Verfassungsgericht entscheidet über den EU-Reformvertrag

Öffentliche Verhandlung des Verfassungsgerichts (Foto: ČTK)

Ende August dieses Jahres hat der Senat, das Oberhaus des tschechischen Parlaments, den EU-Reformvertrag von Lissabon an das tschechische Verfassungsgericht übermittelt. Die obersten Richter sollten den Vertrag von Lissabon auf seine Vereinbarkeit mit der tschechischen Verfassung hin abklopfen. Die öffentliche Gerichtsverhandlung begann am Dienstagvormittag. Auf das Ergebnis wartet man nicht nur in Tschechien gespannt. Ganz Europa blickt nach Brünn, wo das Verfassungsgericht seinen Sitz hat. Lothar Martin hat mit Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak gesprochen, der die Sitzung des Verfassungsgerichts verfolgt hat.

Foto: Europäische Kommission
Daniel, was wird aus dem Lissabon-Vertrag? Haben die Richter schon entschieden, gibt es ein Ergebnis?

„Nein. Gegen Mittag haben die Richter die Verhandlung vertragt. Das Anhörungsverfahren ist abgeschlossen. Nun berät das Gericht. Am Mittwoch um 10 Uhr soll die Verhandlung dann wieder aufgenommen werden. Und im Laufe des Tages wird wohl auch das Urteil fallen.“

In der Anhörung haben ja auch die Vertreter des Parlaments und der Regierung noch einmal die Möglichkeit bekommen, ihre Standpunkte darzulegen. Mit besonderer Spannung ist aber der Auftritt des Staatspräsidenten Václav Klaus erwartet worden. Es ist kein Geheimnis – Klaus ist ein entschiedener Gegner des Lissabon-Vertrags.

Öffentliche Verhandlung des Verfassungsgerichts  (Foto: ČTK)
„Also, Václav Klaus hat die Erwartungen der Zuschauer nicht enttäuscht. Er hat eine beinahe schon glühende Rede gegen den Lissabon-Vertrag gehalten. Für ihn ist das Papier „unklar“ und „mehrdeutig“ formuliert. Klaus hat wiederholt, dass der EU-Vertrag das Ende der tschechischen Souveränität bedeute. Hier ein kurzer Ausschnitt aus der Rede des Präsidenten:

'Der Lissabon-Vertrag widerspricht allen Grundprinzipien der tschechischen Verfassung, mit allen den Normen, die als materieller Kern der Verfassung gelten.'

Staatspräsident Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Als Beispiel hat Klaus etwa das Prinzip der Gewaltenteilung gennannt, das seiner Meinung nach auf EU-Ebene nicht genügend entwickelt ist. Oder das in der Verfassung festgeschriebene Verbot, Tschechien zu einem Teil einer Konföderation oder eines anderen festen Staatenbundes zu machen. Zu genau so einer engen Bindung der EU-Staaten untereinander führe aber der Lissabon-Vertrag, meint Klaus. Klaus hat seine Thesen bis ins kleinste Detail untermauert. Er hat sich also wohl sehr gut vorbreitet. In seinem Schlusswort hat Klaus dann auch noch indirekt das Gericht kritisiert: Es hat ihn gestört, dass die Richter keine Nachfragen hatten. Da schwang wohl ein wenig der Vorwurf mit, das Gericht habe sein Urteil ohnehin schon gefällt.“

Die Regierung hat den Lissabon-Vertrag ja unterzeichnet. Wie hat sie ihren Standpunkt vor dem Verfassungsgericht präsentiert?

„Der Vizepremier für Europäische Anliegen Alexandr Vondra hat betont, dass der Lissabon-Vertrag aus der Sicht der Regierung nicht gegen die Verfassung verstößt. Es sei zwar ein Kompromiss, aber man könne damit leben. Man stehe auf jeden Fall zur tschechischen EU-Mitgliedschaft. Diese sei nicht zuletzt eines der wichtigsten politischen Ziele nach dem Zusammenbruch des Kommunismus gewesen. Und Vondra hat auch daran erinnert, das ein gewisser Václav Klaus als Premierminister das Land seinerzeit in die EU geführt hat.“