Regionalgeschichte in riesigem Buch: eine tschechisch-österreichische Koproduktion

„Heimatkreis Neubistritz in Wort und Bild“

Im österreichischen Reingers lässt sich im Heimatmuseum ein ganz besonderes Buch einsehen. In der Gemeinde an der tschechischen Grenze realisierten eine Journalistin und ein Historiker ein Projekt, das alleine durch seine Maße beeindruckt. Der Inhalt steht dem aber in nichts nach.

Monika Horáková
„Heimatkreis Neubistritz in Wort und Bild“ ist ein Buch, das in kein Bücherregal gehört. Für die meisten Wohnzimmerregale wäre es wohl zu groß. Vor allem aber ist das Buch im wahrsten Sinne des Wortes einmalig, sagt seine Herausgeberin Monika Horáková:

„Das Buch gibt es wirklich nur einmal, es liegt im Museum in Reingers. Wir haben es in einem größeren Format als gewöhnlich gemacht, im Format A2. Es geht darum, die Fotos richtig gut zu sehen, und auch darum, dass die Texte groß genug sind, weil natürlich auch ältere Leute in dem Buch blättern möchten.“

„Heimatkreis Neubistritz in Wort und Bild“
Die tschechische Journalistin Monika Horáková und der österreichische Historiker Niklas Perzi haben in dem Buch die Geschichte der Häuser rund um das heutige Nová Bystřice / Neubistritz dokumentiert. Bis 1945 lebten in der Region an der österreichischen Grenze hauptsächlich Deutsche, nach dem Krieg wurden die meisten nach Österreich vertrieben. Auch das Buch liegt nun in Österreich aus, und zwar im Heimatmuseum der Gemeinde Reingers.

„Neubistriz ist eine kleine Stadt, direkt an der tschechisch-österreichischen Grenze. Sie ist gleichzeitig ein Grenzübergang. Reingers liegt auf der anderen Seite der Grenze. Gleichzeitig ist Reingers auch die Patengemeinde der Deutschen, die vor 1945 rund um Neubistritz gelebt haben. Reingers war die erste Gemeinde, in die die Deutschen im Mai 1945 kamen.“

„Heimatkreis Neubistritz in Wort und Bild“
Im Buch werden 75 Dörfer und Städte dokumentiert, die um Nová Bystřice und Jindřichův Hradec / Neuhaus liegen. Den Hauptteil bilden Fotos. Die Häuser wurden vor und nach 1945 aufgenommen. So lassen sich Veränderungen erkennen – manchmal zum Positiven, oftmals aber auch zum Negativen, meint Horáková. Außerdem findet man im Buch Listen von ehemaligen Hausbewohnern. Es lässt sich also nachvollziehen, wer zu welcher Zeit in welchem Haus gelebt hat. Das Buch erinnert an ein ähnliches Projekt der tschechischen Organisation Antikomplex: an die Dokumentation Zmizelé Sudety, Verschwundenes Sudetenland.

„Es ist kein Geheimnis, dass die Tätigkeit von Antikomplex eine Inspiration für uns war. Unserem Gebiet hat sich Antikomplex aber noch nicht so detailliert gewidmet. Wir bringen also etwas Neues durch die Inspiration von Antikomplex.“

„Heimatkreis Neubistritz in Wort und Bild“
Das Projekt wurde von der Gemeinde Reingers und vom Heimatkreis Neubistritz finanziert. Allerdings werden nicht nur Österreicher bzw. vertriebene Deutsche angesprochen, denn das Buch ist zweisprachig, Deutsch und Tschechisch. Auch die heutigen tschechischen Bewohner der Gegend um Neubistritz interessieren sich für die Vergangenheit ihrer Häuser, weiß Monika Horáková:

„Wir haben es absichtlich Deutsch und Tschechisch gemacht, damit beide Seiten, sowohl die tschechische als auch die österreichische, etwas über die Gegend lernen. Die Reaktionen waren äußerst positiv, besonders von tschechischer Seite, das hat mich wirklich überrascht. Die Leute interessieren sich sehr dafür. Sie wären froh, wenn wir das Buch auch in einem kleineren Format anbieten könnten, damit sie es kaufen können. Oft sind es auch Leute, die mit der Region noch nicht sehr lange verbunden sind. Sie kommen aus Prag oder aus Brünn, haben ihr Wochenendhaus bei Neubistritz oder Neuhaus und möchten einfach wissen, wie die Geschichte der Region ist.“

Monika Horáková  (2. von rechts)
Geschichtsschreibung als bürgernahes Projekt also. Und als Konzept zum Abbau von Ängsten, dort, wo noch 1989 der Eiserne Vorhang die Landschaft durchschnitten hat.