„Weiter ein Stabilisierungsfaktor“ – 15 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung

Helmut Kohl

Im Januar 1997 war es soweit: Bundeskanzler Helmut Kohl und der tschechische Premier Václav Klaus unterzeichneten die Deutsch-Tschechische Erklärung. Das Dokument wurde zum Grundstein für die Aussöhnung der Menschen aus beiden Ländern. Denn Tschechien und Deutschland vereinbarten, dass die Vergangenheit nicht die Beziehungen der Gegenwart belasten soll. Auf dieser Grundlage sind seitdem Hunderte von Initiativen entstanden und es haben viele Begegnungen stattgefunden. Bei der Verwirklichung solcher Projekte hilft der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds, der aus der Erklärung heraus gegründet wurde. Tomáš Jelínek ist tschechischer Co-Vorsitzender des Zukunftsfonds, gegenüber Radio Prag bilanzierte er 15 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung.

Herr Jelínek, die Deutsch-Tschechische Erklärung ist 15 Jahre alt geworden. Wenn man in den letzten Jahren irgendjemanden gefragt hat, hieß es immer, die Erklärung sei eine Erfolgsgeschichte. Lässt sich das wirklich ohne Einschränkung so sagen, und warum ist sie so zu einer Erfolgsgeschichte geworden?

„Ich würde dem Urteil auch zustimmen. Wenn man den Stand der deutsch-tschechischen Beziehungen heute und vor 15 Jahren vergleicht, muss man klar eine große Verbesserung feststellen. Und dazu hat die Erklärung maßgeblich beigetragen. Die Erklärung hat auf beiden Seiten einen festen Boden für gemeinsame politische Beziehungen geschaffen, und sie war ein wichtiges Argument für den Weg der Tschechischen Republik in die Europäische Union und in die Nato. Auch die Tatsache, dass 7000 NS-Opfer in Tschechien dank der Erklärung entschädigt wurden, bestätigt dieses Urteil. Und nicht zuletzt ist der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds aufgrund der Erklärung entstanden. Und fast 7000 Projekte, die gefördert wurden, unterstützen das Urteil.“

Vertreibung der Sudetendeutschen  (Foto: Sudetendeutsches Archiv / Creative Commons 1.0 Generic)
Ist die Deutsch-Tschechische Erklärung damals auf weißem Papier entstanden, oder gab es Vorbilder? Und wie lange wurde überhaupt über die Deutsch-tschechische Erklärung verhandelt?

„Die Bundesrepublik Deutschland musste zwar nach dem Zweiten Weltkrieg mit fast allen Nachbarn die gemeinsamen Beziehungen neu regeln. Es gab viele Versöhnungsprozesse, wobei jeder einzigartig war. Man kann nicht die deutsch-französische und beispielsweise die deutsch-polnische Versöhnung miteinander vergleichen. Vielleicht, wenn man die Form nimmt, aber nicht den Inhalt, könnte man an die Deutsch-Dänische Erklärung denken. Aber grundsätzlich gab es in allen bilateralen Beziehungen jeweils sehr spezifische Momente. Die Deutsch-Tschechische Erklärung war im Grunde, in meinen Augen, wie Sie gesagt haben, auf weißem Papier entstanden. Auch die Tatsache, dass die Verhandlungen mehr als zwei Jahre gedauert haben, zeigt, dass da nicht irgendwo anders abgeschrieben wurde.“

Tomáš Jelínek  (Foto: Archiv des Senats des Parlaments der Tschechischen Republik)
Hat die Erklärung heute eigentlich überhaupt noch Bedeutung, oder ist sie nicht schon längst überholt, nachdem sich die tschechisch-deutschen Beziehungen so extrem verbessert haben?

„Sie haben recht, die Deutsch-Tschechische Erklärung hat viele Ziele bereits erreicht. Und die deutsch-tschechischen Beziehungen sind nicht mehr so von den Fragen der Vergangenheit geprägt. Auf der anderen Seite bleibt die Erklärung in meinen Augen ein Stabilisierungsfaktor auch in der Zukunft, und auch in der heutigen Zeit bleiben eine gute Nachbarschaft und gute bilaterale Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland wichtig. Und dabei kann die Deutsch-Tschechische Erklärung auch weiter ein stabilisierender Faktor sein. Wenn man sich die Nachfrage nach Unterstützung durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds anschaut, ist dies auch eine klare Aussage, dass beide – Erklärung und Zukunftsfonds – für die Zukunft eine Rolle spielen sollen und werden.“