Reform von unten: Kritik an Schulz‘ EU-Vorstoß

Martin Schulz (Foto: ČTK)

Martin Schulz hat mit seiner Vision für Europa für Furore gesorgt. Tschechische Politiker zeigen sich reserviert.

Martin Schulz  (Foto: ČTK)
Über einen neuen Verfassungsvertrag die Vereinigten Staaten von Europa schaffen und jeden nach draußen bitten, der das nicht unterstützt. Und das alles bis zum Jahr 2025. So präsentierte Martin Schulz auf dem SPD-Krisenparteitag Ende vergangener Woche seine Vision von der Europäischen Union. Der Vorstoß hat aber nicht nur in Deutschland für Diskussionen gesorgt. Auch im traditionell euro-skeptischen Tschechien ist die Vision des ehemaligen Vorsitzenden des Europaparlaments zum Thema geworden. Der scheidende Außenminister Lubomír Zaorálek machte im Tschechischen Fernsehen deutlich, dass er sich eher einen anderen Weg in die Zukunft der EU wünscht:

„Die ganze Arbeit, die wir vor uns haben, kann nicht durch eine große Reform der Institutionen bewältigt werden. Wir müssen unten anfangen, damit wir Aufgaben wie die Konvergenz oder Kohäsion lösen können. Also all die Probleme, die derzeit zwischen dem Westen und dem Osten der EU stehen. Das müssen wir anpacken, jedoch halte ich die Schaffung neuer Institutionen für unnötig.“

Für Lubomír Zaorálek hat der Vorstoß seines deutschen Parteikollegen Schulz auch nur bedingt etwas mit einer europaweiten Diskussion zu tun. Einerseits sei es ein Muskelspiel des Sozialdemokraten gegenüber Angela Merkel, so Zaorálek. Immerhin stünden Deutschland zähe Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und der SPD bevor. Andererseits dürfte die Europa-Vision des Würseleners ein Signalschuss in Richtung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sein, so Zaorálek weiter. Schulz wolle nämlich noch europäischer sein als der frischgebackene Träger des Aachener Karlspreises:

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČTK)
„Es wird immer offensichtlicher, dass Macron eine der stärksten Figuren ist, wenn es um Europa geht. Mir scheint nun, dass Schulz mit seiner Rede nicht nur Angela Merkel in ihrem Europäisch-Sein überholen will. Er will zudem zeigen, dass Deutschland noch fähiger und schneller in der Frage einer EU-Reform ist, als der französische Präsident.“

Auch der Vizevorsitzende des Europaparlaments, Pavel Telička, stimmt dem tschechischen Noch-Außenminister zu:

„Solche Vorschläge gibt es immer wieder einmal von allen möglichen Politikern in Europa. Sicher ist die Rede von Martin Schulz eher an ein heimisches Publikum gerichtet, als tatsächlich ins Ausland. Aber es ist ein weiterer Beitrag zu einer interessanten Debatte.“

Der ehemalige Ano-Politiker verweist insbesondere auf das Tauziehen um die Zukunft der Union, das unter anderem den EU-Gipfel Ende der Woche bestimmen soll:

Pavel Telička  (Foto: Filip Jandourek,  ČRo)
„Eine Sache ist klar: Wir werden ab dem Gipfeltreffen in dieser Woche mehr über die Zukunft Europas reden müssen. Die Union hat sich mittlerweile konsolidiert, auch wenn das viele Politiker hier in Tschechien noch nicht wahrhaben wollen. Wir müssen uns einfach klar werden, welche Probleme auf nationaler und welche nur auf europäischer Ebene gelöst werden können.“

Er selbst hält den Vorstoß von Martin Schulz für unrealistisch, vor allem mit dem Datum 2025. Man sollte sich vielmehr nach Bundeskanzlerin Angela Merkel richten, so Pavel Telička. Sie hat die Vision ihres potentiellen Koalitionspartners am Wochenende relativiert:

„Ich schließe mich Merkel in ihrer Meinung an, will sie aber noch in einem Punkt ergänzen. Wir sollten eine tiefere Integration anstreben in den Bereichen, in denen das nötig ist. Es sollte aber keine Integration um jeden Preis und auf allen Ebenen sein. Das Ziel kann nicht ein föderales Gebilde sein, also die Vereinigten Staaten von Europa, oder wie man das dann nennen möchte.“