Pavel Brycz auf der Leipziger Buchmesse 2008

Leipziger Buchmesse 2008 (Foto: ČTK)

In Cafés und Museen, aber auch in Kirchen, Friseursalons und sogar auf Friedhöfen. Das Festival „Leipzig liest“ lockt vom 13. bis 16. März mit Autorenlesungen an ungewohnten öffentlichen Orten.

Einer der insgesamt 1500 Schriftsteller ist der Tscheche Pavel Brycz. Sein Roman „Des Patriarchats längst vergangener Ruhm“ wurde vor vier Jahren mit dem tschechischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet und ist jetzt ins Deutsche übersetzt worden. Passagen daraus kann man in Leipzig am Samstag ab 16 Uhr im Café Europa hören.

„Mein Roman „Des Patriarchats längst vergangener Ruhm“ spielt vor dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts. Er beginnt im letzten Jahr des ersten Weltkrieges und endet in den Tagen vor dem 11. Septembers 2001. Die Lebensgeschichte einer Familie spiegelt die schrecklichen Ereignisse dieser Zeit wider, mal hart, mal lustig: Der Patriarch, sprich Familiengründer, flüchtet vor Lenin aus der Ukraine, macht eine Zwischenstation in Liberec / Reichenberg, heiratet eine Sudetendeutsche und die Geschichte holt sie wieder ein. In diesem Buch habe ich auch nach meinen eigenen Wurzeln gesucht, dennoch ist der Roman wirklich eine ausgedachte Geschichte, Fabulation“, erklärt Pavel Brycz und vergleicht den Stil seines Buches mit Gabriel Marquez’ „Hundert Jahre Einsamkeit“.

Leipziger Buchmesse 2008  (Foto: ČTK)
Pavel Brycz lebt bei Liberec. Er ist Absolvent der Prager Theaterakademie und Autor von mittlerweile sechs Prosawerken, doch er war nie hauptberuflich Schriftsteller: Als Werbetexter arbeitete er und erfand für die Fast Food Kette Kentucky Fried Chicken einen tschechischen Werbeslogan, der bis heute verwendet wird. Doch die Arbeit als Werbetexter, der „Witz auf Kommando“, raubte ihm zu viel Energie für das Fabulieren. Brycz kündigte bei seiner Werbeagentur und unterrichtet nun an einem Gymnasium in Liberec, verfasst Drehbücher für das tschechische Fernsehen und liest im Rundfunk Geschichten für Kinder.

Zeit für das Schreiben bleibt ihm nur in den frühen Morgenstunden. Umso mehr genießt er das Wochenende auf der Leipziger Buchmesse, das ganz im Zeichen des Wortes steht.

„Ich treffe dort sicher einige Literaturliebhaber, die sich für die aktuelle tschechische Prosa interessieren, aber ich erwarte weder großen Erfolg noch großes Publikum – ich rechne nicht damit, dass man auf mich reagiert als wäre ich Pink Floyd", erklärt Brycz.

Leipziger Buchmesse 2008  (Foto: ČTK)
Auch wenn er kein Deutsch spricht, nimmt er Literatur grenzübergreifend wahr und mit Freunden diskutiert er oft neue Tendenzen in Deutschland.

„Ich denke, wir haben mit Deutschland viel gemeinsam: Wir teilen eine Geschichte voller Gegensätze, aber auch Ähnlichkeiten. Goethe und Schiller haben wir immer bewundert, Deutschland sogar um sie beneidet und Günter Grass ist herausragend. Als ich die Blechtrommel las, hatte ich das Gefühl, dass sie Ereignisse schildert, die mein sudetendeutscher Vater in Liberec erlebt hatte, aber nicht aussprach. Für mich war das Buch sehr wichtig. Die deutsche Literaturszene ist schneller und moderner als die tschechische, sie hält nicht an den Klassikern fest. Neue Stile, neue Namen – das interessiert uns sehr. Zugleich wollen wir zeigen, dass wir hier in Mitteleuropa etwas haben, das auch für Deutsche von Belang sein könnte.“

Die Lesung am Samstag wird laut Ankündigung klären, „Warum tschechische Literatur für ein deutsches Publikum interessant ist“. Dazu soll neben Pavel Brycz auch die Autorin Markéta Pilátová aus Kroměříž / Kremsier beitragen.

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