Was kann Tschechien von der britischen EU-Präsidentschaft erwarten?

Premierministers Jirí Paroubek
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Vor knapp zwei Wochen ging in Brüssel ein EU-Gipfel zu Ende, der von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Nach der Ablehnung der Europäischen Verfassung durch die Franzosen und die Niederländer war die Stimmung schlecht, und die Verhandlungen über das Budget für die Jahre 2007 bis 2013 erwiesen sich als zu großer Brocken für die Staats- und Regierungschefs der Union. Die Schuld am Scheitern des Gipfels wurde - nicht nur, aber hauptsächlich - Großbritannien zugeschoben. Premierminister Tony Blair hatte für eine Beibehaltung seines Briten-Rabatts und für eine Umstrukturierung des EU-Haushalts gekämpft, sämtliche Kompromissvorschläge blieben erfolglos. Ende Juni endet die Luxemburgische Ratspräsidentschaft, am 1. Juli übernimmt ausgerechnet Großbritannien den Vorsitz der EU-25. Was erwartet Tschechien von Blair und Co.? Gerald Schubert berichtet:

Die Enttäuschung des tschechischen Premierministers Jirí Paroubek nach dem gescheiterten Gipfel war groß. Immerhin gehörte Tschechien ja zu jenen Staaten, die in Brüssel bis zuletzt noch finanzielle Zugeständnisse anboten, um das EU-Budget zu retten. Vergeblich. Nun werden die Karten neu gemischt, die weiteren Verhandlungen laufen unter der Regie des britischen Premiers Tony Blair. Dieser kann nun versuchen, seine Vorstellungen von einem künftigen EU-Haushalt verstärkt einfließen zu lassen. Dazu gehört etwa: Mehr Geld für Wissenschaft und Forschung, weniger Subventionen für die Landwirtschaft. Was sind in dieser Auseinandersetzung die tschechischen Prioritäten? Adam Cerný, Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodárské noviny:

"Was das Budget betrifft, so haben wir bildhaft gesprochen eine Diskussion über den Spatz in der Hand und die Taube auf dem Dach. Denn einerseits gibt es hier natürlich ein Interesse an den Strukturfonds, darunter auch im Agrarbereich. Andererseits aber glaube ich, dass die gegenwärtige Haushaltsstruktur nicht wirklich im tschechischen Interesse ist. Dass 40 Prozent, oder in absehbarer Zeit etwa 30 Prozent der Subventionen in den Agrarsektor fließen, das ist für Tschechien, wo dieser Bereich nicht besonders stark ist, nicht so interessant."

Wichtig ist für Tschechien, dass es überhaupt zu einer Einigung kommt. Denn eine Schwächung der Integration, die durch eine nachhaltige Budgetkrise noch verstärkt würde, sei keinesfalls im Sinne Tschechiens, meint Adam Cerný:

"Was die politische Integration betrifft, so hat die Tschechische Republik als Land mittlerer Größe Interesse an Institutionen, die über die Einhaltung von Regeln wachen. Denn ohne gültige Regeln gewinnen meist die stärkeren und einflussreicheren. Tschechien muss also Interesse an einem bestimmten Grad der Integration haben. Auch deshalb, weil sich die EU, in der Tschechien Mitglied ist, als Ganzes besser gegen den Rest der Welt behaupten kann."

Soweit Adam Cerný, Kommentator der Wirtschaftszeitung Hospodárské noviny. Cerný ist jedoch für das nächste Halbjahr nicht allzu optimistisch. Denn große Staaten, so meint er, hätten es beim Erzielen eines Kompromisses meist gar nicht so leicht. Und so könnte Anfang 2006 auf die österreichische Präsidentschaft eine große Herausforderung warten.