Verkehrssicherheit in Tschechien: Wie der Minister, so seine Gefolgschaft

El camión de mudanzas en Praga, foto: archivo de Radio Praga

Die relativ hohe Unfallhäufigkeit auf den tschechischen Straßen und Autobahnen ist nach wie vor ein großes Problem. Lothar Martin hat dieses Thema daher einmal von einer anderen Seite beleuchtet.

... wenn Sie immer noch nicht glauben, sich gerade in der tschechischen Hauptstadt Prag aufzuhalten, spätestens nach dem Aufheulen der unterschiedlichsten Blaulichtsirenen wissen Sie: Jawohl, ich bin in der europäischen Metropole mit dem höchsten PKW-Aufkommen pro Kopf der Einwohnerzahl. Entsprechend zäh und stressig rollt der Verkehr in der 1,2-Millionen-Stadt, die ein gerüttelt Maß Anteil hat an der unrühmlichen Unfallstatistik. So hat sich im abgelaufenen Jahr 2003 in Tschechien jede dritte Minute ein Verkehrsunfall ereignet. Und von Januar bis Ende April dieses Jahres ist die Anzahl der registrierten Unfälle erneut gestiegen. Sie lag um 3000 höher als zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Da ist es schon erfreulich, dass zumindest die Anzahl der Verkehrstoten abgenommen hat: 293 in diesen vier Monaten sind rund 60 weniger als von Januar bis April 2003. Dennoch: Als im vergangenen Jahr betrüblich festgestellt werden musste, dass in den ersten zehn Jahren seit der Gründung der Tschechischen Republik hierzulande über 13.400 getötete Personen, mehr als 69.000 Schwerverletzte und über 290.000 Leichtverletzte als Folge von Verkehrsunfällen zu beklagen waren, da wurde im Prager Senat gleich ein Unterausschuss für Verkehrssicherheit gegründet, um dieser Entwicklung entgegen zu treten. Auch Innenminister Stanislav Gross setzte Zeichen. Anfang Oktober veranlasste er die umfangreichsten Verkehrskontrollen, die das Land bis dahin gesehen hatte. Unter der Bezeichnung "Aktion Christoph" wurden innerhalb von fünf Tagen über 360.000 Kontrollen vorgenommen, bei denen zu rund einem Drittel Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung festgestellt wurden. Auf die Frage von Radio Prag, weshalb seiner Meinung nach sich hierzulande immer noch so viele Auto- und Motorradfahrer relativ rücksichtslos auf den Land- und Stadtstraßen fortbewegen, antwortete der Minister:

Foto: CTK
"Ich denke, das hängt damit zusammen, dass sich einige die allgemeine Lockerung der Rechtsauffassung und die Einführung der Demokratie nach dem Wendejahr 1989 zu ihren Gunsten auslegen. Es gilt zwar, dass die Demokratie keine Anarchie ist, aber leider gibt es immer wieder Personen, die diesem Versuch erlegen sind. Daher werden wir es nach wie vor schwer haben, alles wieder ins Lot zu bringen."

Wie wahr, wie wahr. Denn wie es aussieht, muss Stanislav Gross seinen Worten nun auch eigene Taten folgen lassen. Erst kürzlich nämlich wurde die Dienstfahrt des Innenministers von seinem Wohnort zum Prager Regierungsamt von Pressfotografen festgehalten und dokumentiert. Und siehe da: Nicht weniger als fünfmal hatte der Chauffeur seines Dienst-BMW auf der nur neun Kilometer langen Strecke gegen die StVO verstoßen. Aber Gross war an jenem Arbeitstag beileibe nicht der einzige aus dem Kabinett Spidla, der Kraft seines Amtes mit überhöhter Geschwindigkeit zu seiner Dienststätte gerast war. Einige seiner Kollegen scheuten sich auch nicht, das eingeschaltete Blaulicht zu dieser Dienstrallye zu missbrauchen. Wissen Sie nun, weshalb Sie in Prag wohl öfters als anderswo auf diese und ähnliche Sirenen stoßen?