Die Charta 77 wurde am 1. Januar 1977 veröffentlicht. In der Erklärung kritisierten die Unterzeichner die kommunistischen Machthaber wegen der Verletzung der Menschenrechte, zu deren Einhaltung sich die damalige Tschechoslowakei zuvor verpflichtet hatte. Die Atmosphäre des totalitären Regimes vor allem den jüngeren Leuten näher zu bringen, ist das Ziel der Woche der Charta 77, die am vergangenen Sonntag in Prag eröffnet wurde.
Foto: EXTENDER
Als Charta 77 bezeichnet man sowohl die im Januar 1977 veröffentlichte
Petition als auch die mit ihr verbundene Bürgerrechtsbewegung, die in den
1970er und 1980er Jahren zum Zentrum der Opposition wurde. Seit ihrer
Entstehung sind folglich 35 Jahre vergangen. Die jetzige Woche der Charta
77 hat aber noch einen weiteren Anlass: Am Dienstag sind ebenso 35 Jahre
seit dem Tod des namhaften tschechischen Philosophen Jan Patočka
vergangen. Patočka war einer der ersten drei Sprecher der Charta. Der
Historiker Petr Blažek:
„Patočka ist eine der international sehr bekannten Persönlichkeiten der Charta 77 geworden, nachdem Václav Havel im Januar 1977 verhaftet worden war.“
Jan Patočka
Professor Patočka ist das erste Opfer der Repressionen geworden, mit
denen das kommunistische Regime die Unterzeichner der Charta 77 strafte.
Nach einem langen, harten Verhör ist Jan Patočka am 13. März 1977
gestorben. Sein Begräbnis, das die Kommunisten auf verschiedene Weise zu
stören versuchten, ist zu einem wichtigen Ereignis des Widerstands gegen
das kommunistische Regime geworden. Jan Patočka und weiteren
Persönlichkeiten der Charta ist eine Ausstellung gewidmet, die in der
Nationalgalerie im Prager Messepalast zu sehen ist. Eine
Open-Air-Ausstellung auf der so genannten „Piazzetta“ neben dem
Nationaltheater zeigt Fotos, die der kommunistische Geheimdienst StB bei
der Überwachung unbequemer Bürger machte.
Petruška Šustrová (Foto: EXTENDER)
Die Woche der Charta 77 ziele vor allem auf die jüngere Generation, sagt
die Publizistin und Übersetzerin Petruška Šustrová. Sie war eine der
Sprecherinnen der Charta 77, jetzt ist sie Mitinitiatorin und Sprecherin
der Charta-Woche. Bei Diskussionen mit Studenten habe sie die Erfahrung
gemacht, dass sie sich für das Thema interessieren, sagt Šustrová.
„Man darf ihnen natürlich keine trockenen Thesen vorlegen, sondern man muss eher darüber erzählen, wie es damals war. Man muss ihnen erklären, wie und warum das passiert ist. Auf einmal sieht man, dass die Studenten beginnen, dies mit ihrer gegenwärtigen Erfahrung zu vergleichen. Denn junge Leute neigen im Allgemeinen mehr zu einer Rebellion, was gesund ist. Viele kommen nach der Diskussion zu mir und stellen noch weitere konkrete Fragen. Darum meine ich, dass es Sinn macht, eine solche Woche zu veranstalten und dass es notwendig ist, die Gesellschaft daran zu erinnern, dass es auch andere Werte als Erfolg und Geld gibt.“
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Auf dem Programm der Woche der Charta 77 stehen zudem Theater- und
Filmvorstellungen, Seminare sowie Treffen mit den Charta-Unterzeichnern.
Petruška Šustrová ist davon überzeugt, dass jeder in dem Programm
etwas finden kann, was ihn besonders anspricht.
„Aus verschiedenen Aspekten heraus wird nicht nur an die Charta 77 erinnert, sondern auch an die grausame Zeit, deren Rückkehr wir nie wieder erleben wollen.“
Der Einfluss der Charta 77 ist trotz der harten Verfolgungen gewachsen. Bis 1989 unterzeichneten mehr als 1800 Bürger das Dokument.