Regierung will Einfluss auf den Bau von Reaktorblöcken im AKW Temelín

Der halbstaatliche tschechische Energiekonzern ČEZ möchte das Atomkraftwerk Temelín in Südböhmen ausbauen, darüber haben wir bereits berichtet. Im August machte ČEZ daher eine öffentliche Ausschreibung für den Bau zweier neuer Reaktorblöcke inklusive Option für drei weitere Reaktorblöcke in Europa. Der Auftragswert beläuft sich auf umgerechnet rund 20 Milliarden Euro. Der gigantische Auftrag gerät nun aber immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik selbst aus Regierungskreisen.

Die Kritik entzündet sich vor allem an einem: dem Interesse der russischen Firma Atomstrojexport. Die Firma gehört zu dem vom Kreml gesteuerten Konzern Rosatom. Ihr werden große Chancen eingeräumt, die Ausschreibung zu gewinnen. Die Kritiker befürchten, dass Tschechiens Abhängigkeit von russischer Energietechnik und auch von russischen Rohstofflieferungen dann weiter wächst.

Martin Bursík  (Foto: Zdeněk Vališ)
„Die Fixierung und die Bindung der tschechischen Energiewirtschaft an Russland halte ich für ausgesprochen alarmierend“, warnte vor kurzem der Grünen-Politiker Martin Bursík im Abgeordnetenhaus.

Nicht unbegründet, denn Russland wird künftig möglicherweise der einzige Lieferant für Uran nach Tschechien sein. Technik und Rohstoffe – beides vom undurchsichtigen Handelspartner Russland – da geht mittlerweile das Unbehagen hoch bis in Regierungskreise. Doch die waren zu spät informiert worden. Zwar hatte ČEZ die Temelín-Ausschreibung noch mit dem vorherigen Premier Mirek Topolánek konsultiert. Doch nach dessen Sturz hielt man es wohl nicht für notwendig, noch einmal den Nachfolger zu Rate zu ziehen. Und so erfuhr das neue, parteilose Kabinett erst davon, als die Ausschreibung bereits lief. Im Oktober meldeten Premier Jan Fischer und Finanzminister Eduard Janota aber Bedenken an und forderten ein Mitspracherecht. Zu spät, denn Ausschreibungen ließen sich nicht rückwirkend ändern, erläuterte Václav Hlavinka aus der Führungsetage von ČEZ kürzlich dem Tschechischen Rundfunk:

„Das Ausschreibungsverfahren wird maximal offen, nicht-diskrimierend und transparent sein, damit alle Anbieter die gleiche Ausgangslage habe.“

Die aktuelle Regierung überlegt indes, trotzdem einzugreifen. Wie die Zeitung „Hospodářské noviny“ aktuell berichtet, könnte ein Sondergesetz erlassen werden. Mit dieser so genannten „Lex Temelín“ würde die Vergabe zum Bau der neuen Reaktorblöcke aus dem Gesetz über öffentliche Aufträge herausgenommen. Damit wäre der Weg frei für einen politischen Eingriff. Der Beauftragte für Energiesicherheit der tschechischen Regierung, Václav Bartuška, hält dies für legitim. Jeder Staat habe das Recht, eigene Gesetze zur nationalen Sicherheit zu erlassen, sagte er der „Hospodářské noviny“. Doch öffentliche Ausschreibungen richten sich nach europäischem Recht. Fühlt sich einer der Bewerber – in dem Fall Rosatom - diskriminiert, dann könnte dies zu einer teuren Klage gegen die Tschechische Republik führen.