Zeckeninvasion nach mildem Winter – Hochgefahrengebiet Tschechien

Zecke (Foto: Barbora Kmentová)

Eigentlich gilt Mitteleuropa nicht gerade als Hort heimtückischer Infektionskrankheiten. Doch es gibt eine Ausnahme: die von Zecken übertragene Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), also die Hirnhautentzündung. Tschechien hat dabei eine besonders unangenehme Vorrangstellung.

Zecke  (Foto: Barbora Kmentová)
Wo es besonders schön ist, dort droht die meiste Gefahr: nämlich in der Natur. In hohen Gräsern oder Sträuchern warten die Zecken auf vorbeistreifende Beine oder andere Körperteile. Mit ihren Doppelkrallen und den Saugpolstern sind die Parasiten gute Kletterer, beim Wirt krabbeln sie daher zu einer Stelle, an der sie leicht an ein Blutgefäß kommen. Dann wird die Haut aufgeschlitzt und sich festgesogen. Bleiben sie unentdeckt, nuckeln die Tiere gerne auch mehrere Tage oder einige Wochen am Blut.

Das Dumme dabei: In Mittel- und Osteuropa tragen viele der Zecken Krankheitserreger in sich. Dazu gehören vor allem Bakterien, die Borreliose verursachen, und Viren, die die sogenannte Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen. Der Prager Arzt Rastislav Maďar ist spezialisiert auf die Prävention von Infektionskrankheiten:

Rastislav Maďar  (Foto: Archiv von Rastislav Maďar)
„Borreliose lässt sich im Gegensatz zur Frühsommer-Meningoenzephalitis mit Antibiotika behandeln. Außerdem gilt, dass eine Zecke wesentlich länger saugen muss, um Borreliose zu übertragen. FSME hingegen kann bereits nach zwei Stunden übertragen sein. Wenn man länger als diese Zeit in der Natur war, ist es also vielleicht schon zu spät.“

In Tschechien war der Winter wie in anderen Gegenden Europas relativ mild. Das fördert die Zeckenpopulation, wie auch Maďar bestätigt. Der Arzt weist aber auch auf die besondere Lage hierzulande hin:

Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk
„Dass der Winter so mild war, oder besser, dass es ihn eigentlich gar nicht gab, hat mit Sicherheit ermöglicht, dass mehr Zecken die für sie unangenehme Zeit überlebt haben. Dessen ungeachtet ist aber Tschechien vom Vorkommen der Frühsommer-Meningoenzephalitis am stärksten von allen EU-Ländern betroffen. Schon das durchschnittliche Vorkommen infizierter Zecken liegt bei uns höher als anderswo in Europa.“

Tatsächlich haben die Ärzte im vergangenen Jahr hierzulande 410 Patienten mit Hirnhautentzündung behandeln müssen. Einer von ihnen starb und Dutzende müssen mit langfristigen gesundheitlichen Folgen rechnen. In Deutschland liegt die Zahl der Erkrankungen etwa genauso hoch, dabei hat das Nachbarland achtmal mehr Einwohner. Österreich hat ähnlich viele Einwohner wie Tschechien, doch kam es dort 2014 nur zu 80 Ansteckungen mit FSME. Rastislav Maďar macht dafür unter anderem die vergleichsweise geringere Durchimpfungsrate verantwortlich. Denn gegen die Hirnhautentzündung besteht seit Ende der 1970er Jahre ein Impfstoff, doch erst nach der Jahrtausendwende kam ein leichter verträgliches Mittel auf den Markt. In Tschechien liegt die Impfquote jedenfalls nur bei 23 Prozent, in Österreich bei weltweit einzigartigen 90 Prozent. Laut Maďar sind sich dabei viele potenziell gefährdete Personen gar nicht der Gefahr bewusst:

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Das Schlimmste ist, dass es früher hierzulande nur zwei Ansteckungsgebiete gab: Südböhmen und das Altvatergebirge. Im Laufe der Zeit hat sich die Gefahr aber auf das ganze Land ausgedehnt. Deswegen sind nicht nur Menschen gefährdet, die wirklich in die Natur gehen, sondern auch jene, die jahrelang an dieselben Orte zurückkehren zum Beispiel zum Pilzesammeln, zum Angeln oder einfach nur ins Wochenendhäuschen. Meist sind sich nicht dessen bewusst, dass sie zwar ihren Lebensstil nicht geändert haben, die Zecken ihnen aber mittlerweile nahe gerückt sind. Wenn das auch noch ältere Leute sind, wird das problematisch, da die Gefahr bleibender Schäden bei einer FSME mit dem Alter ansteigt.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Der FSME-Impfstoff gilt aber nicht als ganz unbedenklich. Laut einigen Berichten sollen sogar bis zu zehn Prozent der Geimpften über Komplikationen klagen. Da gilt aber: Je besser das Immunsystem in Schuss ist, desto leichter wird die Immunisierung vertragen.