Todeszug in die Freiheit

„Todeszug in die Freiheit“ (Foto: Archiv des Mittelböhmischen Museums)
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Der deutsche Dokumentarfilm „Todeszug in die Freiheit“ erzählt die Geschichte eines KZ-Transports in Böhmen in den letzten Kriegstagen 1945. Während der Fahrt des Zugs durch tschechische Bahnhöfe kam es immer wieder zu spontanen und organisierten Hilfeleistungen der tschechischen Bevölkerung. Die Filmautoren Andrea Mocellin und Thomas Muggenthaler sowie der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit, haben den Film am Mittwoch in der Deutschen Botschaft vorgestellt. Martina Schneibergová war für Radio Prag bei dieser Tschechien-Premiere dabei. Nach der Filmvorstellung hat sie mit Jörg Skriebeleit und Thomas Muggenthalter gesprochen.

„Todeszug in die Freiheit“  (Foto: Archiv des Mittelböhmischen Museums)
Herr Skriebeleit, die Entstehungsgeschichte des Films ist sehr lang. Waren Sie von Anfang an dabei?

„Wir von der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg waren die ersten Deutschen, die auf diese Fotos aufmerksam gemacht worden sind. Wir haben Anfang 2000 in den tschechischen Archiven für unsere erste Dauerausstellung recherchiert. Dabei haben wir im Archiv des Militärhistorischen Museums und im Archiv des Mittelböhmischen Museums in Roztoky bei Prag Fotos gefunden, die wir nie zuvor gesehen hatten – weder im Kontext mit Flossenbürg oder mit der Auflösung eines anderen KZ. Sie zeigen KZ-Häftlinge in den Güterwaggons und wie diesen Häftlingen geholfen wird. Es hat eine Zeit gedauert, bis wir realisiert haben, dass diese vielen Fotos – mittlerweile über 100 – dasselbe Ereignis zeigen, nur an verschiedenen Orten: den Todeszug aus dem Außenlager Leitmeritz (heute Litoměřice, Anm. d. Red.) in Richtung Mauthausen.“

Jörg Skriebeleit  (Foto: Archiv der Deutschen Botschaft Prag)
Wie viele Tage hat das gedauert, bis der Zug gestoppt wurde und die Gefangenen befreit wurden?

„Knapp zehn Tage. Ende April wird der Zug in Lovosice zusammengestellt, Ende April ist er in Roztoky. Noch vor dem 5. Mai (Ausbruch des Prager Aufstands, Anm. d. Red.) fährt er durch Prag. Mehrere Tage lang steht der Zug in Olbramovice und wird buchstäblich am letzten Tag des Krieges, am 8. Mai, in der Nähe von Budweis (heute České Budějovice, Anm. d. Red.) befreit. Es ist ein Drama, das sich in den letzten Kriegstagen abspielt.“

Wie erklären Sie sich die Hilfsbereitschaft der tschechischen Bevölkerung in den Orten, an denen der Zug hielt? Die Menschen haben den Häftlingen Essen gebracht und mehreren von ihnen sogar geholfen, zu fliehen…

„Ich glaube, dass man die besondere psychologische Situation der Bevölkerung kurz vor dem Kriegsende in Betracht ziehen muss. Man sah schwerste Menschenrechtsverletzungen in Form von ausgehungerten KZ-Häftlingen, die durch den eigenen Bahnhof fahren mussten. Es ist eine Widerstandsaktion, die sich in purer Menschlichkeit ausdrückt: ,Wir helfen jenen so kurz vor Kriegsende, die von den Deutschen ermordet werden.‘“


Thomas Muggenthaler  (Foto: Archiv der Deutschen Botschaft Prag)
Herr Muggenthaler, was war für Sie die Hauptmotivation, den Film zu drehen?

„Aufsehenerregend waren diese Fotos und die kurze Filmaufnahme, die es von diesem Transport gibt. Es sind sehr eindrückliche Fotos, die es von keinem anderen KZ-Transport gibt. Nicht nur die Fotos, sondern vor allem die Hilfsaktionen sind so einmalig, dass man einfach einen Film darüber machen musste. Die gesamte Geschichte des Zuges hat Höhen und Tiefen. Aber man kann daran feststellen, wie die tschechische Bevölkerung immer auslotet, wie weit sie gehen kann, und wie sie ihre Handlungsräume immer ausweitet. Sie verhandelt mit den Deutschen, setzt immer etwas durch, um vielen Häftlingen helfen zu können. Da es so etwas aus Deutschland nicht dokumentiert ist, war es zwangsläufig, dass ich darüber einen Film drehen musste.“