Tschechische Bücher und deutsche Leserschaft

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Vor einem Jahr hat das Tschechische Literaturzentrum seine Arbeit aufgenommen – eine Institution, die im Ausland für die tschechische Literatur werben soll. Warum ist das aber nicht mehr so leicht ist wie vor 20 Jahren? Und weshalb steht für das Zentrum derzeit die deutsche Leserschaft im Mittelpunkt?

Ondřej Buddeus  (links). Foto: Ondřej Lipár,  CC BY-SA 2.0
Knapp 200 tschechische Bücher werden jährlich in Fremdsprachen übersetzt. Vergleichsweise wenig also, dabei war das Interesse an Literatur aus Tschechien vor allem nach der Samtenen Revolution sehr groß. Die Zeiten hätten sich gewandelt, sagt Ondřej Buddeus, der Leiter des Tschechischen Literaturzentrums in Prag:

„Die goldenen Neunziger für die tschechische Kultur im Ausland waren sehr stark davon geprägt, dass man damals neugierig auf Osteuropa war. Außerdem hatten wir mit Václav Havel wirklich eine Schlüsselperson der damaligen Geschichte. Er war ein großer Botschafter für die tschechische Kultur im Allgemeinen.“

Neue Botschafter zu fördern ist nun das Ziel von Ondřej Buddeus. Seit Februar 2017 leitet er das Tschechische Literaturzentrum. Die Institution wurde vom Kulturministerium ins Leben gerufen und verfügt über einen jährlichen Etat von knapp zehn Millionen Kronen (400.000 Euro). Im Vordergrund stand im ersten Jahr die Unterstützung von Übersetzern tschechischer Literatur.

Kloster Broumov  (Foto: Dezidor,  CC BY 3.0)
„Für sie wurde im Herbst zum ersten Mal ein tolles Residenzprogramm eröffnet. Wir hatten in Prag zwei Wohnungen, in Brünn eine. Außerdem kümmern wir uns um die Mobilität der Autoren. Wir schicken sie ins Ausland und haben dafür einen Aufruf gestartet“, so Buddeus.

Tschechische Schriftsteller können sich außerdem für Arbeitsstipendien im Kloster Broumov / Braunau bewerben. Daneben wirft ein Großereignis seine Schatten voraus: 2019 wird Tschechien Gastland bei der Buchmesse in Leipzig. Koordiniert wird der Auftritt von der Mährischen Landesbibliothek in Brno / Brünn, der das Literaturzentrum zugeordnet ist.

„Das ist eine unglaublich tolle Angelegenheit für die tschechische Literatur – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ist das sehr repräsentativ. Deshalb haben wir auch eine Reihe von Seminaren und Workshops für deutschsprachige Übersetzer aus dem Tschechischen sowie Verleger veranstaltet.“

Literaturzeitschrift „Psí víno“
Seinen Sitz hat das Literaturzentrum in Prag. Fünf feste und drei externe Mitarbeiter unterstützen Buddeus dort. Der 33-Jährige ist selbst Übersetzer und Schriftsteller. Als ehemaliger Leiter der Literaturzeitschrift „Psí vino“ hat Buddeus auch Erfahrung im Organisieren. Sein Konzept orientiert sich unter anderem an Skandinavien:

„Als Übersetzer aus dem Deutschen und dem Norwegischen hatte ich für diese Organisation ein tolles Vorbild in Norwegen und generell in den skandinavischen Ländern. Diese unterstützen ihre Literatur im Ausland nach klaren und übersichtlichen Strukturen. Ich hatte also schon eine Vorstellung über unser Büro und welche Funktionen es ausüben sollte.“

Eine dieser Funktionen ist das Webportal Czechlit.cz. In Tschechisch und Englisch bietet es einen Überblick über die Literaturszene und vermittelt Kontakte zu Autoren, Übersetzern, Verlagen und Agenten.

„Wir sind Mediatoren. Wenn die Kommunikation unter diesen Leuten effektiv ist, worin unsere Aufgabe liegt, dann wird das Interesse hoffentlich auch kommen. Wie groß sind die Erwartungen, kann der Erfolg so groß sein wie der der Skandinavier? Das wissen wir noch nicht. Aber wir müssen daran arbeiten“, sagt der Leiter des Zentrums.

Tschechisches Literaturzentrum  (Foto: Anna Pleslová,  Archiv der Mährischen Landesbibliothek)
Auch Lesungen und Diskussionen veranstaltet das Literaturhaus regelmäßig und gibt den Residenzschriftstellern und -autoren die Gelegenheit, ihre Arbeit vorzustellen. Im vergangenen Jahr waren es zum Beispiel der Übersetzer Alex Zucker oder die ukrainische Autorin Jewgenia Kononenko. Was noch fehlt, um tatsächlich als Literaturhaus wahrgenommen zu werden, ist ein eigener Veranstaltungsort:

„Die aktuelle Lage erlaubt uns zwar, in der Öffentlichkeit zu arbeiten. Aber selbstverständlich wäre es ideal, wenn wir einen eigenen Sitz mit Räumlichkeiten hätten, an dem wir gemeinsam mit unseren Partner Veranstaltungen durchführen könnten. Hoffentlich kommt es einmal soweit.“


Im Internet findet man das Tschechische Literaturzentrum unter czechlit.cz. Dort gibt es auch Informationen zu den Residenzprogrammen und Veranstaltungen. Bis zum 15. Februar läuft die Ausschreibung für Arbeitsstipendien im Kloster Broumov. Dafür können sich dieses Mal neben tschechischen auch deutsche Autoren bewerben.

Autor: Annette Kraus
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