Regierung beschließt Ausbau der Braunkohleförderung, Ärzte und Ökologen warnen

Foto: Tomáš Adamec, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Fast zwei Jahre lang haben Regierungspolitiker diese Entscheidung erwogen: Am Montag hat das Kabinett Sobotka nun beschlossen, dass in Nordböhmen der Braunkohletagebau ausgeweitet wird. Allerdings nicht in der umstrittenen Grube ČSA, sondern in der benachbarten Grube Bílina. Umweltschützer und Wissenschaftler halten dies jedoch für unverantwortlich.

Foto: Tomáš Adamec,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Die Entscheidung des Mitte-Links-Kabinetts kippt ein Tabu. Nach der politischen Wende hatte die damalige tschechische Regierung bestimmte Fördergrenzen für den Braunkohletagebau festgelegt. Es war die Zeit, als die verheerenden Folgen der Umweltverschmutzung in Nordböhmen an den Tag kamen. Noch immer ist diese Gegend von Smog geplagt, die Landschaft geschunden. Dennoch hat die Koalition aus Sozialdemokraten, Partei Ano und Christdemokraten einstimmig votiert für den Ausbau der Braunkohleförderung. So auch Umweltminister Richard Brabec von der Partei Ano:



Richard Brabec  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Für einen Umweltminister ist das immer eine sehr schwere Entscheidung, weil jede Förderung von Bodenschätzen – und vor allem der Tagebau – auch negative ökologische Folgen hat. Andere Aspekte haben aber stärker gewogen, vor allem die Beschäftigung in der Region und die Energiesicherheit.“

Gerade am Südrand des Erzgebirges mangelt es an Jobs, im betroffenen Bezirk Most / Brüx sind fast zwölf Prozent der Menschen arbeitslos und damit knapp doppelt so viele wie im Landesschnitt.

Grube ČSA  (Foto: Khalil Baalbaki,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Konkret aufgehoben wurde die bisherige räumliche Begrenzung der Grube Bílina. Fachleute glauben, dort bis zu 100 Millionen Tonnen Braunkohle zusätzlich gewinnen zu können. Die Entscheidung gilt als Kompromiss. Denn zuvor war über die Erweiterung der benachbarten Grube ČSA diskutiert worden. Dort aber hätten Teile der Gemeinde Horní Jiřetín / Ober-Georgenthal den Schaufelbaggern weichen müssen. Deswegen warb Premier Bohuslav Sobotka am Montag für den Regierungsbeschluss.

„Für die Ausweitung der Grube muss kein Haus abgerissen oder anderweitig in Siedlungsgebiete eingegriffen werden. Interessenskonflikten ist somit vorgebeugt. Und die Kohle aus der Grube Bílina, das muss man sich bewusst machen, brauchen wir für Heizkraftwerke, Elektrizitätswerke und Haushalte“, so Sobotka in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Radim Šrám  (Foto: ČT24)
Doch es gibt auch andere Meinungen. Ärzte, Wissenschaftler und Bürgerinitiativen warnen in einem offen Brief an die Regierung, sie befürchten weitere schwere Folgen für Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung in der Region. Radim Šrám ist Vorsitzender der Umweltkommission bei der Akademie der Wissenschaften:

„Nur in dieser Gegend ist die durchschnittliche Lebenserwartung bei Männern und Frauen um zwei Jahre kürzer als im Rest der Republik.“

Jan Mládek  (rechts). Foto: ČTK
Umweltschützer finden zudem, dass die Entscheidung im Widerspruch stehe zum neuen Energiekonzept der Regierung. Dort heißt es nämlich, dass der Anteil von Kohle am Primärenergieverbrauch bis 2040 deutlich zurückgehen solle. Industrie- und Handelsminister Jan Mládek (Sozialdemokraten) argumentiert allerdings, die Alternative sei ein Ausbau der Atomkraft – doch für dieses Vorhaben bestehe noch kein endgültiges Konzept.

Autor: Till Janzer
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