Zeman empfiehlt Entschädigung für Krim

Miloš Zeman (Mitte). Foto: ČTK

Miloš Zeman hat mit seiner Rede vor dem Europarat für Aufregung gesorgt. Proteste kamen aus Kiew, aber auch aus Prag.

Miloš Zeman  (Mitte). Foto: ČTK
Eigentlich wollte der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman am Dienstag mit einer Friedensbotschaft vor die Parlamentarische Versammlung des Europarates treten:

„Statt Sanktionen gegen Russland empfehle ich den Dialog zwischen den Bürgern auf allen Ebenen. Ich spreche aus meiner Erfahrung aus den Zeiten des Totalitarismus, da hatten die Kommunisten wahnsinnige Angst vor der sogenannten ideologischen Diversion. Sie hatten Angst davor, dass normale Menschen von beiden Seiten diskutieren und ihre Ansichten austauschen.“

Russland sei historisch, politisch und kulturell nun einmal ein Teil Europas, so Miloš Zeman mit Verweis auf Dostojewski und Tschaikowski. Zudem erinnerte Zeman an den französischen Präsidenten Charles de Gaulle, der die Vision eines einigen Europa vom Atlantik bis zum Ural hatte, wenn nicht sogar bis zum Pazifik. Man müsse auf den Dialog setzen anstatt auf für alle Seiten schädliche Sanktionen. Sie seien schlicht unwirksam, so der Präsident.

Krim | Foto: Roman Kondratjew  (RomWeb),  Foter.com,  CC BY-NC-ND
Doch schnell schlug die Stimmung um im Straßburger Plenarsaal, vor allem nach folgendem Vorschlag Zemans in der Frage nach dem Status der Krim:

„Möglich wäre eine Entschädigung Russlands an die Ukraine für die Krim. Das könnte per Geldzahlung oder in Rohstoffen erfolgen. Ich denke da vor allem an Öl oder Gas.“

Die Annexion der Krim durch Russland muss man laut Zeman als vollendete Tatsache ansehen. Zudem warnte er vor doppelten Standards im Europäischen Haus, Stichwort Kosovo.

Protest aus Kiew

Wolodymyr Ariew  (Foto: ВО Свобода,  CC BY 3.0)
Spätestens bei der Idee der Entschädigungen für die Krim an Kiew platzte der ukrainischen Delegation der Kragen, und sie verließ den Raum. Der ukrainische Botschafter beim Europarat, Wolodymyr Ariew, sagte anschließend gegenüber dem Tschechischen Fernsehen:

„Es ist eine Schande, dass der Präsident eines Landes, das in den 1960er Jahren so unter der Sowjet-Okkupation gelitten hat, sich so respektlos über die territoriale Integrität der Ukraine äußert. Jetzt ist es unser Land, das unter der Russischen Föderation leidet.“

Zeman sei eine Art Anti-Havel, hieß es weiter von ukrainischen Diplomaten. Sie spielten dabei darauf an, dass der ehemalige tschechische Präsident Václav Havel der Namensgeber des wichtigsten Menschenrechtspreises des Europarates ist.

Nicht vereinbar mit offizieller Außenpolitik

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Protest kam ebenso aus dem ukrainischen Außenministerium. Zemans Vorschlag sei nicht nur ein Versuch, vor dem Aggressor in die Knie zu gehen, sondern auch mit einem „Verkauf“ ukrainischen Gebietes die Annexion der Krim zu legitimieren, hieß es aus Kiew Die Ukraine würde nie mit ihrem Gebiet, ihren Werten oder ihrer Freiheit Handel treiben.

Doch nicht nur von ukrainischer Seite hagelte es Kritik an den Ausführungen Zemans. Auch in Prag war man alles andere als glücklich über die Visionen des eigenen Präsidenten. Quer durch die politischen Lager war vor allem ein Begriff in den Kommentaren zu hören – und zwar: Schande. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) twitterte im Anschluss an die Sitzung, Zitat:

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
„Zemans Rede vor dem Europarat steht im scharfen Gegensatz zu unserer Außenpolitik, und der Präsident hatte dazu kein Mandat.“

Auch der tschechische Chefdiplomat Lubomír Zaorálek betonte die Unvereinbarkeit von Zemans Worten mit den Prioritäten Tschechiens. Die Krim und der Donbass könnten Tschechien nicht gleichgültig sein, so der Sozialdemokrat. Und Zum Eingriff in die Grenzziehung von Staaten und dem Bruch von internationalen Vereinbarungen könne Prag nicht schweigen.

Landwirtschaftsminister und Christdemokraten-Vize Marian Jurečka verwies in seiner Reaktion auf die tschechische Geschichte. Auf Twitter schrieb er, Zitat:

„Eine Kompensation für die Krim? Wie kann das unser Präsident bei unserer Geschichte überhaupt sagen! International anerkannte Grenzen sind unantastbar.“

Vojtěch Filip  (Foto: Luboš Vedral,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Auf Druck der Christdemokraten wird sich in absehbarer Zeit auch der tschechische Senat mit den Aussagen Zemans beschäftigen.

Realitäten anerkennen

Doch Miloš Zeman erhielt auch Lob für seine Rede in Straßburg, und das nicht nur aus Moskau. So schrieb der tschechische Kommunistenchef Vojtěch Filip in einer Verlautbarung für die Presseagentur ČTK, dass man die gegebenen Realitäten anerkennen sollte – je früher desto besser. So könne man in Zukunft Chaos in Europa vermeiden.

Bei Zemans Auftritt waren jedoch nicht nur die Russland-Sanktionen ein Thema, sondern auch die Flüchtlingskrise und die Migration. Die Rede am Dienstag war der insgesamt zweite Auftritt Miloš Zemans vor dem Europarat in Straßburg. Das erste Mal hat der derzeitige Präsident 1999 noch als tschechischer Premier vor der Institution gesprochen. Das bisher letzte tschechische Staatsoberhaupt, das vor dem Europarat geredet hatte, war Václav Havel 1995.