Wegen Lohnnachweis: Tschechien und Slowakei fassen Retourkutsche ins Auge

Foto: Social_Stratification via Foter.com / CC BY-ND

Spätestens seitdem die Briten „Ja“ gesagt haben zum Austritt aus der Europäischen Union gilt: Die EU muss sich reformieren. Dabei ist auch von einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten die Rede. In der Praxis aber zeigt sich, dass in einzelnen Bereichen bereits unterschiedlich schnell gehandelt wird. Zum Beispiel beim Thema Mindestlohn. Tschechien und die Slowakei fordern dazu jetzt eine gesamteuropäische Lösung.

Foto: Social_Stratification via Foter.com / CC BY-ND
Das markanteste Streitthema der jüngeren Vergangenheit ist die Entlohnung von Lkw-Fahrern auf ihren Auslandstouren. Seit dem vorigen Jahr verlangen Deutschland und Frankreich, dass die Fahrer internationaler Speditionen bei Auftragsfahrten innerhalb ihres Staates auch den für Deutschland oder Frankreich gültigen Mindestlohn erhalten müssen. Das lehnen beispielsweise tschechische Frachtverkehrsbetriebe ab. Begründung: Der dort geltende Mindestlohn übersteige ihre finanziellen Möglichkeiten. Die Reaktion der anderen Seite ist hart: Frankreich fordert von jedem Fahrer, der den Erhalt des landesüblichen Mindestlohns nicht nachweisen kann, eine Strafgebühr von 135 Euro. Vladimír Starosta ist Geschäftsführer des Fuhrunternehmens O.K. Trans Praha. Seine Firma hat die Strafe mittlerweile schon zehnmal gezahlt:

Foto: Pixabay,  CC0 1.0 DEED
„Wir bezahlen natürlich die Geldbuße, denn der Fahrer ist ganz sicher nicht schuld daran, dass wir die Strafe erhalten. Wir versuchen das Ganze mit Hilfe von europäischen Rechtsanwaltskanzleien zu lösen.“

Doch das kann dauern. Zudem stehen Deutschland und Frankreich bei der Durchsetzung des nationalen Mindestlohns nicht mehr allein da. Weitere sechs EU-Länder sind hinzugekommen, darunter Österreich. Und die Alpenrepublik verlangt obendrein, dass ausländische Lkw-Fahrer ins Deutsche übersetzte und beglaubigte Abschriften ihres Arbeitsvertrages, des Personaldokuments und des Lohnstreifens mit sich führen müssen. In Tschechien ist man darüber erzürnt. Die Ministerin für Arbeit und Soziales, Michaela Marksová (Sozialdemokraten), kündigte daraufhin eine Retourkutsche an:

Michaela Marksová  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir werden mit gleicher Münze antworten. Das heißt, wenn unsere Grenze zum Beispiel von einem Lkw aus Österreich passiert wird, dann werden wir die gleichen Unterlagen in tschechischer Übersetzung von den Fahrern verlangen.“

Ihre Drohung sprach Marksová am Donnerstag aus, und zwar am Rande des Treffens der Sozialpartner aus Tschechien und der Slowakei in Prag. Die Regierungen und die Arbeitgeberverbände beider Länder taten kund, dass sie für dieses Problem eine gesamteuropäische Lösung wollen. Aber nicht im Sinne der revidierten europäische Entsenderichtlinie. Danach müsste für einen Arbeitnehmer, der ins Ausland entsendet wird, der gleiche Lohn gezahlt werden wie einem dort heimischen Beschäftigten. Zumindest aber sollte differenziert werden zwischen einem längerfristigen Auslandseinsatz und einer kurzfristigen Dienstfahrt. Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) wies hierbei darauf hin:

Bohuslav Sobotka  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Es gibt Dienstleistungen, bei denen man mehrere Grenzen überquert. Das ist besonders im Transport der Fall. Ein Festhalten an den nationalen Prinzipien hat hier sehr häufig sehr hohe administrative Kosten und wirklich große Probleme mit der Bürokratie zur Folge.“

Die Gewerkschaftsverbände aus Tschechien und der Slowakei hingegen unterstützen eine einheitliche Tariflösung für die Lkw-Fahrer in allen EU-Staaten. Dazu hinterfragte der Vizechef des Verbandes der tschechischen Transportgewerkschaften, Alfonz Kokoška, im Tschechischen Fernsehen:

„Was wäre, wenn sich die Spediteure beziehungsweise die Politiker mit ihren Kollegen aus Westeuropa zusammensetzen würden und dabei zum Beispiel einen europäischen Mindestpreis für den Frachtkilometer bestimmen würden? Wäre das nicht eine Lösung?“

Eine andere, aber ebenso vielversprechende Lösung hält die Tschechische Nationalbank in der Hand. Hebt sie nämlich ihre Intervention am Devisenmarkt auf, kann die Tschechische Krone am Markt auch wieder ihren Realwert erlangen. Und das bedeutet: Die Kluft zwischen dem tschechischen und beispielsweise französischen Lohn wird um ein ganzes Stück geringer.