Vor fünfzehn Jahren waren die Tage des Eisernen Vorhangs gezählt

Noch vor 15 Jahren türmte sich an der tschechisch-deutschen bzw. tschechisch-österreichischen Grenze eine höchst undurchdringliche Stacheldrahtwand, um direkt an der Trennlinie zwischen zwei Welten das Bollwerk des Sozialismus - so die offizielle Sprache von damals - zu schützen. Vor genau 15 Jahren waren allerdings die Tage dieses Bollwerks und damit auch die Tage von dessen Schutzwand gezählt. Nachdem die ungarisch-österreichische Grenze schon ein paar Wochen früher durchlässig gemacht worden war, wurde der Stacheldraht an der tschechisch-österreichischen Grenze am 11.Dezember 1989 durchgeschnitten. Von der österreichischen Seite nahm der damalige Landeshauptmann Oberösterreichs, Josef Ratzenböck, als Hauptakteur an dem symbolischen Akt teil. Am Freitag vergangener Woche besuchte er Prag. In einem kurzen Gespräch mit Jitka Mladkova erinnert sich Herr Ratzenböck an den historischen Tag vor fünfzehn Jahren:

"Es war am Montag, den 11. Dezember 1989, um acht Uhr früh. Es war kalt, und es herrschte Schneetreiben. Ich habe zusammen mit dem südböhmischen Landeshauptmann Senkirsch den Stacheldraht mit einer großen Drahtschere durchschnitten. Wir beide hatten das Gefühl, an einem historischen Ereignis teilzunehmen, und es war tatsächlich ein historisches Ereignis!"

Beschreiben Sie bitte etwas ausführlicher Ihre Gefühle in jenen Momenten!

"Wir hatten in dem Moment das Gefühl, dass da ein Traum in Erfüllung geht. Der Eiserne Vorhang war eine Tatsache, mit der wir uns abgefunden hatten. Wir haben nicht gedacht, dass einer von uns je erlebt, dass dieser Eiserne Vorhang beseitigt wird. Plötzlich war er überflüssig, und wir haben bei seiner Beseitigung mitgewirkt. Das hat uns mit großem Stolz erfüllt. Dort, wo wir den Vorhang durchschnitten haben, steht jetzt zur Erinnerung an das Geschehen ein Denkmal."

Ich war vor fünf Jahren am Grenzübergang Wullowitz / Dolni Dvoriste, wo man das zehnjährige Jubiläum der Grenzöffnung feierte. Und ich war auch in diesem Jahr am selben Grenzübergang, und zwar am Tag des EU-Beitritts der Tschechischen Republik. Diesmal habe ich auch pessimistische Stimmen gehört. Es war z.B. viel Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen dabei. Etwas, was ich vor zehn Jahren noch nicht gehört habe.

"Wir werden in der Europäischen Union noch manche Enttäuschungen zu verkraften haben. Der Weg in der Politik ist nie ganz gerade, sondern bringt Abschweifungen. Wir werden manches Mal vielleicht sogar sagen: warum sind wir hier beigetreten? Aber die große Linie stimmt: Der Friede wird erhalten."