Palackýs letzte Reise: keine Ruhe für Gelehrtengehirn

Foto: Martina Schneibergová

Er erhielt den Ehrentitel „Vater der Nation“ (Otec národa): František Palacký gilt bis heute als einer der bekanntesten tschechischen Historiker. Nach seinem Tod wurde sein Gehirn im Pantheon des Nationalmuseums in Prag bestattet. Nach 60 Jahren wurde es am Freitag wegen der Instandsetzung des historischen Gebäudes in die Prager Palacký-Gedenkstätte überführt. Die Mitarbeiter des Nationalmuseums wollen nun die Öffentlichkeit befragen, ob das Gehirn eventuell in der Familiengruft in Lobkovice / Lobkowitz (Mittelböhmen) beigesetzt werden soll.

František Palacký  (Foto: Martina Schneibergová)
František Palacký (1798-1876) war nicht nur Historiker, sondern auch eine bedeutende Persönlichkeit des politischen Lebens im 19. Jahrhundert. Sein bekanntestes Werk ist die mehrbändige „Geschichte des tschechischen Volkes in Böhmen und Mähren“ (Dějiny národu českého v Čechách a v Moravě), sie wird für eine der bedeutendsten tschechischen historiographischen Arbeiten gehalten. Palacký habe eine wichtige Rolle bei den Anfängen des Nationalmuseums gespielt, sagt dessen Leiter Michal Lukeš:

„Mit dem Nationalmuseum verbunden ist er als einer seiner Begründer, der nicht aus adeligen Kreisen stammte. Palacký redigierte die bis heute erscheinende erste wissenschaftliche tschechische Zeitschrift: die Zeitschrift des Nationalmuseums. Als er 1876 starb, war er sehr populär. An seinem Begräbnis nahmen 40.000 bis 50.000 Menschen teil. Sein Leichnam wurde vor der Bestattung im Altstädter Rathaus aufbewahrt. In den Gelehrtenkreisen des Nationalmuseums entstand wahrscheinlich die Idee, aus Gründen der Pietät das Gehirn des geschätzten Wissenschaftlers und Politikers im Nationalmuseum zu bestatten. Damals stand jedoch noch nicht das heutige Gebäude. Deswegen wurde das Gehirn 1891 aus dem früheren Sitz des Museums in das Nationalmuseum überführt. 1958 wurde eine Nische im Pantheon des Museums errichtet, in der das Gehirn seitdem aufbewahrt wurde.“

Das historische Gebäude des Nationalmuseums wird gründlich renoviert. Deswegen wurde auch die kleine Holzkiste mit dem Gehirn aus dem Pantheon in die Palacký-Gedenkstätte überführt. Die Gedenkstätte wird vom Nationalmuseum verwaltet. Sie befindet sich im Haus, in dem Palacký einige Jahre gelebt hat. Kommendes Jahr vergehen 140 Jahre seit Palackýs Tod. Aus diesem Anlass plant das Nationalmuseum einige Konferenzen. Der Museumsleiter:

„Wir wollen zudem eine Diskussion über die Bedeutung des Historikers initiieren. Dabei wollen wir auch feststellen, ob sich die Meinung der Bevölkerung seit dem 19. Jahrhundert geändert hat. Wir möchten die Öffentlichkeit auffordern, sich zu äußern, ob es nicht vielleicht besser wäre, das Gehirn des Gelehrten in der Familiengruft der Palackýs in Lobkovice zu bestatten. Uns interessiert zudem, wie die Öffentlichkeit heute Palackýs Persönlichkeit wahrnimmt.“