Wind und Wasser sind nicht genug: Tschechien sagt Ja zur Atomkraft

Foto: Europäische Kommission

Temelín und Dukovany – zwei Ortsnamen, die bei den meisten Tschechen keine großen Emotionen auslösen. Viele Bayern und Österreicher schaudert hingegen, wenn sie von den zwei Orten nahe ihrer Grenze hören. Es geht um die Atomanlagen in Tschechien, die laut Kritikern veraltet, marode und eine Gefahr sind. Das Land hält dennoch an der Atomenergie fest, wie jüngst Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) auf dem Kernkraftforum in Bratislava bestätigt hat.

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
Sie ragen weiterhin in die südböhmische Landschaft – die gigantischen Kühltürme des Kernkraftwerks Temelín. Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern, wie der tschechische Premier Bohuslav Sobotka bestätigt. Vor allem, da auf die erneuerbaren Energien zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend Verlass ist:

„Es liegt auf der Hand, dass wir in Tschechien keine Emissionsziele und Grenzen für Kohlenstoffdioxid einhalten könnten, wenn wir uns nicht auf die Kernenergie zur Stromerzeugung verlassen würden. Wir müssen in Tschechien den richtigen Mix an sauberen Energien finden, und die Atomkraft zählen wir ohne Frage zu den sauberen Energien. Die Tschechische Republik hat dafür eine Strategie ausgearbeitet. Wir werden in Dukovany und voraussichtlich auch in Temelín neue Reaktorblöcke bauen.“

Katastrophe in Fukushima  (Foto: Digital Globe,  CC BY-SA 3.0)
Sobotka sagte dies am Dienstag auf dem Europäischen Kernkraft-Forum (Enef) in Bratislava. Hintergrund ist die Ratifikation des Pariser Übereinkommens durch das Europäische Parlament. Dieses wurde auf der UN-Klimakonferenz im vergangenen Jahr ausgearbeitet. Das Ziel: Radikales Senken des Treibhausausstoßes.

Deutschland steht mit seinem Atomausstieg alleine da in Europa. Das Land hatte nach der Katastrophe im japanischen Fukushima fast alle seine Kernkraftwerke stillgelegt. Bei den europäischen Partnern geht der Trend in eine entgegengesetzte Richtung, wie auch Lenka Kovačovská weiß. Sie ist Energiebeauftragte des tschechischen Industrieministeriums und kennt die Atom-Strategie der Regierung:

Lenka Kovačovská  (Foto: Archiv des tschechischen Industrieministeriums)
„Die von der Regierung abgesegnete Strategie sieht vor, dass die Rolle der Kernkraft in Zukunft wachsen soll. Im vorgesehenen Zeitraum bis 2040 soll die Kernkraft rund 45 bis 50 Prozent des Energiebedarfs in Tschechien decken.“

Doch obwohl die Tschechen als wenig kritisch der Atomkraft gegenüber gelten, ist es nicht so, dass Premier Sobotka ausnahmslos Beifall erhält. So zum Beispiel kann Michal Šnobr dem Premier nicht vollends zustimmen in der Frage. Er ist aber nicht Umweltschützer, sondern Analyst bei einem großen tschechischen Bankhaus und Experte für Energiefragen. Mit den Gefahren der Atomkraft haben seine Bedenken jedoch wenig zu tun:

„Von den Emissionen her ist die Kernkraft eine saubere Energiequelle. Da verstehe ich Premier Sobotka schon. Auf der anderen Seite ist das aber nicht alles im Leben. Man muss immer auch die wirtschaftlichen Faktoren betrachten, und die sind bei der Kernkraft schlicht ungünstig.“

Michal Šnobr  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Laut Šnobr ist die tschechische Regierung mit ihrem Konzept in der Vergangenheit hängengeblieben. Sie setze auf Rezepte von vor 30 Jahren, so der Analyst. Zudem sei auch das Argument falsch, Tschechien würde ohne Atomkraft zu wenig Strom produzieren. Das Land sei nach wie vor Spitzenexporteur von elektrischer Energie. Das Ausfuhrvolumen entspricht dabei der gesamten Leistung des Kraftwerks Temelín.

Vielmehr sollte man bei der Energieplanung auf Effizienz setzen, so Šnobr:

„Alternativen gibt es viele im Energiesektor. Das Problem des Konzepts der Regierung ist es, ein Kraftwerk bis zu dem und dem Jahr bauen zu wollen. Währenddessen werden wir von den aktuellen Entwicklungen in der Technik überholt.“