Sozialwissenschaftler: Pro-russische Propaganda in Tschechien ausgeklügelt und subtil

Foto: Tomáš Adamec, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Das Verhältnis zwischen Russland und der Europäischen Union ist schlecht. Vor allem die Ukraine-Krise stellt eine massive Belastung der Beziehungen dar. Dabei spielen auch die Medien eine große Rolle. Die Masaryk-Universität in Brno / Brünn hat sich nun mit der russischen Propaganda in Tschechien auseinandergesetzt.

Illustrationsfoto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Seit Beginn des Konflikts in der Ukraine haben sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland verschlechtert. Vor allem die Nato-Staaten werfen Russland vor, eine hybride Taktik gegenüber der Union zu fahren. Zu dieser Taktik gehören auch die Medien. Sozialwissenschaftler der Masaryk-Universität in Brünn haben sich nun mit prorussischer Propaganda in tschechischen Internetmedien beschäftigt. Dafür analysierten sie zahlreiche Artikel und Beiträge des laufenden Jahres. Miloš Gregor ist Leiter der Untersuchung:

„Zur Analyse haben wir uns die Medien ausgesucht, die laut Experten prorussische Desinformationen verbreiten. Namentlich sind das die Portale ‚Sputnik‘, ‚AC24‘ und ‚Svět kolem nás‘. Auch haben wir die ‚Parlamentní listy‘ berücksichtigt. Diese sind jedoch nicht unbedingt mit den anderen Medien gleichzusetzen. Sie stellen nämlich eine Zwischenstufe zum medialen Mainstream dar.“

Sputnik News
Bei „AC24“ und „Svět kolem nás“ handelt es sich um tschechische Medien mit teilweise prorussischer Ausrichtung. Die „Parlamentní listy“ hingegen befinden sich schlicht am rechten Rand der Medienlandschaft. Als Ableger der russischen Zeitung „Rossija segodnja“ ist „Sputnik“ eigentlich das einzige russische Medium in der Auswahl. Diese Portale seien zudem die meistgelesenen russlandfreundlichen Medien, fügt Gregor hinzu. Das mache die Auswahl repräsentativ, ausgehend von ihrem Einfluss auf die öffentliche Debatte.

Auf den Internetseiten sollen in Tschechien prorussische Standpunkte, aber auch Fehlinformationen verbreitet werden. Das Stichwort der Forscher ist hierbei Propaganda. Diese sei jedoch anders als zu Zeiten der Sowjetunion. Plakate und Kampflieder suche man vergebens, so Miloš Gregor:

Miloš Gregor  (Foto: Archiv der Masaryk-Universität in Brno)
„Häufiger als die klassischen Formen der Propaganda treten ausgeklügelte Techniken auf: Schuldzuweisungen, Fabulieren und Meinungsmanipulationen. Weitere Elemente sind auch die Verbreitung von Angst und die Dämonisierung des entsprechenden Feindes.“

Auf den Portalen sind demnach keine Lobeshymnen auf Russland oder den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu finden. Diese werden sogar überwiegend neutral bewertet. Laut den Forschern macht die Berichterstattung über Russland selbst auch nicht die Mehrzahl der Beiträge aus. Entscheidender sind aber die Themenwahl und die Darstellung der Gegner. Petra Vejvodová war ebenfalls an der Untersuchung beteiligt:

„Die Medien bedienen sich beispielsweise der Etikettierung gewisser Menschen. Es handelt sich um eine klassische Technik der Manipulation, bei der Stereotype geschaffen werden. Dabei wird ein bestimmter Politiker mit einem eindeutigen Begriff gekennzeichnet. In unserer Untersuchung sind beispielsweise folgende Etikettierungen aufgetaucht: Der feige Erdogan, der Lügner Poroschenko oder der Terrorist Schapiro, also der Botschafter der USA in Tschechien. Das bedeutet, die Personen wurden in den Berichten nicht nur mit Namen und Funktion benannt, sondern vor allem mit einer Wertung.“

Petra Vejvodová  (Foto: Archiv Eutis)
Auf die Frage, ob die Medien zentral aus dem Kreml gesteuert oder finanziert seien, gibt die Studie jedoch keine Antwort. Es sei lediglich um die Techniken der Manipulation gegangen, meint dazu Petra Vejvodová. Auch den Wahrheitsgehalt der Berichte habe man aus diesem Grund nicht geprüft.

Kritik, dass die Studie der Brünner Sozialwissenschaftler ihrerseits als pro-europäische Propaganda gelten könnte, lehnt Milos Gregor aber entschieden ab:

„Diese Kritik zu solchen Analysen kommt oft. Hier ergibt sich natürlich ein Problem: Man ist immer für den angreifbar, der auf einer anderen Seite steht. Wir haben unsere Untersuchung sehr allgemein gehalten. Wir haben also auch geschaut, ob diese Techniken im Sinne der EU oder Nato genutzt werden. Aber Vergleichbares haben wir dort nicht gefunden.“