Prager Vertrag vor 35 Jahren - zustande gekommen mit Druck aus Moskau

Willy Brandt und Lubomír Štrougal bei Unterzeichnung des Prager Vertrags (Foto: ČTK)

Vor 35 Jahren unterschrieben der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und der tschechoslowakische Ministerpräsident Lubomír Štrougal den so genannten Prager Vertrag. Es war der letzte Baustein in der neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition in Bonn. Für Prag hatte das Dokument jedoch keine vorrangige Bedeutung – wenn da nicht Moskau gewesen wäre.

Willy Brandt und Lubomír Štrougal bei Unterzeichnung des Prager Vertrags  (Foto: ČTK)
Die Verhandlungen über den Prager Vertrag zogen sich dreieinhalb Jahre hin Erst dann konnte eine gemeinsame Formulierung zum Münchner Abkommen von 1938 gefunden werden. Das Abkommen, mit dem Hitler sich die Sudetengebiete unter den Nagel gerissen hatte, wurde in dem Vertrag vom 11. Dezember 1973 für nichtig erklärt. Zudem erklärten beide Seiten, keinerlei Gebietsansprüche aneinander zu haben und bekannten sich zur Unverletzlichkeit der gemeinsamen Grenze. Des Weiteren wurde der Weg für die Aufnahme von Kontakten in mehreren Bereichen wie unter anderem der Wirtschaft, Kultur oder des Verkehrs geebnet. Was der Vertragsabschluss für die Tschechoslowakei bedeutete, dazu sprach Till Janzer mit dem Politologen Vladimír Handl vom Prager Institut für Internationale Beziehungen:

Herr Handl, vor 35 Jahren wurde der Prager Vertrag unterzeichnet. Es war der letzte der so genannten Ostverträge, den die sozialliberale Regierung von Willy Brandt im Rahmen ihrer Entspannungspolitik abgeschlossen hat. Die Verhandlungen über den Prager Vertrag zogen sich lange hin – sie dauerten etwa 3,5 Jahre. Für die Bundesregierung war der Vertrag wichtig, weil er der abschließende Baustein der neuen Ostpolitik war. Welchen Stellenwert hatte der Vertrag denn für die tschechoslowakische Regierung?

„Ich glaube nicht, dass die Bedeutung des Vertrages für die tschechoslowakische Seite sehr hoch war. Die Bedeutung lag eher darin, dass der Vertrag ein Teil des Komplexes der Abkommen zwischen Bonn und den Ostblockstaaten war. Und das war für Moskau wichtiger als für Prag.“

Den Vertrag mit Moskau hatte die Bundesrepublik bereits 1970 abgeschlossen. Wie souverän war den Prag unter diesen Umständen, nein oder ja zum eigenen Vertrag mit der Bundesrepublik zu sagen?

„Bonn wie auch Prag standen unter dem Druck aus Moskau, weil die sowjetische Führung das Vertragswerk als Ganzes haben wollte. Sie hat den Abschluss des Prager Vertrages mit der Weiterführung der Verhandlungen mit Bulgarien und Ungarn verknüpft. Die Abkommen mit Sofia und Budapest wurden dann auch zehn Tage nach dem Prager Vertrag unterschrieben.“

Gab es denn durch den Abschluss des Vertrags für die Regierung in Prag nicht auch materielle Vorteile. Ich denke da an die Möglichkeit, mit dem reichen Nachbarn Deutschland Handel aufzunehmen…

„Dieses materielle Interesse gab es bestimmt. Die Modernisierung der tschechoslowakischen Wirtschaft und die Erhöhung des Lebensstandards waren wichtige Ziele in der Politik der Parteiführung nach der Niederschlagung des Prager Frühlings und der damit verbundenen Reformversuche. In der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und den Handelsbeziehungen mit West-Deutschland lag das eigentliche Interesse von Prag. Die politischen Beziehungen hatten hingegen keine große Priorität. Zweitens wollte die Tschechoslowakei auch die territoriale Integrität des Landes und zudem den wichtigen Verzicht von Gewalt in den internationalen Beziehungen mit Deutschland in einem völkerrechtsgültigen Vertrag bestätigen.“

Autor: Till Janzer
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