Zehntausend Mitglieder der Turnbewegung Sokol feiern „slet“ in Prag

Photo: Miloš Turek

Noch bis zu diesem Freitag kann man in Prag ein recht farbenfrohes und buchstäblich bewegtes Treiben beobachten: das 15. gesamtstaatliche Treffen der tschechischen Turnbewegung Sokol. Aus diesem Grund weilen derzeit über 10.000 Sokol-Mitglieder aus aller Welt in der tschechischen Hauptstadt. Mit den öffentlichen Massenübungen verbunden, die am Donnerstag und Freitag in der Prager Synot Tip-Arena stattfinden, erlebt das Turnfest (slet) seinen Höhepunkt.

Sehr ausgelassen und fröhlich ging es zu, als die über 10.000 „Falken“, so die deutsche Übersetzung für das Wort Sokol, am vergangenen Sonntag mit einem festlichen Umzug durch die Prager Innenstadt ihr 15. Turnertreffen eröffneten. Aus Bulgarien, Deutschland, Polen, Russland, Schweden, der Schweiz oder den Vereinigten Staaten – von überall aus der Welt sind Auslandstschechen nach Prag gekommen, die die Tradition des Turnvereins Sokol auch in ihren jetzigen Heimatländern hochhalten. Auch aus der benachbarten Slowakei kommen viele Teilnehmer:

Slowakische Sokol-Mitglieder
„Wir sind eine sehr große Gruppe. Wir versuchen uns oft zu treffen und Sport zu treiben. Und wir turnen regelmäßig. Wie viele wir sind, kann ich nicht genau sagen, aber es sind wirklich viele“, sagte eine junge Slowakin aus Trenčín gegenüber Radio Prag.

Die Turnbewegung Sokol war vor genau 150 Jahren gegründet worden. Sie hatte zum Ziel, in der Österreich-Ungarischen Monarchie auch einen Verein zu schaffen, in dem man sich treffen, Sport treiben und auch so richtig als Tscheche fühle durfte. Das kommt auch im Motto des Sokol zum Ausdruck, das bis heute lautet: „Paže tužme – vlasti služme“ (Die Arme stärken, der Heimat dienen). Nationaler Stolz und Heimatverbundenheit ist auch ein Credo für die heutigen Sokol-Mitglieder. Oľga Samáková, die Bürgermeisterin von Trenčín, sagte dazu in unser Mikrofon:

Jan Přidal  (Foto: Barbora Kmentová)
„Ich denke, es ließen sich viele gute Beispiele dafür finden, dass – auch wenn wir heute schon in einer europäischen Union leben – wieder mehr Patriotismus herrschen sollte. Und die führenden Politiker sollten den Sokol in jedem Staat unterstützen.“

In Tschechien ist sich die Turnbewegung Sokol dieser Unterstützung ganz gewiss. Allerdings erst wieder seit 1990, nachdem die politische Wende vollzogen war. In den 40 Jahren davor, als die Kommunisten regierten, war der Sokol hierzulande verboten worden. Eine bittere Erfahrung auch für den heute 91-jährigen Jan Přidal, der dem Sokol schon in jungen Jahren im mährischen Vřesovice unweit von Prostějov beigetreten ist:

„Ich habe mich nur schwer damit abfinden können. Ich habe jedoch überhaupt keine Angst gehabt, denn ich glaubte fest daran, dass sich der Sokol eines Tages erneuern wird. In unsere Turnhalle habe ich daher den örtlichen Sokol-Verein weitergeführt.“

Foto: ČTK
Man sei nicht kontrolliert worden, weil man die sozialistischen Statuten eingehalten habe. Aber zu den großen Spartakiaden, die die Kommunisten für ihre Propaganda nutzten, sei man nicht nach Prag gereist, sagt der 91-Jährige voller Stolz. Mit seiner ganzen Hingabe habe er den damals jungen Sokol-Mitgliedern auch stets offeriert, was der Sokol für ihn bedeutet:

„Der Sokol erzieht Menschen zu Gesundheit und Freude am Leben. Er basiert auf freiwilliger und gemeinnütziger Arbeit. Er erzieht die Jugend zu Heimatliebe und zur Achtung ihrer Eltern. Der Sokol bot einfach alles, man musste es nur nutzen.“

Foto: ČTK
Und Jan Přidal hat es reichlich genutzt, denn sein Gespräch mit Radio Prag beendete er mit der verblüffenden Ankündigung:

„Beim Treffen in Prag werden ich noch mitturnen! Ich bin noch in einer relativ guten körperlichen und geistigen Verfassung. Ich habe zwar schon wer weiß was für Probleme, doch das ist egal.“