Streit zwischen Staat und Diag Human: Wertvolle Musikinstrumente müssen ins Magazin

Keine Kunstwerke im staatlichen Besitz dürfen seit Ende Mai mehr aus Tschechien herausgebracht werden. Diejenigen, die sich dort befunden haben, wurden bereits in die Heimat zurückgeholt. Nun geht die Angst vor der Pfändung aber weiter: Auch wertvolle Musikinstrumente aus der Sammlung des Nationalmuseums, die normalerweise an bedeutende tschechische Virtuosen verliehen werden, müssen zurück ins Museum. Warum? Der Streit zwischen dem tschechischen Staat und dem Blutplasma-Unternehmen Diag Human steckt dahinter.

Foto: ČT24
Der Hintergrund muss erläutertet werden: Die Firma Diag Human fordert von Tschechien rund 400 Millionen Euro Entschädigung dafür, dass sie in der ersten Hälfte der 90er Jahre bei der staatlichen Ausschreibung zur Lieferung von Blutplasma benachteiligt wurde. Nach einem jahrzehntelangen Rechtsverfahren entschied im Jahr 2008 ein Schiedsgericht in Paris, dass Tschechien dem Unternehmen für entgangene Gewinne eine Entschädigung bezahlen müsse, der tschechische Staat betrachtet dennoch das Verfahren als nicht beendet. Diag Human hat daher bereits drei tschechische Kunstobjekte in Wien konfiszieren lassen und drohte auch mit der Beschlagnahme des Tschechischen Zentrums in Paris. Das tschechische Kulturministerium hat daraufhin eine Aktion gestartet, bei der alle sich im Ausland befindlichen Gemälde und Kunstwerke in die Heimat zurückgeholt wurden.

Die Schutzmaßnahmen gehen aber weiter. Nun wurden auch tschechische Virtuosen aufgefordert, seltene Musikinstrumente, auf denen sie spielen, im Tschechischen Musikmuseum abzugeben. Es handelt sich um zehn historische Geigen und Violoncelli von namhaften italienischen Meistern, die aus der Staatlichen Sammlung der Musikinstrumente stammen. Die Sammlung wird vom Nationalmuseum verwaltet und Virtuosen bedeutender tschechischer Ensembles können Teile daraus dauerhaft ausleihen.

Das Talich-Quartett nutzt zum Beispiel eine Geige von Antonio Stradivari und ein Cello von Giovanni Grancini aus der Sammlung. Der Cellist Petr Prause:

Jitka Vlašánková mit dem Martinů-Quartett  (Foto: Archiv des Quartetts)
„Wir respektieren diese Entscheidung. Wir wollen diese Instrumente, die von riesigem, nicht nur finanziellem sondern auch künstlerischem Wert sind, nicht als Pfand beim Gericht irgendwo in Paris oder Wien abgeben. Wir wurden gebeten, die Instrumente nicht ins Ausland mitzunehmen. Da wir aber überwiegend außerhalb der Tschechischen Republik spielen, werden wir unsere eigenen Instrumente verwenden, bis die Situation gelöst wird.“

Auch das Zemlinsky-Quartett musste zwei Geigen abgeben. Ebenso die Cellistin Jitka Vlašánková vom Martinů-Quartett ist mittlerweile ohne Instrument:

„Ich verstehe den Staat, dass er sein Eigentum schützen will. Es hat aber für uns ernsthafte Folgen. Das Instrument ist für unsere Arbeit entscheidend. Besonders Konzertveranstalter im Ausland wollen nicht nur einen hervorragenden Interpret, sondern auch wertvolle alte Instrumente hören. Jeder Musiker, der ein solches Instrument spielt, führt es in seinem Lebenslauf, im Programmheft an. Das Instrument beeinflusst also sehr seine Karriere und Erfolg.“

Tomáš Pilař
Die staatliche Musikinstrumentensammlung enthält einige Duzend Streichinstrumente. Wer diese spielen darf, darüber entscheidet eine Kommission. Mitglied der Kommission ist auch der Geigenbauer Tomáš Pilař:

„Die Instrumente sind nicht nur besonders wertvoll, sondern auch gebrauchsfähig. Dazu gehören Instrumente von berühmten italienischen Instrumentenbauern. Nicht alle Instrumente sind immer verliehen, und die Musiker können aus einer Liste die freien Instrumente auswählen. Der Musiker muss vertrauenswürdig sein, er muss sich um das Instrument gut kümmern und auch Leihgebühren zahlen.“

Derzeit müssen die Geigen und Violoncelli allerdings im Kontor des Nationalmuseums warten, bis der Streit zwischen Tschechien und Diag Human beigelegt ist. Wann es dazu kommt, ist nicht klar. Neuigkeiten über eine Lösung des Konflikts sind jedenfalls nicht bekannt.