Regierungsbildung nimmt überraschenden Neuanfang

Jiri Paroubek und Miroslav Kalousek (v.l.n.r., Foto: CTK)

Knalleffekt im Tauziehen um die nächste tschechische Regierung: Bis Donnerstagmittag schien es noch wahrscheinlich, dass die Sozialdemokraten (CSSD) eine Minderheitsregierung der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) unterstützen werden. Am frühen Nachmittag aber platzte die Bombe: Auf einer spontan einberufenen Pressekonferenz erklärte der sozialdemokratische Parteichef Jiri Paroubek die Verhandlungen mit der ODS für beendet. Jetzt wollte Paroubek mit den Christdemokraten ins Gespräch kommen, dort gibt es aber Widerstand. Gerald Schubert berichtet.

Jiri Paroubek und Miroslav Kalousek  (v.l.n.r.,  Foto: CTK)
In wichtigen Schlüsselfragen wie etwa der Steuer- und Sozialpolitik sei die ODS einfach zu unnachgiebig gewesen, meint Jiri Paroubek und begründet so seinen Ausstieg aus den Verhandlungen. Jetzt möchte er die Christdemokraten (KDU-CSL) ins Boot holen und ohne ODS selbst eine Regierung auf die Beine stellen.

"Beide Parteien, also Sozial- und Christdemokraten, haben eine reichhaltige historische Erfahrung, beiden geht es um die Verantwortung für den Staat", so Paroubek - eine Anspielung auf die ODS, die erst Anfang der neunziger Jahre als wirtschaftsliberale Nachwende-Partei entstanden war. Deren Chef wiederum, Mirek Topolanek, ist als Vorsitzender der stimmenstärksten Partei zwar offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt, brachte aber seit den Wahlen Anfang Juni keine ausreichende Mehrheit für ein Kabinett unter seiner Regie zustande.

Dasselbe Problem hätten eigentlich auch Sozial- und Christdemokraten. Der gordische Knoten bestand bisher nämlich immer darin, dass niemand außer den Sozialdemokraten mit der drittstärksten Partei des Landes, nämlich den Kommunisten (KSCM) gemeinsame Sache machen wollte.

Mirek Topolanek und Petr Necas  (v.l.n.r.,  Foto: CTK)
Gerade hier zeichnet sich nun aber ein überraschender Schwenk des christdemokratischen Parteichefs Miroslav Kalousek ab. Eine Tolerierung des Kabinetts durch die Kommunisten schließt er nicht mehr aus, wenn damit die Einführung eines Mehrheitswahlrechts verhindert werden kann.

"Wenn Sie mich fragen, ob das ein politisches Zugeständnis ist, dann muss ich sagen: Ja, und zwar ein sehr großes. Wenn es aber der Preis dafür ist, dass der politische Pluralismus im Land erhalten bleibt, und wir zum reinen Verhältniswahlrecht zurückkehren, dann werde ich den Parteigremien vorschlagen, diesen Preis zu zahlen", sagt Kalousek, dessen relativ kleine Partei ein Mehrheitswahlsystem wohl benachteiligen würde.

ODS-Chef Mirek Topolanek schäumt:

"Laut Verfassung sind es derzeit wir, die für die Regierungsbildung verantwortlich sind. Wir fordern alle wirklichen Demokraten in allen Parteien dazu auf, mit uns gemeinsam eine Rückkehr der Kommunisten an die Macht zu verhindern", so der designierte Premierminister Topolanek.

Das könnte bedeuten, dass Topolanek nun alles auf eine Karte setzen will und im Abgeordnetenhaus ohne gesicherte Mehrheit die Vertrauensfrage stellt. Laut Politologen wäre das auch seine letzte Chance, nicht als Kurzzeit-Regierungschef ohne Regierung in die tschechische Geschichte einzugehen. Nachdem am Freitagabend Miroslav Kalousek überraschend als Parteichef der Christdemokraten zurückgeträten ist, steht die Regierungsbildung in Tschechien aber ohnehin vor völlig neuen Voraussetzungen.