Reaktionen auf den Brexit: Tschechische Politiker fordern Reform der EU

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Jetzt ist doch passiert, was zuletzt eher unwahrscheinlich schien. Eine Mehrheit der Briten hat für einen Austritt aus der Europäischen Union votiert. In Tschechien reagieren nach dem ersten Schock die Politiker praktisch im Minutentakt auf das Ergebnis des britischen Referendums. Die meisten empfehlen eine Reform der EU, und wer skeptisch gegenüber Brüssel ist, fühlt sich nun bestätigt.

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Der Schock sitzt auch im politischen Prag sehr tief. Die Europäische Union werde nach dem Brexit nicht mehr dieselbe sein, schrieb Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) am Freitagmorgen auf den Webseiten der Regierung. Der tschechische Regierungschef weilte in dem Moment zu einem offiziellen Besuch in Wien. Dort sagte er, die Europäische Union müsse sich nun verändern, damit sie mehr Unterstützung der Bürger erhält. Gegenüber dem Tschechischen Fernsehen erläuterte Sobotka:

„Ich denke, es ist wichtig, dass die Union handlungsfähiger wird, flexibler und weniger bürokratisch. Auf der Ebene der Institutionen – dem Europäischen Rat, der Kommission und dem EU-Parlament – muss mehr Verständnis herrschen für die logischen Unterschiede in den 27 Mitgliedsländern.“

Jan Bartošek  (Foto: Archiv von Jan Bartošek,  CC BY 3.0)
Der Wunsch nach Veränderungen in der EU klang auch bei den meisten weiteren tschechischen Politikern an – und das quer durch die Fraktionen. Zugleich äußerten sich viele besorgt über eine mögliche Welle des Nationalismus und Separatismus in Europa. So etwa der stellvertretende Vorsitzende der mitregierenden Christdemokraten, Jan Bartošek.

„Soweit ich weiß, haben die Niederländer heute bereits ein Referendum angekündigt. Ich glaube, dass dieser Trend anhalten wird, zum Schaden der EU. Ich habe zwar auch Einwände gegen das Funktionieren der Union gehabt, aber sobald die EU beginnt, auseinanderzufallen und sich aber nicht reformiert, werden wir alle verlieren – inklusive Großbritannien.“

Beflügelt waren am Freitag nur die Europaskeptiker in Tschechien. Allen voran der ehemalige Staatspräsident Václav Klaus. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte der 75-Jährige:

Václav Klaus  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Das ist ein wunderbarer und außergewöhnlicher Tag. Was gestern in Großbritannien geschehen ist, ist ein Sieg aller europäischer Demokraten und aller Menschen, die in einer freien Welt leben wollen. Das sind jene Leute, die total unzufrieden sind damit, welche Richtung die Europäische Union mindestens seit dem Maastricht-Vertrag eingeschlagen hat.“

Václav Klaus hat allerdings keine politischen Funktionen mehr inne, und die aktiven Politiker sind eher besorgt um die Folgen des britischen Referendums. Erneut tauchte dabei am Freitag die Frage nach einem möglichen Czexit auf, also einem tschechischen EU-Austritt. Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) antwortete darauf kurz vor dem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen in Brüssel:

Lubomír Zaorálek  (Foto: ČT24)
„Tschechien lebt davon, dass es ein exportorientiertes Land ist. Meiner Meinung nach sind wir froh um die Freizügigkeit innerhalb der EU, die Reisefreiheit und Studienmöglichkeiten im Ausland. Für unsere Unternehmer ist Großbritannien das viertbedeutendste Exportland. Es ist wichtig, dies den Menschen zu vermitteln. Dann werden wir uns in Tschechien darüber auch nicht unterhalten müssen.“