Tschechien plant Abschaffung der Kinderzentren bis Ende 2013

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Auf Tschechisch heißen sie Säuglingsinstitute: gemeint sind damit Kinderzentren für Kleinkinder bis zu drei Jahren, die aus verschiedenen Gründen in ihrer eigenen Familie nicht leben können. Bis Ende des Jahres 2013 sollen diese Kinderzentren nach Plänen des tschechischen Sozialministeriums abgeschafft werden.

Säuglingsheim in Olomouc
In Tschechien gibt es 34 Kinderzentren, in denen im vergangenen Jahr über 2000 Kleinkinder untergebracht waren. Es handelt sich um Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können oder wollen. Aus den Kinderzentren kehren sie etwa in der Hälfte der Fälle in ihre eigene Familie zurück, die anderen werden adoptiert, oder kommen – wenn die Adoption zum Beispiel aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist – in Pflegefamilien.



Miloslav Macela
„Es wurde durch eine Reihe von Forschungen nachgewiesen, dass die institutionelle Pflege die Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst, insbesondere bei Kleinkindern. Die Tschechische Republik ist eines der letzten Länder Europas überhaupt, wo dieser Typ der Pflege noch existiert,“ argumentiert Miloslav Macela, der Leiter der Abteilung für Familie und Sozialleistungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales. Er fügt hinzu:

„45 Prozent der Kinder in Kinderzentren sind dort aus sozialen Gründen. Die erste Maßnahme, die wir realisieren müssen, ist daher, wesentlich intensiver mit der eigenen Familie des Kindes zusammenzuarbeiten. Und als zweite Lösung soll die Erziehung bei Pflegeeltern folgen.“



Das Ministerium will ein Hilfsnetz für Familien in Not mit Assistenten, Familienzentren sowie materieller Hilfeleistung aufbauen. Außerdem sollen sich professionelle Pflegeeltern um die Kinder kümmern. Im neuen Gesetz soll unter anderem eine finanzielle Entlohnung verankert werden, die den Durchschnittslohn übersteigt.

Das Vorhaben des Ministeriums ruft umstrittene Reaktionen bei den Kinderzentren selbst hervor. Dort wird die Frist von 2,5 Jahren kritisiert, in der man ein neues System nicht aufbauen könne. Auch wird darauf verwiesen, dass in den Zentren viele Kinder gesundheitliche Probleme hätten, die eine Behandlung durch Experten bedürfe.

Jaroslava Lukešová
„Es gibt die Vorstellung, dass auch Kinder mit einem Handicap, etwa mit einem Luftröhrenschnitt, in neue Familien kommen. Ich bin kein solcher Optimist“, sagt die Leiterin des Kinderzentrums in Prag-Krč, Jaroslava Lukešová.

Der stellvertretende Direktor des Kinderzentrums in Ústí nad Labem, der Psychologe Pavel Weiss, begrüßt eine Differenzierung bei der Pflege für verlassene Kinder. Er weist aber auch auf Risiken des Vorhabens hin:

„Ich halte es für wahnsinnig, ein funktionierendes System, das sich weiter entwickelt hat und gut arbeitet, abzuschaffen und dieses durch ein Experiment zu ersetzen, das unter unseren Bedingungen überhaupt nicht geprüft wurde. In Tschechien gibt es zurzeit ein System von Pflegeeltern, das sehr gut ist. Diese Pflegeeltern sind dadurch motiviert, dass sie einem Kind helfen wollen. Eine finanzielle Unterstützung erhalten sie zusätzlich. Im neuen System würde sich die Ausgangslage umdrehen. Das Kind würde zu einem Produktionsmittel für jene Interessenten, die sich für den Beruf der Pflegeeltern entscheiden. Ihre Pflege würde dann hinter verschlossener Tür stattfinden, was ein großes Missbrauchsrisiko birgt. Wer wird dann darüber wachen? Ich weiß, wie schwer und problematisch die Aufsicht und die Kontrollen der für den sozial-rechtlichen Kinderschutz verantwortlichen Behörden sind.“

Zur Abschaffung der Kinderzentren ist die Tschechische Republik vom Kinderhilfswerk der Vereinen Nationen (Unicef) aufgefordert worden. Nach den Vorstellungen des Arbeits- und Sozialministers wolle Tschechien nach der Schließung dieser Zentren erreichen, dass bis zum Jahr 2016 alle Kinder zwischen drei und sieben Jahren nicht mehr in Heimen aufwachsen.