die gefallenen Sternbergs. Wenn man hinaufschaut, kann man einige Tote mit Sternbergs Wappen in der Menschenmenge finden.“

Die Decke ist einzigartig, sie hat die Form eines umgekehrten Schiffs und der Putz, auf den das Kriegsfresko gemalt wurde, ist nur fünf Zentimeter dick. Unter der Decke gibt es halbkreisförmige Bilder einiger südböhmischer Städte, so genannte Veduten:

„An den Veduten ist bemerkenswert, dass sie aus einer Zeit stammen, in der alle diese Städte noch Stadtmauern hatten. Die Wandmalereien entstanden während des Kriegs, den Maria Theresia mit den Franzosen führte. Die Franzosen haben damals beim Dorf Zahájí zum ersten Mal eine Schlacht verloren. Darum ist dieser Ort, der unweit von Budweis liegt, auch hier dargestellt. Zudem kann man hier Tábor, Hluboká, Budweis und Písek erkennen. Horažďovice gehört auch dazu, der Stadtkern ist hier sehr schön zu sehen.“

Genauso wie die Decke sind auch die Wände des Freskensaals mit Kriegsszenen geschmückt. Es fällt auf, dass es sich bei den Bildern nicht um Huldigungen an irgendwelche Generäle handelt, sondern viel mehr um Momente aus dem Alltagsleben einfacher Soldaten. Die Museumsleiterin:

„Hier sieht man beispielsweise, wie die toten Soldaten beraubt wurden. Da wird eine Feldmesse gelesen. Bei Hungersnot mussten man Pferde schlachten – dies ist ein beeindruckendes Bild. Marketenderinnen dürfen bei diesen Szenen aus dem Soldatenleben auch nicht fehlen. Wer der Maler war, das wissen wir nicht.“

In dem Freskensaal werden oft Konzerte veranstaltet. Hier gilt also nicht die Regel: „inter arma silent musae“ – „wenn die Waffen sprechen, schweigen die Musen“. Aus dem Konzertsaal geht es weiter in die Schlosskapelle. Der Sakralraum wirkt nicht gerade groß. Dies hat jedoch einen guten Grund:

„Beim Umbau des Schlosses in der Barockzeit wurde die Kapelle in den ursprünglichen gotischen Turm hineingebaut. Die ursprünglichen Barockmöbel stammen aus dem Jahr 1691 – dazu gehören sowohl die Bänke, als auch die Seitenschränke. Der schwarz-goldene Altar entstand teilweise erst später. Die Holzplastiken waren früher im Roten Stadttor platziert. Sowohl die Deckenmalerei in der Kapelle, als auch der ganze Freskensaal wurden vor vier Jahren restauriert.“

Im Stadtmuseum kann man zudem einige ständige Ausstellungen besichtigen: über die Volkskunst aus der Region von Horažďovice, über die archäologischen Ausgrabungen, über die Kriegsgeschichte sowie über die Perlenmuschel, die noch vor etwa 60 Jahren im Fluss Otava gezüchtet wurden. Ein selbständiger Raum ist der Geschichte der jüdischen Bevölkerung dem Städtchen gewidmet. Und nicht zuletzt wurde vor kurzem eine interaktive Werkstatt im Schloss eröffnet. Dort können die Besucher ihr Können im Holzschnitzen, Weben, Spinnen oder Spitzenklöppeln testen. Die Werkstatt ist genauso eingerichtet, wie es vor etwa einem Jahrhundert in den Böhmerwälder Haushalten der Fall war. Durch die Sammlungen des Museums führen wir Sie aber erst in der nächsten Ausgabe des Reiselands Tschechien.

Fotos: Autorin

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