Über Prag zurück aus dem Dschihad – Tschechien als Transitland für Terroristen

Abdelhamid Abaaoud (Foto: ČTK)

Man nennt sie reisende Dschihadisten. Auch der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Paris, Abdelhamid Abaaoud, gehörte zu ihnen. Es sind jene jungen Männer und Frauen, die in Europa aufgewachsen sind, vom IS im Nahen Osten zu Terroristen ausgebildet wurden und dann wieder zurückkehren. Sie nutzen angeblich auch Tschechien als Transitland.

Abdelhamid Abaaoud  (Foto: ČTK)
Die Informationen stammen von der Justiz in Frankreich. Im August verhaftet die Polizei des Landes einen Pariser Islamisten, er kommt gerade aus der IS-Hochburg Rakka in Syrien und soll in Frankreich einen Anschlag verüben. Im Verhör nennt er den Namen von Abdelhamid Abaaoud, dem späteren mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 13. November. Abaaoud soll dem Islamisten geraten haben, über Prag zu reisen, um nicht aufzufallen. Er rät ihm zudem, ein einfaches Ziel für den Anschlag zu wählen wie etwa „einen Konzertsaal“ – das, was am Freitag vor einer Woche auch passiert ist.

Bernard Cazeneuve  (Foto: ČTK)
Aber dies ist nicht der einzige Fall. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve wies am Donnerstag auf einen weiteren Dschihadisten hin, der im Juli nach Prag fliegen wollte. Er wurde in Istanbul gefasst und hatte einen gefälschten schwedischen Pass bei sich.

Bisher hatten die Politiker hierzulande öffentlich immer gesagt, Tschechien sei von Dschihad und Terrorismus unberührt. Am Donnerstagabend relativierte Premier Bohuslav Sobotka dies jedoch:

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČTK)
„Länder, die als sicher gelten, werden wohl als Transitländer gewählt. Wenn jemand aus einem sicheren und ruhigen Land anreist, fällt er weniger auf, als wenn er aus einem Land kommt, das von Terrorangriffen heimgesucht wurde. Auf der einen Seite ist das ein Nachteil, auf der anderen Seite sollte man sich vergegenwärtigen: Dies ist eine Reaktion darauf, dass Tschechien ein sicherer Staat ist.“

Die Frage aber ist: Haben die Sicherheitsbehörden hierzulande überhaupt Ahnung von den Reisen der Dschihadisten? Laut Innenminister Milan Chovanec durchaus. Die entsprechenden Unterlagen wolle er seinem französcischem Kollegen Cazeneuve übergeben, ließ er am Freitagmittag wissen. Doch Fachleute sagen auch, allgemein müsse der Informationsaustausch zwischen den Ländern des Schengenraums verbessert werden. Der Politologe Oldřich Bureš leitet das Zentrum für Sicherheitsfragen an der Metropolitan University in Prag:

Oldřich Bureš  (Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag)
„Es zeigt sich, dass im Fall der Terrorangriffe durch den Islamischen Staat, wie auch schon zuvor durch Al-Qaida, der internationalen und jetzt besonders der europäischen Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten eine Schlüsselrolle zukommt. Nur dann können die tschechischen Dienste überhaupt wissen, wen sie in Prag beobachten und eventuell verhaften lassen sollen.“

Auf der anderen Seite betonte Premier Sobotka am Donnerstag, dass die Bedrohung durch den Terror keine neuen Schlagbäume erfordere.

„Jegliches Schließen von Grenzen steht den Interessen Tschechiens entgegen, schädigt den Arbeitsmarkt und unsere Firmen“, so der sozialdemokratische Regierungschef.

Am Freitag treffen sich die EU-Innenminister in Brüssel zu Beratungen. Frankreich will, dass an den EU-Außengrenzen auch die Bürger der Schengenländer schärfer unter die Lupe genommen werden. Denn der Belgier Abdelhamid Abaaoud war unbemerkt aus Syrien zurück nach Europa gereist, obwohl er schon längst gesucht wurde.