Tschechien und der deutsche Asylstreit

Foto: Mstyslav Chernov/Unframe, CC BY-SA 4.0

Erst wollte der tschechische Premier Andrej Babiš auch zum Asyl-Sondergipfel nach Brüssel kommen. Dann aber fügte er sich dem Willen der anderen Visegrád-Staaten und verkündete, er werde der Zusammenkunft am Sonntag fernbleiben. Beobachter in Tschechien halten dies für eine vertane Chance.

Andrej Babiš  (Foto: ČTK / Szilard Koszticsak/MTI via AP)
Die vier Visegrád-Staaten lehnen den Asyl-Sondergipfel am Sonntag ab. Dabei hatte am Donnerstagmorgen der tschechische Premier noch anders geklungen:

„Der Kampf gegen die illegale Migration ist meine Hauptagenda, deswegen fliege ich da hin“, so Andrej Babiš (Partei Ano) in Prag bei einem Pressebriefing.

Offensichtlich wurde er aber beim Visegrád-Treffen in Budapest vom Gegenteil überzeugt oder irgendwie überredet. In einem gemeinsamen Beschluss von Tschechien, Polen und Ungarn und der Slowakei hieß es, nur der Europäische Rat der Staats- und Regierungschef sei befugt, in der Migrationspolitik zu entscheiden. Und Andrej Babiš sagte dann am Donnerstagnachmittag:

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„Es hat keinen Sinn, auf einen Gipfel zu gehen, der höchstwahrscheinlich etwas beschließt, mit dem wir nicht übereinstimmen.“

Der tschechische Premier verwies unter anderem auf die Vorschläge der Europäischen Kommission zur EU-Grenzpolizei Frontex:

„Wir sagen klar: Wenn die Zahl der Frontex-Mitarbeiter von 600 auf 10.000 angehoben werden soll, dann müssen auch die Kompetenzen der Behörde anders zugeschnitten sein. Man kann doch der Frontex nicht mehrere Hundert Millionen Euro geben, nur damit sie Statistiken über die illegalen Migranten erstellt, anstatt Schlepperbanden zu bekämpfen.“

In den Augen der Visegrád-Staaten dient der Asyl-Sondergipfel nur Angela Merkel im innenpolitischen Machtkampf mit Bundesinnenminister Horst Seehofer.

Luboš Palata  (Foto: Radko Kubičko,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Den Ankündigungen nach soll aber in Brüssel am Sonntag vor allem der EU-Gipfel in der kommenden Woche vorbereitet werden. Beschlüsse sind nicht geplant, maximal Absprachen. Deswegen versteht der anerkannte tschechische Journalist Luboš Palata die Entscheidung von Babiš nicht. Der außenpolitische Kommentator der Tageszeitung Mladá fronta Dnes sagte am Donnerstagabend im Tschechischen Fernsehen:

„Ich denke, das ist ein Fehler. Es hätte überhaupt nichts ausgemacht, wenn Babiš von den Visegrád-Staaten als Beobachter beauftragt worden wäre. Tschechien sollte eigentlich begrüßen, dass sich die Vertreter von EU-Staaten zu Beratungen treffen. Darin besteht doch das Wesen der Europäischen Union. Und für Prag wäre es die Chance gewesen, vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung beizutragen.“

Foto: Magharebia,  CC BY 2.0
Und noch aus einem weiteren Grund müsste Tschechien eigentlich an dem Asyl-Gipfel gelegen sein, so Palata. Er verweist darauf, was Babiš noch am Dienstag betont hat: Wenn Deutschland seine Grenzen schließe, könnte dies eine Kettenreaktion auslösen und der freie Warenverkehr im Schengen-Raum zum Erliegen kommen. Tschechien als sehr offene und exportorientierte Wirtschaft würde dabei besonders stark leiden, so der Premier.

„Diese Frage ist aus meiner Sicht vielleicht wichtiger als die Frage der Quoten für die Verteilung von Flüchtlingen. Die Quoten haben für uns eine psychologische und politische Bedeutung, wobei sich dabei Hysterie breitgemacht hat. Ob die Binnengrenzen in Europa offen sind oder nicht, das kann dagegen für jeden hier im Land spürbar werden“, so Kommentator Palata.

Horst Seehofer  (Foto: ČTK / Peter Kneffel/dpa via AP)
Tatsächlich hat Babiš für Freitag wegen der deutschen Pläne zur Grenzschließung sogar den Sicherheitsrat einberufen. Es ist eine Idee von CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Er will Flüchtlinge noch vor Betreten deutschen Bodens zurückweisen lassen, die bereits in einem anderen EU-Land als Asylsuchende registriert wurden. Merkel lehnt nationale Alleingänge in diesem Punkt jedoch ab. Sie will bis Monatsende mit anderen europäischen Staaten über einen Kompromiss verhandeln.