Prag gleich Weimar? – über Fehler im System und die Frage, wie es weitergeht

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Die tschechische Verfassung kennt kein konstruktives Misstrauensvotum, beim dem die Opposition gleich einen Nachfolger für den Premier vorschlagen muss. Jetzt – nach dem Misstrauensvotum gegen das Kabinett Topolánek - kann also eine gewisse Erstarrung eintreten. Christian Rühmkorf sprach mit dem tschechischen Politologen Robert Schuster über Systemfehler und das, was jetzt passieren könnte.

Vojtěch Filip und Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
Robert Schuster, was wir am Dienstag im tschechischen Parlament erlebt haben, war nach deutschen Begriffen ein „destruktives Misstrauensvotum“. Das heißt, die Opposition aus Sozialdemokraten und Kommunisten muss keine Verantwortung übernehmen, sie muss keinen Nachfolger für Premier Topolánek benennen. Dass es kein konstruktives Misstrauensvotum gab, das war ein Schlüsselproblem der gescheiterten Weimarer Republik. Ist Prag das neue Weimar? Liegt da ein Fehler im System vor, Robert?

„Ja, sicherlich ist die Lösung, die es im deutschen Grundgesetz gibt – das heißt, ein konstruktives Misstrauensvotum, das ja auch eine Maßnahme ist, um gerade einen häufigeren Regierungswechsel zu verhindern – natürlich ist das eine sehr elegante Lösung, die sich in Deutschland auch bewährt hat. Aber das lässt sich nicht überall im Maßstab 1:1 übernehmen. Ich denke der Fehler liegt schon grundlegend darin, dass es nach den Wahlen in Tschechien traditionell nicht gelingt, stabile Regierungsverhältnisse bzw. Mehrheiten herzustellen. Das ist auch eine Frage, wie die Wählerstimmen in Mandate umgerechnet werden. Das heißt, wir haben ein System, das zwar die großen Parteien ein bisschen bevorzugt, aber gleichzeitig nicht so sehr, dass zum Beispiel Mehrheiten entstehen, die auch die ganze Legislaturperiode halten. Wenn wir das jetzt wieder mit Deutschland vergleichen: In Deutschland gibt es ja die Regelung mit den so genannten Überhangmandaten. Und gäbe es so etwas in Tschechien, dann wären natürlich die Mehrheitsverhältnisse völlig anders und dann gäbe es hier auch eine stabile Mehrheit. In Deutschland waren es oft eben diese Überhangmandate, die am Ende den Ausschlag gegeben haben, welche Regierung dann amtieren kann und darf.“

Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Bei der Mandatsverteilung gibt es also ein Problem. Aber wie geht es nun konkret weiter? Die Vorstellungen der beiden großen Volksparteien, der Bürgerdemokraten (ODS) und der Sozialdemokraten (ČSSD), über die nächste Zukunft sind ja sehr unterschiedlich. Wie kann es weitergehen?

„Es wird nichts anderes helfen, als dass sich diese beiden Parteien einigen. Denn alle möglichen Wege aus der Krise sind davon abhängig, dass die beiden größten Parteien versuchen, eine Art Kompromiss zu schließen. Es gibt zwei Wege. Der eine wäre, den Weg, den die Verfassung vorschreibt, voll auszuschöpfen: Das heißt, drei Versuche eine Regierung zu bilden, diese jeweils drei mal scheitern lassen und dann können Neuwahlen angesetzt werden. Oder der zweite Weg, der schon einmal 1998 beschritten wurde, wäre, durch ein Verfassungsgesetz die vorzeitige Auflösung des Parlaments zu beschließen. Aber dieses Verfassungsgesetz muss mit einer Dreifünftel-Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments verabschiedet werden. Also, die beiden Parteien werden nicht darum herum kommen, miteinander zu reden, diese Varianten zu besprechen und etwas zu beschließen.“

Welche Rolle würde dabei Präsident Václav Klaus übernehmen?

„Nun, das hängt auch ganz davon ab, ob die Parteien fähig sein werden, sich zu einigen. Je länger die Parteien zögern, je mehr sie streiten, desto stärker wird natürlich die Rolle des Präsidenten. Und je schneller sie sich einigen, desto schneller wird Václav Klaus vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist also jetzt auch ein kleiner Machtkampf zwischen den Parlamentsparteien und dem Staatsoberhaupt, der in den kommenden Wochen aufkommen kann.“