Zeitzeuge schon mit 25 Jahren

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Das Wort Zeitzeuge hört sich nach einem Menschen aus einer älteren Generation an, der schon vieles erlebt hat. Nur selten würden wir Zeitzeugen in der jüngsten Generation suchen. Aber gerade dies versuchte das Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und die Robert-Bosch-Stiftung am vergangenen Wochenende in Pilsen, denn unter der Schirmherrschaft von diesen beiden Organisationen fand ein Seminar für Jugendliche statt. Das Thema: Miterlebte Geschichte - DDR-Realität und Wende im deutschen Jugendfilm. Bara Prochazkova berichtet.

Erinnerungen an die eigene Kindheit vor 1989 und während des politischen Umbruchs in Europa - man findet zu diesem Thema kaum bessere Zeitzeugen als die jungen Menschen von heute. 23 junge Tschechen, Deutsche und Österreicher haben sich damit beschäftigt, wie sie selber die 80er Jahre und die nachfolgenden politischen Veränderungen erlebt haben. Sozialismus ist nicht gleich Sozialismus, haben die Teilnehmer gleich am Anfang erfahren. Denn das System in der DDR war wesentlich strenger als in der damaligen Tschechoslowakei und, wie sich die ostdeutschen Teilnehmer erinnern, war es nahezu Pflicht, in einer der Jugendorganisationen tätig zu sein. Dagegen spürte man in der Tschechoslowakei der 80er Jahre schon eine gewisse Auflockerung, erinnert sich die Organisatorin der Seminars Alzbeta Mattasova. Auch die Wende habe man anders erlebt, sagte Mattasova:

"Die Westdeutsche hatten alle Informationen und haben alles gewusst. Die Teilnehmer aus der ehemaligen DDR haben erwähnt, dass sie eigentlich gar nicht wussten, wie es genau ist und vor allem was wird. Sie haben in einer gewissen Ungewissheit erlebt. In der Tschechischen Republik war es alles anders, weil wir damals nicht zwei unterschiedliche Staaten waren, wie es in Deutschland der Fall war."

Die Impulse für eine Diskussion waren die beiden deutschen Filme "Good bye Lenin" und "Sonnenallee". Es konnten keine tschechischen Filme gezeigt werden, denn es gebe keine entsprechende filmische Aufarbeitung des Lebens der Jugendlichen vor und während der Wende, sagte die ifa-Kulturassistentin aus Prag, Alzbeta Mattasova. Die Ostalgiewelle gibt es in Tschechien nicht in dem Maße, das man aus Deutschland kennt. Der Grund dafür: In Tschechien beziehungsweise in der Tschechoslowakei wurden die Leute mit dem Zusammenstoß von Ost und West nicht so stark konfrontiert, so wie es in den alten und neuen Bundesländern der Fall gewesen sei, sagte Mattasova. Trotzdem denken die tschechischen Jugendlichen mit einer besonderen Sentimentalität zurück, fügte Mattasova hinzu:

"Ja, eigentlich schon! Alle erinnern sich gerne an die Kinderjahre. Und das an sich ist schon ostalgisch. Es gab andere Produkte, das System war anders, die Schule war anders als jetzt. Wir haben auch nach Produkten gesucht, die ostalgisch sind. Wir denken, dass es auf jeden Fall die Limonade Kofola ist, die auf der Ostlgie-Welle schwimmt. Dann haben wir vielleicht gedacht, dass der Roman ´Bajecna leta pod psa´, zu Deutsch ´Blendende Jahre für Hunde´ von Michael Viewegh ein bisschen ostalgisch ist."

Nicht nur vor 15 Jahren, sondern auch noch heute gibt es nach der Meinung der Teilnehmer Unterschiede zwischen den Jugendlichen auf beiden Seiten, also im ehemaligen Osten und Westen, fasste Alzbeta Mattasova die Ergebnisse des Seminars zusammen:

"Vor allem die Teilnehmer aus Westdeutschland und zwei Teilnehmerinnen aus Österreich haben sich geäußert, dass sie der Meinung sind, dass sich junge Leute in Tschechien ein bisschen kapitalistisch benehmen. Sie streben nach Erfolg. In Deutschland ist ihrer Meinung nach die Jugend ein bisschen lässiger, vor allem auch im Hinblick darauf, was die Zukunft angeht."